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Der Kampf gegen die Kinderarbeit

Dennis Stute12. Juni 2006

Weltweit müssen 218 Millionen Kinder arbeiten. Auf diesen Missstand soll der "Welttag gegen Kinderarbeit" aufmerksam machen. Doch an diesem 12. Juni gibt es erstmals Anlass für Optimismus.

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Kinder im indischen Alwar machen eine Pause von der FeldarbeitBild: AP
Kinderarbeit in Nikaragua
Suche nach verwertbarem Material auf einer Müllkippe in NicaraguaBild: AP

"Die Beseitigung der Kinderarbeit ist in greifbare Nähe gerückt", sagt Frank Hagemann von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. "Lange Zeit wurde das als Fernziel betrachtet und eng mit der Armutsdebatte verknüpft - man dachte, solange es keine globale Prosperität gibt, lässt sich auch die Kinderarbeit nicht beseitigen." Doch in diesem Jahr machten Hagemann, Leiter des Programms zur Erstellung der Kinderarbeits-Statistik, und sein Team eine überraschende Entdeckung: Die Kinderarbeit ging zwischen 2000 und 2004 um elf Prozent zurück - und zwar ohne entsprechende Erfolge in der Armutsbekämpfung. "Aber die Zahlen sind noch immer erschreckend genug", sagt Hagemann. Rund 218 Millionen Kinder müssen weltweit arbeiten, 126 Millionen unter extremen Bedingungen - etwa in Bergwerken, Steinbrüchen oder in der Prostitution.

Siegel gegen Ausbeutung

Seit jeher werden insbesondere in der Textilindustrie häufig Kinder eingesetzt. Allerdings habe sich die Situation seit den neunziger Jahren verbessert, sagt Barbara Küppers vom Kinderhilfswerk Terre des Hommes. "Zulieferbetriebe, die für große Markenfirmen produzieren, beschäftigten keine Kinder mehr". Viele Marken haben sich - auch wegen des Drucks der "Kampagne für saubere Kleidung" - inzwischen Verhaltenskodizes auferlegt; Discounter wie Lidl oder Aldi beteiligen sich allerdings nicht.

Ein Versuch, Kinderarbeit einzuschränken ist das Rugmark-Siegel, mit dem Teppiche ausgezeichnet werden, an deren Produktion nur Erwachsene beteiligt waren. In Indien haben die Teppiche inzwischen einen Anteil von 15 Prozent an den Exporten, in Nepal sind es sogar mehr als 50 Prozent. Allerdings ist die Initiative bislang auf Indien, Nepal und Pakistan beschränkt. "Ein Problem besteht darin, dass sich so ein Siegelsystem nur einführen lässt, wenn es eine starke NGO vor Ort gibt", sagt Claudia Brück, Sprecherin des Vereins TransFair, der das Siegel vergibt. Denn man müsse den Kindern auch Alternativen bieten - und dazu sei eine dauerhafte Begleitung notwendig. Insgesamt ist der Einfluss westlicher Konsumenten auf die Kinderarbeit jedoch gering, da nur schätzungsweise fünf Prozent der Kinder in Sektoren arbeiten, die für den Export relevant sind.

Bildung statt Arbeit

Kinderarbeit in Rumänien
Auch in Europa, hier in Albaniens Hauptstadt Tirana, gibt es KinderarbeitBild: AP

"Wenn Kampagnen nicht gleichzeitig dafür sorgen, dass die Kinder in eine vernünftige Schule kommen, helfen sie den Kindern nicht, sondern schaden ihnen", sagt Barbara Küppers von Terre des Hommes. Fast 100 Millionen Kinder besuchen keine Grundschule - würde sich das ändern, wäre dies auch ein entscheidender Schritt, um die Kinderarbeit zu beseitigen, wie die ILO-Studie feststellt: "In immer mehr Ländern brachte die Einführung der allgemeinen Schulpflicht bis zum Alter von 14 Jahren die Kinderarbeit zum Verschwinden."

Ein weiterer Faktor wäre nach Einschätzung von Küppers eine effektive Gewerbeaufsicht. Doch wie weitere Maßnahmen im einzelnen aussehen können hängt stark von lokalen Gegebenheiten ab - im südlichen Afrika sind es vielfach Aidswaisen, die zur Arbeit gezwungen sind, in Vietnam Flüchtlingskinder aus Burma, auf US-amerikanischen Obstplantagen die Kinder hispanischer Einwanderer.

"Meistens sind es Kinder der unteren Kasten, die zur Arbeit gezwungen sind", sagt Alok Vajpeyi, Direktor der indischen NGO Global March Against Child Labour. In den vergangenen Jahren habe das Problembewusstsein in Indien zwar stark zugenommen, doch die Maßnahmen der Regierungen reichten noch immer nicht aus - noch immer könnten längst nicht alle Kinder Schulen besuchen. "Und wenn bei Razzien in Betrieben festgestellt wird, dass dort Kinder arbeiten, werden die Arbeitgeber nicht bestraft", sagt Vajpeyi.

Lohnendes Engagement

Unterricht in einer Schule in der ghanaischen Stadt Obuasi
Schule in Obuasi in GhanaBild: DW

In Afrika muss jedes vierte Kind arbeiten - doch auch hier nehmen sich viele Staaten des Problems stärker an. In Uganda etwa hat die Regierung eine Abteilung zur Beseitigung der Kinderarbeit eingerichtet, die eng mit internationalen Organisationen zusammenarbeitet, wie Andrew Mawson, Leiter der Abteilung Kinderschutz des UN-Kinderhilfswerks UNICEF in Uganda, erklärt. Insbesondere in der kommerziellen Landwirtschaft gebe es Bemühungen, die Situation zu verbessern. "In anderen Bereichen muss noch ein Weg gefunden werden", sagt Mawson. "Es ist sehr verbreitet, dass Kinder als Haushaltshilfen arbeiten - also in einem Bereich, in dem Missbrauch potenziell groß ist." Rund 2,7 Millionen Kinder in Uganda arbeiten, 1,8 Millionen davon in einem schädlichen Umfang.

Dass sich Reformen lohnen, zeigt eine andere Studie der ILO: Würde man die Kinderarbeit weltweit durch Bildungsangebote ersetzen, wären die Kosten mit 760 Milliarden Dollar zwar enorm. Doch der wirtschaftliche Nutzen durch diese Investition in die Arbeitskraft wäre mit 5106 Milliarden Dollar fast sieben Mal größer.