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Der Kopf der Hydra

Tom Mustroph19. September 2013

Die Polizei in Singapur nimmt den Wettpaten Dan Tan und 13 seiner Komplizen fest. Tan ist umtriebigster Akteur im internationalen Wettbetrug. Ein wichtiger Schritt, der das Grundproblem aber nicht löst.

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Schattenriss von Frau vor Computerbildschirm mit Sportwetten (Foto: Christian Charisius dpa/lno)
Bild: picture-alliance/dpa

Eine Posse hat ein Ende: Jahrelang konnte der Singapurer Eng Tan Seet, genannt Dan Tan, sich des weltweiten Ruhms erfreuen, einer der umtriebigsten Paten im internationalen Wettbetrugsgeschäft zu sein. Mitunter brüstete er sich sogar gegenüber Journalisten mit seinen Wettgewinnen und denen seiner Klienten. Sein höchster Wettgewinn bei einem einzigen Spiel soll bei 15 Millionen Euro gelegen haben, erzählte er in diesem Jahr dem "Spiegel". Es soll sich dabei um ein Spiel der italienischen Serie A gehandelt haben. Passenderweise liegt aus Italien auch ein Haftbefehl gegen Tan vor. Dort wird er von der Staatsanwaltschaft Cremona als "Nr. 1 des Betrugsrings" gesucht. "Er ist, nach allem was wir wissen, der Mann, bei dem die Gelder zusammenlaufen", erklärte Cremonas Staatsanwalt Roberto di Martino gegenüber der DW.

Bislang konnte sich Dan Tan jedoch darauf verlassen, dass die Behörden in seiner Heimat Singapur ihn ungeschoren davonkommen ließen - jedenfalls so lange er sich mit seinen Betrugsaktivitäten aus dem Fußball des Stadtstaates heraushielt. Diese stillschweigende Übereinkunft gilt nun offenbar nicht mehr. Wie die singapurische Polizei mitteilte, nahm sie am Dienstag (17.09.2013) im Rahmen einer zwölfstündigen Razzia gegen mutmaßliche Wettbetrüger 14 Personen fest. Laut der Nachrichtenagentur AP erklärte eine Polizeiquelle in Singapur, dass sich unter ihnen auch Dan Tan befinde. Interpol feierte diese Festnahme in einer Pressemitteilung "als einen wichtigen Schritt zur Zerschlagung eines internationalen Wettbetrugssysndikats". Interpol-Generalsekretär Ronald K. Noble hob hervor, dass sich unter den Verhafteten auch der Kopf der Bande befinden soll.

Geringes Risiko, hoher Gewinn

Dan Tan gilt als Kopf eines Syndikats, dem bis zu 900 manipulierte Fußballspiele weltweit zur Last gelegt werden. Sein Arm reichte einem früheren Komplizen zufolge von Asien aus über Afrika und Europa bis nach Süd- und Mittelamerika. Derzeit überprüfen die Bochumer Beamten der Ermittlungsgruppe "Flankengott" jene 380 manipulierten Spiele in Europa, die die europäische Polizei Europol im Februar vorgestellt hatte. Bei vielen weisen die Geldspuren nach Singapur.

Spielszene VSC Debrecen (Ungarn) gegen AC Florenz (Italien) (Foto: EPA/TIBOR ILLYES)
Die Champions-League-Partie zwischen VSC Debrecen und dem AC Florenz soll manipuliert gewesen seinBild: picture-alliance/dpa

"Dan Tan agierte wie ein Broker. Er setzte Geld seiner Klienten auf solche Spiele, bei denen Mittelsmänner bereits Spieler bestochen hatten", erzählte der frühere Chefermittler der FIFA Chris Eaton der DW. "Es handelt sich um ein Geschäft mit geringem Verfolgungsrisiko und großen Gewinnaussichten." Eaton schätzt die durch Manipulationen getätigten Wettgewinne auf zwei bis drei Prozent des globalen Wettmarkts.

Dan Tans Rolle überschätzt?

Andreas Krannich, Geschäftsführer des Monitoring-Dienstleisters Sportradar geht davon aus, dass etwa jedes hundertste Spiel manipuliert ist. "Bei etwas weniger als 300 Spielen von allen etwa 31.000 Partien pro Jahr in Europa ausgetragenen können wir Auffälligkeiten nicht anders als mit einem Manipulationsverdacht erklären", sagte Krannich gegenüber der DW.

Ob für alle diese Spiele Dan Tan und sein Kartell verantwortlich gemacht werden können, ist fraglich. Ermittler sagten der DW bei einem Workshop in Doha im Frühjahr, dass von Singapur aus "vier weitere Manipulierer aus der selben Liga wie Dan Tan" operierten. Ralf Mutschke, Eatons Nachfolger als FIFA-Chefermittler, hält denn auch Dan Tans Rolle allgemein für "überschätzt". Er sei "nicht so involviert wie alle dächten" und hätte nur "symbolische Bedeutung".

FIFA-Ermittler Ralf Mutschke (l.) und Interpol-Generalsekretär Ronald K. Noble (Foto: EPA/SHAMSHAHRIN SHAMSUDIN)
FIFA-Ermittler Mutschke (l.) und Interpol-Generalsekretär NobleBild: picture-alliance/dpa

Wettbetrug als endemisches Phänomen

Zwar hat sich offenbar in Singapur der Verfolgungsdruck erhöht. Bereits im Februar wurde nach Kontakten zwischen Dan Tan und der Singapurer Polizei ein früherer slowenischer Fußballprofi, der als Statthalter Dan Tans in Italien agiert hatte, beim Eintreffen auf dem Mailänder Flughafen festgenommen. Dass nach der Festnahme auf einen Schlag der Sport wieder sauber wird, ist aber nicht anzunehmen. Hartnäckige Wettbetrüger setzen ihre Aktivitäten sogar von Gefängnis aus fort.

Dan Tans Ex-Partner Wilson Raj Perumal, der von Dan Tan im Februar 2011 wegen interner Konflikte an die Behörden verraten wurde und nach Abbüßung einer Haftstrafe in Finnland nun von der ungarischen Polizei überwacht wird, soll über Mittelsmänner zahlreiche Spiele der zweiten australischen Liga manipuliert haben. Am vergangenen Wochenende wurden in diesem Zusammenhang zehn Personen festgenommen. Die Festnahme Dan Tans in Singapur bedeutet daher nur, dass zwar eine offene Blutung gestillt wurde. Der Patient ist insgesamt aber noch lange nicht geheilt.