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Der lange Arm Ankaras

Marcel Fürstenau mit AFP und dpa
7. August 2019

Die Bundesregierung bemüht sich um Zugang zu Osman B., der Ende Juli in Antalya festgenommen wurde. Sein Rechtsanwalt sieht im Vorgehen der Türkei eine Kampfansage an die Meinungsfreiheit und Oppositionelle im Ausland.

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Deutschland Amnesty International Protest für freie Meinungsäußerung in der Türkei in Berlin 2013
Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Für Rechtsanwalt Berthold Fresenius gibt es keinen Zweifel, warum sein Mandant Osman B. auf dem Flughafen der Touristen-Hochburg Antalya festgenommen wurde: "Die von der türkischen Regierung durchgesetzte faktische Abschaffung der Meinungs- und Pressefreiheit soll an den Grenzen der Türkei nicht halt machen", sagte B.s Rechtsbeistand am Mittwoch auf Anfrage der Deutschen Welle. Oppositionelle im Ausland sollten wissen, dass sie mit regierungskritischen Äußerungen bei der Einreise in die Türkei ihre Festnahme riskierten.

Fresenius war kurz nach der Festnahme des Deutschen mit türkischen Wurzeln von dessen Familienangehörigen über den Fall informiert worden. Als in Deutschland zugelassener Anwalt ist es ihm allerdings nicht möglich, direkt Kontakt zu türkischen Stellen aufzunehmen. Darum bemühen sich, wie in solchen Fällen üblich, das Auswärtige Amt in Berlin und die Deutsche Botschaft in Ankara. Von dort wurde das Generalkonsulat in Antalya eingeschaltet, mit dem Fresenius nach eigenen Angaben in Kontakt steht.

Auswärtiges Amt vermeidet politische Bewertung

Allerdings hätten deutsche Diplomaten noch nicht mit Osman B. sprechen könne, sagte die Sprecherin des Auswärtigen Amtes, Maria Adebahr, am Mittwoch auf der Regierungspressekonferenz in Berlin. Die notwendigen Schritte für eine konsularische Betreuung seien aber eingeleitet worden. Zugleich betonte Adebahr die Bedeutung der Presse- und Meinungsfreiheit: Es handele sich um "sehr hohe Güter". Angesichts verschiedener Fälle in den vergangenen Jahren sei mit der türkischen Regierung über das "uns wichtige Thema" immer wieder diskutiert worden. "Wir treten dafür ein."

Symbolbild Deutschland & Türkei Tourismus
Urlaub in der Türkei kann gefährlich sein, wie der Fall des in Antalya festgenommen Osman B. zeigt Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken

Einer politischen Bewertung des durch Medienberichte bekannt gewordenen Falles enthielt sich die Sprecherin des Auswärtigen Amtes. Derweil sieht B.s Anwalt Fresenius in dem Vorgehen der türkischen Seite ganz klar einen Zusammenhang mit der "Ankündigung des türkischen Innenministers vom März dieses Jahres".

Süleyman Soylu hatte im Frühjahr nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gewarnt: "Da gibt es jene, die in Europa und in Deutschland an den Veranstaltungen der Terrororganisation teilnehmen und dann in Antalya, Bodrum und Mugla urlauben."

Reisehinweis als Warnung

Mit "der Terrororganisation" meinte der türkische Innenminister die in der Europäischen Union (EU) und der Türkei als Terrororganisation eingestufte verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Soylu drohte damals: "Sollen sie doch herkommen und von den Flughäfen aus einreisen. Wir nehmen sie fest!"

Aus der türkischen Regierung hieß es danach, die Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Touristen aus Deutschland und allen anderen Ländern seien nach wie vor willkommen. Die Festnahme des deutsch-türkischen Lageristen aus Offenbach Osman B.s lassen an dieser Behauptung jedoch Zweifel aufkommen.

Angeklagt in der Türkei
Die deutsche Journalistin und Übersetzerin kurdischer Herkunft Meşale Tolu Çorlu wurde im April 2017 im Rahmen ihrer Pressetätigkeit in der Türkei festgenommen. Am 18. Dezember 2017 wurde sie unter Auflagen entlassen Bild: BR

Medienberichten zufolge wird dem 36-Jährigen vorgeworfen, über seine Facebook-Seite "Terrorpropaganda" verbreitet zu haben. Im Falle einer Verurteilung muss er mit mehreren Jahren Haft rechnen.

Dass Türkei-Reisen unter bestimmten Umständen riskant sein können, darauf weist das Auswärtige Amt immer wieder hin. Sprecherin Adebahr erinnerte an einen zuletzt im Frühjahr aktualisierten Reisehinweis auf der Internetseite des Amtes. Man müsse leider davon ausgehen, "dass auch Aktivitäten in sozialen Medien oder Äußerungen, die aus deutscher Sicht von Meinungsfreiheit und Pressefreiheit absolut gedeckt sind, in der Türkei zu Problemen führen können".

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland