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Der Machtpoker des bosnischen Serben-Führers Dodik

Norbert Mappes-Niediek
15. September 2023

In Bosnien und Herzegowina fordert der Serben-Führer Milorad Dodik die internationale Gemeinschaft immer mehr heraus und droht dem Hohen Repräsentanten Christian Schmidt mit Verhaftung. Kommt ein neuer Krieg?

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Der Präsident der bosnisch-serbischen Teilrepublik, Republika Srpska, Milorad Dodik
Der Präsident der bosnisch-serbischen Republika Srpska, Milorad Dodik, am 7.09.2023 in Banja LukaBild: Dragan Maksimović/DW

Es klang nach Showdown. "Sie sind nicht der Hohe Repräsentant", schrieb Milorad Dodik, der Präsident der bosnischen Teilrepublik Srpska, dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft im Land, Christian Schmidt, am Donnerstag in einem offenen Brief. "Sie vertreten nicht die internationale Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina". Für den angekündigten Fall, dass Schmidt aus der bosnischen Hauptstadt Sarajevo nach Banja Luka, in die Hauptstadt der Republika Srpska, reisen wollte, hatte Dodik gegen den Deutschen zuvor sogar eine konkrete Drohung ausgesprochen: Er müsse mit "Verhaftung und Abschiebung" rechnen. Ein entsprechendes Dekret sei "in Arbeit".

Seit der 66-jährige Christian Schmidt, einst CSU-Landwirtschaftsminister unter Angela Merkel, vor zwei Jahren sein Amt angetreten hat, ist in der Politik des kleinen Balkanstaates mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern kein Stein auf dem anderen geblieben. Von den drei ebenso mächtigen wie korrupten Anführern der Nationalparteien der Bosniaken, Serben und Kroaten steht nur einer noch im Saft: Dodik. Denn: Mit rigorosen Erlässen, gedeckt von Berlin und vor allem Washington, schaffte es Schmidt, seit Jahren blockierte Neuwahlen durchzusetzen.

Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt
Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt. Die Blume an seinem Anzug ist das Gedenksymbol für den Völkermord von Srebrenica 1995Bild: Klix.ba

Das Ergebnis: Die bosniakische "Partei der demokratischen Aktion" unter Bakir Izetbegovic, Sohn des legendären Kriegspräsidenten Alija, flog aus der Regierung. Sein kroatisches Pendant Dragan Covic, der schon drei Mal wegen Korruption angeklagt war und sich nur knapp retten konnte, ist politisch kaltgestellt und zahm wie noch nie. Die "Föderation", der Landesteil, den sich die 50 Prozent Bosniaken im Land mit den 15 Prozent Kroaten teilen, hat nach vierjähriger Blockade wieder funktionierende Institutionen.

Drohgesten als Spezialität

Erwartungsgemäß erweist sich Milorad Dodik, der Serbe, als der härteste Brocken. Nachdem er dem Hohen Repräsentanten mit Verhaftung gedroht hatte, blies der seine Reisepläne erst einmal ab. Trotz seines Rückzugs gab Schmidt sich gelassen: Man sei "auf dem Balkan", wo "nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt" werde. Prompt ruderte auch Dodik zurück. Persönlich sprach er keine Drohungen mehr aus. Stattdessen hieß es nur noch von der Polizei der Republika Srpska, sie könne "nicht für Schmidts Sicherheit garantieren".

Drohgesten sind die Spezialität des 64-Jährigen. Seit Jahren kündigt er regelmäßig eine Volksabstimmung an, bei der die bosnischen Serben sich für die Abspaltung von Bosnien entscheiden würden. Sie blieb immer aus.

Im Bild drei Personen: der serbische Staatspräsident Aleksandar Vucic (li.), Milorad Dodik (Mi.) und das serbische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina, Zeljka Cvijanovic
Der serbische Staatspräsident Aleksandar Vucic (li.), Milorad Dodik (Mi.) und das serbische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina, Zeljka CvijanovicBild: Dragan Maksimović/DW

Tatsächlich hat Dodik für einen eventuellen Showdown nicht die besten Karten. Im benachbarten Serbien bekommt der rüde Politiker für seine Ausfälle allenfalls verbale Rückendeckung. Der serbische Staatspräsident Aleksandar Vucic bemüht sich, mit seinem Land die Balance zwischen der EU und Russland zu halten, eine Position, die seit dem russischen Überfall auf die Ukraine noch prekärer geworden ist.

Nicht so fest im Sattel, wie es scheint

Auch wirtschaftlich läuft es nicht rund in der Republika Srpska: Russland, auf das Dodik sich seit Jahren stützt, hat nichts mehr zu bieten. Deutschland hat im Angesicht des jüngsten Streits Infrastrukturprojekte im Wert von 105 Millionen Euro gecancelt.

Milorad Dodik (links) und der russische Staatspräsident Wladimir Putin (rechts)
Milorad Dodik (li.) und der russische Staatspräsident Wladimir Putin bei einem Treffen in Sotschi am 30.09.2018Bild: Reuters/Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kremlin

Und auch innenpolitisch sitzt der starke Mann nicht so fest im Sattel, wie er glauben machen will. Ein Gesetz gegen "Verleumdung", mit dem er die Medien an die Kandare nehmen will, stößt auf anhaltende Proteste. Wahlen gewinnt er nicht immer - und wenn, dann eher knapp. Seit Bosnien und Herzegowina im Vorjahr überdies zum EU-Beitrittskandidaten befördert wurde, kann Dodik mit seiner Nähe zu Russland immer weniger punkten. Die Jugend in seinem Reich wandert massenhaft aus - Richtung Westen, nicht Richtung Osten.

Schon die Nominierung von Schmidt war für Dodik eine Niederlage. Ausgewählt wurde der Deutsche von den neun Staaten plus der EU, die den 55-köpfigen Peace Implementation Council (PIC) steuern. Weil Russland mit einem Veto drohte, brachten die Westmächte die Personalie, anders als in den meisten Fällen zuvor, gar nicht erst vor den UN-Weltsicherheitsrat. Russland zog sich deshalb aus dem PIC zurück.

Schmidt nutzt Vollmachten

Schmidt dagegen ging sofort mit Energie an die Arbeit. Anders als die meisten seiner Vorgänger machte er von seinen gewaltigen Kompetenzen, den "Bonner Vollmachten", intensiv Gebrauch. Dass Dodik Schmidts Nominierung nicht anerkennt, weil der UN-Sicherheitsrat nicht einbezogen war, behielt er fast zwei Jahre als Trumpf im Ärmel. Erst im Juni 2023 wagte er die Kraftprobe und ließ beschließen, dass die Entscheidungen des Hohen Repräsentanten in der Republika Srpska nicht mehr umgesetzt und nicht einmal mehr verkündet würden. Schmidt hielt dagegen und drohte Amtsträgern, die seine Beschlüsse ignorieren, mittels eines von ihm erlassenen Gesetzes mit fünf Jahren Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft in Sarajevo erhob daraufhin Anklage gegen Dodik, ein Gericht bestätigte sie.

Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, liest vor dem UN-Sicherheitsrat in New York aus einem Bericht vor
Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant für Bosnien und Herzegowina, stellt am 10.05.2023 den Bericht über die Lage in Bosnien vorBild: Klix.ba

Als Dodik in seinem offenen Brief Schmidt nun seine rechtmäßige Nominierung absprach, zählte er auch die früheren Amtsinhaber auf, die ordentlich ins Amt gekommen seien. Besonders an Schmidts unmittelbaren Vorgänger erinnert Dodik sich nun wehmütig - obwohl er ihn zuvor jahrelang regelmäßig unflätig beschimpft hatte: Der umgängliche Österreicher Valentin Inzko, ein Diplomat, hatte Dodik und andere bosnische Politiker in seinen zwölf Amtsjahren kaum herausgefordert. Schmidt dagegen, ein Politiker, nutzt alle Vollmachten, die ihm seine Position als Hoher Repräsentant bietet.

Dass aus dem Nervenkrieg zwischen dem Srpska-Präsidenten und dem Hohen Repräsentanten ein Krieg mit echten Waffen werden könnte, gilt jedoch sowohl in Sarajevo als auch in Banja Luka als unwahrscheinlich. Dodik, der in seiner Jugend in Jugoslawien den Wehrdienst verweigerte und vor dem Krieg der Jahre 1992 bis 1995 aus Bosnien nach Belgrad floh, hat vor konkreten militärischen Drohungen immer zurückgeschreckt. Noch steht eine EU-geführte Friedenstruppe im Land, die EUFOR Althea. Selbst wenn, wie befürchtet, der UN-Sicherheitsrat deren Mandat wegen eines drohenden russischen Vetos nicht verlängern sollte, würde die Althea-Mission wohl einfach im Land bleiben - legitimiert von der Regierung in Sarajevo.