Der stille Organisator
29. Juli 2009Mitten im Industriegebiet in Frankfurt, eingequetscht zwischen Tankstellen und Möbelhäusern, steht ein flaches, turnhallen-ähnliches Gebäude. Der Hof ist liebevoll mit roten Laternen geschmückt, vor dem Eingang prangen hohe Buddhastatuen. Darüber ein Schild: „Pagode Phat Hue“ - der Name des buddhistischen Klosters.
Helle Aufregung statt klösterliche Ruhe
Hier drinnen hört man normalerweise sanfte Meditationsklänge. Doch normal ist zur Zeit nichts mehr in der Pagode. Ob auf vietnamesisch, englisch oder deutsch – die Menschen hier sprechen nur noch über eines, den Dalai Lama. Junge Mönche in brauner Robe schleppen gerade ein Klavier aus der Halle, andere basteln an Dekorationen oder tragen Dalai Lama Poster. Mitten im Gewusel: Thich Thien Son. Kahlgeschorener Kopf, dunkle Ordenstracht, leuchtend-braune Augen. Mit einem gelassenen Lächeln auf den Lippen bahnt sich der Abt den Weg durch Staubsauger und Werkzeug. "Hier hängen überall Poster vom Dalai Lama. Das ist eine tolle Gelegenheit für alle Buddhisten. Meine ganze Gemeinde kommt mit ins Stadion", strahlt der Abt, dessen Gemeinde immerhin 7000 Menschen zählt.
Vor fünf Jahren hat alles begonnen
Thay - wie sie den Abt hier alle nennen - geht nach nebenan, wo es nach Räucherstäbchen duftet: in die Buddhahalle. "Hier laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren, am Altar haben wir Blumen dekoriert, Früchte angerichtet, Tische werden fertiggemacht." Die Halle ist so groß wie ein Schwimmbad, roter weicher Teppich, ganz vorne sechs mannshohe, goldene Buddhas. Thich Thien Son war es, der vor fünf Jahren den Dalai Lama eingeladen hat. Doch der Dalai Lama lehnte zunächst ab. Daraufhin setzte sich der Abt in den Flieger und reiste selbst nach Dharamsala, um den Dalai Lama noch mal persönlich einzuladen. Doch der hat zum zweiten Mal abgelehnt, erinnert sich Thay. "Ich habe ihn dann gefragt, wo das Problem sei. Er sagte, es sei ihm wichtig, dass nicht irgendjemand ihn einlädt, sondern eine Gruppe. Eine Gruppe von Buddhisten. Es ist ihm wichtig, dass Buddhisten zusammenarbeiten."
Kommt er oder kommt er nicht?
Also hat Thay sie zusammengetrommelt, seine Gemeinde "Phat Hue" aus Frankfurt, das Tibet-Haus und die Deutsche Buddhistenunion. Mit Erfolg: der Dalai Lama änderte seine Meinung und sagte zu. Warum der Abt das buddhistische Oberhaupt unbedingt nach Deutschland holen wollte? "Ich bin ihm bis jetzt fünf, sechs Mal begegnet. Es war wie auf Knopfdruck: Dein Herz geht auf, die Tränen laufen, ohne dass du was machen kannst. Und das war so intensiv, dass ich gesagt habe, jeder soll das mal erleben." Und jetzt kommt er tatsächlich, und selbst der stets ausgeglichene Mönch gibt zu: "Langsam werde ich nervös, jeder hier hat Lampenfieber, die Erwartungen werden größer." Zwei Jahre lang haben sie das Vier-Tage-Mega-Event vorbereitet, erzählt Thay, während er mit schnellem Schritt aus der Buddhahalle in den dritten Stock eilt. Dort sitzt die Nonne Hue Nghiem, umringt von etwa 20 Mitarbeitern. Sie ist die Hauptorganisatorin, meint Thay, er habe ihn ja nur eingeladen. Auch Hue Nghiem kann es noch gar nicht wirklich glauben, dass der Dalai Lama wirklich kommt, denn ""die letzten zwei Jahre waren ein ständiges Auf und Ab. Wird seine Heiligkeit kommen oder nicht?"
Unruhen in Tibet: Sponsoren sprangen ab
Der Dalai Lama wurde vor einiger Zeit sehr krank, daraufhin mussten sie das ursprünglich geplante Sechs-Tage-Event zurückfahren. "Es hing am seidenen Faden, weil uns durch die Verkürzung viele Leute abgesprungen sind. Finanziell hing das Damoklesschwert über uns",erzählt die Nonne, während sie Helfer und klingelnde Handys koordiniert. Das Problem war, dass die Eintrittskarten zurückgezahlt werden mussten. Das Event finanziert sich nur durch die Karten und durch Sponsoren. Dann kochte letztes Jahr auch noch der Konflikt in Tibet hoch. "So gab es immer weniger Unterstützung von Sponsoren, durch die politische Situation in Tibet. Das muss man ganz offen sagen. Dass wir die Hilfe vieler Firmen nicht mehr bekommen haben, weil sie Angst hatten so ihre Geschäfte mit China aufs Spiel zu setzen."
Mönche hoffen auf eine Stippvisite
1,6 Millionen Euro kostet die Veranstaltung. Hue Nghiem hofft jetzt, dass wirklich jeden Tag zehntausend Besucher ins Stadion kommen. Unten in der Buddhahalle wird weiter geputzt und geräumt. Thich Thien Son, der Abt, packt mit an. Es liegt ihm am Herzen, dass sein Kloster festlich aussieht. Aber warum eigentlich - der Dalai Lama kommt doch schließlich ins Stadion? Da grinst der Abt: "Natürlich empfangen wir ihn nicht hier. Aber wir hoffen, dass er trotzdem kommt! Denn manchmal macht er diesen Sprung und sagt ganz spontan ‚Ich möchte zu euch kommen!’."
Autor: Miriam Klaussner
Redaktion: Thomas Latschan