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Der neue Bayreuther "Parsifal"

Rick Fulker26. Juli 2016

Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen vor Wagners Festspielhaus, geteilte Meinungen über die Inszenierung und ein Solistenensemble ohne Schwachpunkte gaben ein gemischtes Bild von der Eröffnung der Bayreuther Festspiele.

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Deutschland - Bayreuther Festspiele 2016 Parsifal. Copyright: Bayreuther Festspiele/E. Nawrath
Bild: Bayreuther Festspiele/E. Nawrath

Richard Wagner lässt seinen "Parsifal" in Montsalvat spielen - dort, wo mittelalterliche Ritter den Gral hüten. In dieser Inszenierung ist die Szene eine von Bomben und Kugeln geschädigte Kirche im Nahen Osten. Eine eingeblendete Videosequenz macht den Ort deutlich: Sie liegt im Norden Iraks, in jenem Gebiet, das vom sogenannten "IS" besetzt ist..

Deutschland - Sicherheitsmaßnahmen auf den Bayreuther Festspielen 2016
Die Sicherheitsmaßnahmen wurden teils mürrisch akzeptiertBild: DW/A. Feilcke

In Wagners Erzählung spendet der Gral spirituelle Nahrung, aber nur, wenn er rituell enthüllt wird. Diese Aufgabe hat der Ritterkönig Amfortas (Artikelbild). Doch bei ihm öffnet sich jedesmal eine Wunde, wenn er das schmerzliche Ritual vollzieht. Hier wird die Grausamkeit christlicher Symbolik deutlich: Amfortas wird von einem Rittersknappen erstochen, sein ausströmendes Blut wird von den Gralsrittern getrunken.

Immer wieder wird die Szenerie von Soldaten beherrscht. Auch Parsifal erscheint im Militärlook. Im zweiten Akt sind die Blumenmädchen des bösen Zauberers Klingsor teilweise als Bauchtänzerinnen gekleidet, später dann in Burkas gehüllt. Zur Karfreitagsmusik im dritten Akt tanzen nackte Mädchen im Frühlingsregenschauer. Soll damit gesagt werden, dass die Sinnlichkeit eher im Christentum als in anderen Religionen toleriert wird?

Deutschland - Bayreuther Festspiele 2016 Parsifal. Copyright: Bayreuther Festspiele/E. Nawrath
Klingsor ist offenbar ein Kreuz-FetischistBild: Bayreuther Festspiele/E. Nawrath

Bedrohtes Christentum

Das ist nur eines der Rätsel dieser Inszenierung. Hinzu kommt ein Mann, der über lange Zeit hinweg das Geschehen von einer Plattform weit oberhalb der Bühne aus beobachtet. Soll das heißen, dass nur der Blick aus der Vogelperspektive auf die Abläufe der Ereignisse der richtige ist? Im DW-Interview erklärte Regisseur Uwe Eric Laufenberg, er wolle in die Kernaussage des Stücks vordringen: Wagner untersuche hier das Christentum. Jedenfalls ist diese Inszenierung des "Parsifal", die neunte in der Geschichte der Bayreuther Festspiele seit der Uraufführung im Jahr 1882, nur behutsam modern bebildert und weit entfernt von den Interpretationsexzessen des Regietheaters der vergangenen Jahre. Das könnte auf eine Trendwende in Bayreuth hinweisen.

Starbesetzung

Dafür wurde die Arbeit des Regieteams am Schluss mit einigen Buhrufen quittiert. Dennoch überwog beim Publikum bei weitem der Jubel. Die stärksten Ovationen erhielt der deutsche Bariton Georg Zeppenfeld. Als Gurnemanz waren seine sonoren Gesangslinien von glassklarer Artikulation begleitet. In ihrem Rollendebut als Kundry war die russische Sopranistin Elena Pankratova passioniert und risikofreudig. Auch der deutsche Tenor Klaus Florian Vogt in der Titelrolle scheint seine Stimme zur Grenze des menschlich Möglichen zu führen ohne seine Kraftreserven aufzubrauchen. Beachtenswert in der Rolle des Amfortas war der amerikanische Bariton Ryan McKinney. Insgesamt hat das Solistenensemble keinen einzigen Schwachpunkt. Dieser idealtypische Wagnergesang straft das alte Klischee Lügen, dass früher in der Opernwelt alles besser war. Ein Vergleich dieser Aufführung mit historischen Aufnahmen würde dies eindrucksvoll belegen.

Deutschland - Bayreuther Festspiele 2016 Parsifal. Copyright: Bayreuther Festspiele/E. Nawrath
Regisseur Laufenberg nimmt die christliche Symbolik wortwörtlichBild: Bayreuther Festspiele/E. Nawrath

Alle Musiker ernteten mehrere Runden Bravos - vor allem Hartmut Haenchen. Der 73-Jährige sprang sozusagen in letzter Minute für Andris Nelsons ein und zeigte, was ein Dirigent in dreieinhalb Wochen zu leisten im Stande ist. Mit seinen schnellen Tempi und etwas herbem Klang entmystifiziert Haenchen die Partitur und rückt sie in die Nähe der Gebrauchsmusik, stellt sie also in den Dienst des Dramas. Das war nicht nur Richard Wagners erklärte Absicht; nach vielen Aufführungen in Bayreuth, die die Musik selbst zelebriert haben, war diese Klangfarbe sehr erfrischend.