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Der neue Kim

Frank Sieren15. Oktober 2014

Nordkoreas Diktator Kim Jong Un war über einen Monat verschwunden. Wieder aufgetaucht sitzt er fester im Sattel denn je, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Kim Jong Un
Bild: Reuters/KCNA

Er ist wieder da: Nachdem er 40 Tage aus der Öffentlichkeit verschwunden war, gibt es nun wieder ein Lebenszeichen von Nordkoreas Diktator Kim Jong Un. Er ließ sich von den Staatsmedien bei der Besichtigung eines neuen Wohnkomplexes in Pjöngjang fotografieren und lobte die moderne Kachelarchitektur der Gebäude. Während des Pressetermins zeigte sich Kim Jong Un mit einem schwarzen Gehstock.

Er habe sich bei einem Manöver am Bein verletzt, ließ er verlauten. Ob sich das Manöver nun auf einem Truppenübungsplatz oder doch eher auf dem Golfplatz abgespielt hat, kann man nicht verifizieren. Die Offenheit, mit der Kim Jong Un seinen angeschlagenen Gesundheitszustand preisgibt, überrascht aber in jedem Fall. Er will sich im Unterschied zu seinem Großvater und Vater als normalen Menschen darstellen, der eben auch einmal krank ist. An all den wilden Spekulationen, die vor allem in Südkorea gestreut wurden und die Weltpresse beschäftigten, war nicht viel dran.

Neuer Führungsstil in Nordkorea

Er sei in seiner Machtposition geschwächt – so sehr, dass er von Generälen gestürzt wurde, hieß es unter anderem. Später wurde vermutet, dass sogar seine Schwester die Amtsgeschäfte übernommen haben könnte. Aber offenbar ist genau das Gegenteil der Fall: Der 31-jährige sitzt fester im Sattel als je zuvor. So fest sogar, dass er glaubt, es sich leisten zu können, einfach mal für ein paar Wochen krankzufeiern und dem Volk seine schwache Seite zeigen zu können.

Kim Jong Un führt einen neuen Führungsstil in Nordkorea ein. Denn unter seinem Großvater, dem Staatsgründer Kim Il Sung und später seinem Vater Kim Jong Il, wäre das undenkbar gewesen. Um den Gesundheitszustand des 2011 verstorbenen Kim Jong Il wurde jedenfalls bis zuletzt ein großes Geheimnis gemacht. Wer allerdings genauer hinschaut, konnte schon früher ausmachen, dass Kim Jong Un einen offeneren Führungsstil im Sinne hat als seine Vorgänger. Schon 2011 hatte er sich direkt nach seinem Amtsantritt sehr schnell in der Öffentlichkeit gezeigt – ganz anders als sein Vater, der drei Jahre gewartet hatte.

Tatsächlicher Wandel oder nur frische PR?

Kim hat auch schnell freie Ansprachen ans Volk gehalten. 2012 zeigte er sich mit seiner frisch vermählten Frau und rehabilitierte zudem noch den geflohenen Koch seines Vaters. Er zeigte zudem, dass er ein Hobby hat, Basketball, und empfing in diesem Zusammenhang sogar einen Vertreter des Staatsfeindes Nummer 1 - den amerikanischen NBA-Spieler Dennis Rodman. Für das Volk hat diese PR eine klare Botschaft: Es ändert sich was. Neue Zeiten brechen an. Doch welche neuen Zeiten? Die frische PR macht ihn noch nicht zu einem neuen Gorbatschow. Aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dem neuen Auftritt mit einiger Zeitverzögerung auch neue Taten folgen.

Dass er offen Schwäche zeigt, ist jedenfalls ein Zeichen, wie fest er im Sattel sitzt. Und dass er sich nicht auf Krücken zu einer Feier zum Jahrestag schleppt sondern einen andern schickt, ist nicht nur ein Zeichen der Souveränität, sondern macht auch deutlich, dass er anders als seine regierenden Vorfahren auf Arbeitsteilung setzt. Die Erkenntnis, dass das System zwar so zu halten ist, Fortschritte aber nur unendlich langsam zu erzielen sind, könnte sich bei ihm früher als erwartet einstellen. Kim ist in der Schweiz zur Schule gegangen, weiß also, wie es draußen in der Welt aussieht. Und er kann sich ausmalen, welches Potenzial Nordkorea hat, in der Globalisierung eine Rolle zu spielen. Und anhand Chinas Beispiel kann er sehen, dass Öffnung auch geht, ohne dass das politische System einen Offenbarungseid leisten muss.

Kein Interesse an Zusammenbruch Nordkoreas

Geschichte jenseits von Nordkorea machen kann der Diktator jedenfalls nur als Reformer. Darüber müsste er sich allerdings ebenfalls klar sein. Die Unterstützung seiner Nachbarn, vor allem die der Chinesen, hätte er jedenfalls. Denn niemand hat ein Interesse, dass Nordkorea implodiert. Selbst Südkorea ist eine Wiedervereinigung zu teuer. Nur die US-Amerikaner würden davon profitieren. Sie könnten dann mit ihrer in Südkorea stationierten, etwa 30.000 Mann starken Streitmacht direkt bis an die chinesische Grenze vorrücken. Doch die Amerikaner sind derzeit in anderen Weltregionen zu beschäftigt, um sich mit Nordkorea anzulegen. Ein günstiger Zeitpunkt also, sich vorsichtig zu öffnen.

Eine Sonderwirtschaftszone im Nordosten des Landes gibt es jedenfalls schon, die auch für westliche Unternehmen attraktiv sein könnte. Die Frage ist nur: Welcher westliche Konzern traut sich zuerst, und wie wird er dabei von seiner Regierung unterstützt. Im Fall Chinas waren es übrigens die Schweizer, die sich als Erste getraut haben. Bereits 1980 eröffneten Schindler Aufzüge das erste industrielle Joint Venture mit einem chinesischen Staatsbetrieb. Das haben ihnen die Chinesen bis heute nicht vergessen.

DW-Kolumnist Frank Sieren lebt seit 20 Jahren in Peking.