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Der Papst in Lampedusa: Ein starker Appell

Stefan Dege8. Juli 2013

Die erste Pastoralreise von Papst Franziskus führte auf die italienische Flüchtlingsinsel Lampedusa. Zweifellos ein politisches Signal. Stellt er sich damit in die Tradition der katholischen Flüchtlingspolitik?

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Papst Franziskus auf Lampedusa (Foto: Getty)
Bild: AFP/Getty Images

Papst Franziskus wünschte sich einen "diskreten Empfang" auf Lampedusa. Doch seine von Vatikansprecher Federico Lombardi verbreitete Bitte löste das genaue Gegenteil aus: Zahlreiche Medien berichteten, Flüchtlings- und Hilfsorganisationen überschlugen sich in Interpretationen und Kommentaren. Lampedusas Bürgermeister versicherte, es werde absichtlich keinen festlichen Empfang geben, um dem Papst die ungeschönte Wirklichkeit des kleinen Eilands mit seinem Auffanglager und den gestrandeten Booten zu zeigen.

Lampedusa - Symbol für die Spannungen zwischen Nord und Süd

Kein Zweifel: Mit dem Ziel seiner ersten Pastroralreise außerhalb Roms legte Franziskus den Finger in die Wunde. Pater Frido Pflüger, Leiter der deutschen Sektion des Jesuitischen Flüchtlingsdienstes (JRS), erkannte im Besuch des Papstes auf Lampedusa einen "starken Appell" an die Länder des nördlichen Europas: "Sie sollen sehen, dass sie ihre Verpflichtungen haben gegenüber den Flüchtlingen. Und dass sie nicht einfach sagen können, wir schieben das an die Außengrenze - und fertig!" Nach Ansicht des Paters ist die italienische Mittelmeerinsel ein Symbol für die Spannungen zwischen dem armen Süden und dem reichen Norden. "Hierher fliehen Menschen, die Diktatur und Gewalttätigkeit nicht mehr aushalten, die ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde suchen."

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst kritisiert seit geraumer Zeit die Flüchtlingspolitik Brüssels: Die Chancen von Asylsuchenden, in Europa Schutz zu finden, würden durch die zwischenstaatliche Zuständigkeitsregelung "Dublin II" erheblich verschlechtert und verzögert, konstatiert der JRS in seinem kürzlich in Brüssel vorgestellten Bericht. Die Organisation hatte dafür 257 Asylsuchende, die von diesem Verfahren unmittelbar betroffen waren, in neun EU-Staaten befragt. Deutschland wird im dem Papier die häufige Inhaftierung von Asylsuchenden vorgeworfen. Im Dublin-II-Abkommen der EU sehen viele Südeuropäer eine ungleiche Belastung, da es allein den Ankunftsländern die Pflicht der Asylverfahren zuweist. Von Griechenland bis Spanien rechtfertigen Politiker so die Abfertigung von Flüchtlingen im Schnellverfahren.

Ein gestrandetes Flüchtlingsboot auf Lampedusa (Foto: AFP)
Die Flüchtlinge setzen ihr Leben aufs SpielBild: picture-alliance / abaca

Immerhin verbietet ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen Italien aus dem vergangenen Jahr, dass Boote mit Flüchtlingen von der Küstenwache in unsichere Länder wie Libyen zurückgeschickt werden können. "Wir reden da immer so leichtfertig von Wirtschaftsflüchtlingen, als ob jemand nur wegen eines besseren Lebens nach Europa kommen würde", so Pater Pflüger im DW-Interview, "aber den meisten geht es darum, überhaupt leben zu können."

Katholische Solidarität mit Flüchtlingen

Als ein "wichtiges politisches Signal" wertet Günter Burghardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, den Besuch des Papstes auf Lampedusa. Europa schotte sich gegenüber Flüchtlingen ab. Tausende seien im letzten Jahr auf dem Meer gestorben. Nur relativ wenige Flüchtlinge erreichten Europa. "Die Realität sieht so aus, dass wir noch meilenweit entfernt sind von einem Asylrecht in Europa, wo alle Staaten die Verantwortung für die Flüchtlingsaufnahme übernehmen. Immer noch ist der Staat zuständig, der den Flüchtling einreisen lässt", so Burghardt gegenüber der Deutschen Welle.

Porträt: Günter Burkhardt von Pro Asyl Foto: Pro Asyl
Günter Burkhardt von Pro AsylBild: PRO ASYL

Mit seiner Pastoralreise setzte Franziskus nach Einschätzung Burghardts lediglich einen neuen Akzent in der katholischen Flüchtlingspolitik: "Wir stellen fest, dass es aus dem gesamten Bereich der katholischen Kirche eine hohe Solidarität mit Flüchtlingen gibt. Das betrifft sowohl die Kirchengemeinden vor Ort in Deutschland oder anderen Staaten als auch die Ebene der Deutschen Bischofskonferenz, die sich für Flüchtlinge in Deutschland stark macht. Und das betrifft den Vatikan, aus meiner Sicht fast unabhängig von der Frage, wer der Papst ist." Das Thema Migration habe im Bereich der katholischen Kirche einen hohen Stellenwert aufgrund der Verankerung der christlichen Botschaft, so Pro Asyl-Geschäftsführer Burghardt.

Überfülltes Flüchtlingsboot in Lampedusa Foto: EPA/VENEZIA FILIPPO dpa
Gelandet am Ufer des Glücks? - Überfülltes Flüchtlingsboot in LampedusaBild: picture-alliance/dpa

Papst Franziskus: Option für die Armen

Von einer Flüchtlingspolitik des Vatikans zu sprechen, falle ihm schwer, so Oliver Müller, Leiter der katholischen Hilfsorganisation Caritas International. "Das kann ich so nicht erkennen." Immerhin gebe es eine Tradition von Lehrschreiben, von Veröffentlichungen der Päpste wie auch verschiedener Bischofskonferenzen, die sich dazu geäußert und die ihre jeweiligen Gesprächspartner oder ihre nationalen Regierungen an ihre ethischen Pflichten erinnert hätten. "Das scheint mir sehr konsistent zu sein: Kirche und katholische Organisationen waren schon immer Mahner, selbst dann, wenn es auf wenig Gegenliebe stieß, für die Rechte der Flüchtlinge einzutreten."

Papst Franziskus Reise "an einen Ort, an den sonst eigentlich niemand freiwillig gehen will", passt nach Müllers Worten "exzellent in das Programm, das der Papst bisher in seinen Reden abgesteckt hat - weil die Option für die Armen ihm wohl wirklich ein wichtiges Anliegen ist." Papst Franziskus mache deutlich, dass der Bau von Mauern und Schranken nicht die Lösung der weltweiten Flüchtlingsproblematik darstelle.

Schon Benedikt forderte Solidarität mit Flüchtlingen

Vor Franziskus hatte zuletzt Papst Benedikt XVI. auf die Leiden der Flüchtlinge hingewiesen. In einer Botschaft zum Welttag des Migranten und Flüchtlings 2012 schrieb er: "Die Flüchtlinge, die um Asyl bitten und vor Verfolgung, Gewalt und lebensbedrohlichen Situationen geflohen sind, brauchen unser Verständnis und unsere Aufnahmebereitschaft, die Achtung ihrer Menschenwürde und ihrer Rechte." Die Politik forderte Benedikt auf, "für eine konkrete Umsetzung der Solidarität zu sorgen, auch durch geeignete Aufnahmestrukturen und Umsiedlungspläne." Dies beinhalte auch die gegenseitige Hilfe zwischen den leidgeplagten Regionen und denen, die schon jahrelang zahlreiche Menschen auf der Flucht aufnehmen, sowie die Übernahme größerer gemeinsamer Verantwortung von Seiten der Staaten.

Papst Benedikt XVI. Foto: VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images)
Papst Benedikt XVI.Bild: VINCENZO PINTO/AFP/Getty Images

"Päpstliche Appelle wirken allenfalls langfristig", glaubt Daniel Leguthe, Menschenrechtsreferent der Deutschen Kommission Justitia et Pax, einer Art "Runder Tisch" der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche tätig sind. "Politische Veränderungen passieren niemals von heute auf morgen." Beim Thema Flüchtlinge gehe es um eine Mentalitätsveränderung, unterstreicht Leguthe gegenüber der DW. "Wir müssen viel stärker in den Blick bekommen, dass es ein Skandal ist, was passiert. Das muss wahrgenommen werden, wie schrecklich die Verhältnisse für viele Menschen sind. Und wenn das stärker in unser Bewusstsein gelangt ist, nicht nur der politischen Klasse, sondern auch der Bevölkerung, dann kann sich auch eine Politik stärker den Opfern zuwenden. Dazu trägt ein solches Signal, nämlich in Lampedusa auch einen Kranz ins Meer zu werfen, die Toten tatsächlich zu betrauern, auf jeden Fall bei."

Wartende Flüchtlinge auf Lampedusa Foto: EPA/FRANCO LANNINO
Schwere Zeiten für Flüchtlinge auf LampedusaBild: picture-alliance/dpa