Erdbeobachtungssatellit Sentinel-2B gestartet
7. März 2017Pünktlich um 2.49 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) hob die Vega-Rakete mit dem Satelliten an Bord vom Weltraumbahnhof im südamerikanischen Kourou (Französisch-Guyana) ab. Gemeinsam mit dem baugleichen "Sentinel-2A" soll das Gerät Bilder von Landmassen, Inseln und Küstengebieten der Erde liefern. Das Copernicus-Programm, zu dem die "Sentinels" ("Wächter") gehören, wird aus dem EU-Budget und von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) finanziert. Die Daten sind für Nutzer kostenfrei verfügbar.
"Es ist zweifellos ein Durchbruch im Bereich der Erdbeobachtung und der optischen Beobachtung mittels Multi-Spektrometrie - eine Spezialität von Sentinel-2", sagt Paolo Labirinti von der ESA, der in Kourou für das Sentinel-2-Programm verantwortlich ist. "Wir sind die Anlaufstelle, wenn es die Schaffung eines Systems gibt, das solch eine Informationsfülle liefern kann."
Mit Informationsfülle meint Labirinti die Fähigkeit des Sentinel-Systems, Daten von verschiedenen Erdbeobachtungssatelliten so intelligent miteinander zu verrechnen, dass ein viel komplexeres und aussagekräftigeres Bild dabei herauskommt als es ein einzelner Satellit es je liefern könnte.
Die Sentinel-2-Technologie wurde von "Airbus Defense and Space" maßgeschneidert gefertigt. Und das neue Satelliten-Duo wird deutlich mehr können als der bisher fähigste Land-Oberflächen-Beobachtungssatellit Landsat-8. "Auch er ist ein sehr weit entwickelter Satellit, der von den Amerikanern gebaut wurde. Aber zu diesem Zeitpunkt ist er einfach nicht mehr so mächtig wie Sentinel-2", sagt Labirinti.
Allerdings fügt er auch schnell hinzu, dass Landsat-8 ein wichtiger Referenzpunkt der Europäer für ihre Anwendungen im All ist: "Ich will gegenüber unseren Landsat-8 Partnern nicht unfair sein! Sie haben unglaublich viel für das Verständnis unserer Erde geleistet."
Höhere Datenraten als je zuvor
Durch den Start von Sentinel-2B wird eine Zweierkonstellation komplettiert: Sentinel-2A und Sentinel-2B arbeiten in Tandem. Sie werden doppelt so viele Daten über die Oberflächenbedeckung der gesamten Erde und die dort vorhandene Vegetation liefern.
Derzeit scannt Sentinel-2A die Erde innerhalb von zehn Tagen komplett ab. Wenn Sentinel-2B in Betrieb geht, werden beide zusammen komplette Bilder des Planeten alle fünf Tage liefern. Es geht dabei um die sogenannte "Wiederbesuchszeit" am Äquator: Beide Satelliten fliegen auf einem fast polaren Orbit - das heißt, sie überfliegen immer wieder den Nord- und den Südpol. Aber beide Satelliten fliegen zeitversetzt.
"Das bedeutet, wir umrunden den Nord- und Südpol etwa alle 90 Minuten mit einer Geschwindigkeit von rund sieben Kilometern pro Sekunde", sagt Sentinel-2-Missions-Managerin Bianca Hoersch.
Zwischen den beiden Satelliten liegt eine Lücke von etwa 180 Grad oder eine Zeitverschiebung von etwa 45 Minuten. "Sie haben den gleichen Abstand voneinander - fliegen also in einer Tandem-Konstellation", sagt Hoersch.
"Und gleichzeitig rotiert die Erde. So sieht ein Satellit einen Teil der Erde, und ein anderer danach einen anderen Teil der Oberfläche. Über fünf Tage haben wir so einen kompletten Überblick über die Erdoberfläche." Sentinel-2A und -2B vermessen auf ihrem Flug Oberflächenstreifen von je etwa 290 Kilometern Breite.
Eine große Sentinel-Familie
Aber da gehören noch mehr zur großen Familie der Sentinel-Satelliten! Sentinel-1A und -1B sind bereits in ihrer Umlaufbahn, genauso wie Sentinel-3A. Jeder von ihnen hat einen besonderen Fokus - aber sie helfen sich auch gegenseitig aus. So liefert zum Beispiel Sentinel-1 Radardaten über Katastrophenfälle und über Veränderung der Erdkruste - etwa nach Erdbeben, Erdrutschen oder bereits vor Vulkanausbrüchen. Als Radarinstrument kommt Sentinel-1 auch gut mit Wolken klar und kann Daten aus den Tropen liefern, wo es oft schwierig ist, wolkenfreie Bilder zu bekommen.
Sentinel-2 hat dafür auch seine Stärken - er kann mehr erkennen als wir je mit unseren Augen sehen würden. "Die Raumauflösung von nur zehn Metern zum Beispiel, und die 13 Spektralbänder - vieles davon hatten wir auf früheren Missionen nicht", sagt Hoersch.
Das Auge würde nur vier Spektralbänder sehen. "Wenn man mit dem Auge oder mit einer üblichen Fotokamera schauen würde, könnte man das sichtbare Licht aufzeichnen. Dazu bekommen wir noch Informationen im nahen und mittleren Infrarotbereich - Informationen, die das Auge nicht sehen kann. Aber das Licht ist vorhanden und gerade die Vegetation reflektiert es in dieser Wellenlänge", erklärt Hoersch.
Die DW ist für Sie dabei
Die Deutsche Welle verfolgt den Start bei der ESA in Kourou und im Satelliten-Kontrollzentrum in Deutschland. Unser Reporter Zulfikar Abbany ist direkt vor Ort in Französisch Guayana.Aus Darmstadt berichten Lea Albrecht und Kai Steinecke.