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Der Rhein fließt nach Europa

Andi Noll17. Februar 2003

In der Irak-Krise dokumentieren Frankreich und Deutschland Einigkeit. Der frühere deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und der französische EU-Kommissar Pascal Lamy wollen sogar noch mehr: einen deutsch-französischen Bund.

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Historisches im Haus der GeschichteBild: DW

Die offiziellen Feierlichkeiten zum 40. Jubiläum des Elysée-Vertrages sind eigentlich vorbei. Im Bonner Haus der Geschichte gab es am 13.2.2003 einen kleinen "Nachbrenner". Vor mehr als 2000 Zuschauern würdigten Altbundeskanzler Helmut Kohl und EU-Kommissar Pascal Lamy in einer Diskussionsveranstaltung nicht nur die historische Bedeutung des von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle initiierten Vertrages, sondern wagten auch einen vorsichtigen Blick in die Zukunft der deutsch-französischen Zusammenarbeit und diskutierten über die zukünftige Gestalt Europas.

Lamy: Deutsch-französischer Bund

Vor allem EU-Handelskommissar Lamy, enger Vertrauter des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors, hatte brisante Vorschläge im Gepäck. Mit seiner Forderung nach einem deutsch-französischen Bund ging er weit über die von Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatspräsident Jacques Chirac vor zwei Wochen vereinbarte vertiefte Zusammenarbeit beider Länder hinaus. In der von Lamy in groben Zügen vorgestellten Union gibt es neben einer gemeinsamen deutsch-französischen Armee auch gemeinsame Botschaften in aller Welt. So ambitioniert das Projekt auch sein mag, Pascal Lamy glaubt an die Chancen zu seiner Umsetzung: Diplomaten und Militärs seien sehr disziplinierte Leute. Eine solche Fusion müsse dort ohne weiteres funktionieren.

Statt zwei Blauen Briefe nur einer aus Brüssel

Etwas schwieriger könne allerdings die Realisierung des deutsch-französischen Bundes auf der wirtschaftspolitischen Ebene sein. Hier gelte es, die Steuern in Deutschland und Frankreich zu harmonisieren, aber auch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu vereinbaren. Aus einem engen deutsch-französischen Bund könne dann ein Gegengewicht zur einheitlichen Währung in Europa entstehen. Außerdem, ergänzte der Kommissar schmunzelnd, brauche Brüssel in einer deutsch-französischen Union nur noch einen, statt zwei blaue Briefe zu verschicken.

Neue Initiative, alte Idee

Die Idee einer deutsch-französischen Union ist dabei nicht neu, wie Lamy selbst zu Beginn der Diskussion bestätigte. Die ersten Ideen dazu gab es bereits im Vorfeld des Elysée-Vertrages vor mehr als 40 Jahren. Und auch im vergangenen Jahrzehnt haben einzelne Politiker einen solchen Schritt wiederholt gefordert, so etwa der CDU-Außenpolitiker Lamers oder der ehemalige französische Finanzminister Dominique Strauss-Kahn. Pascal Lamy hat sein Projekt einer deutsch-französischen Union zum ersten Mal vor gut einem Jahr in einer Debatte mit seinem Kollegen Günter Verheugen in Brüssel skizziert und in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag mit Verheugen vor wenigen Tagen einer größeren Öffentlichkeit vorgestellt.

"Lassen Sie es uns doch einfach machen!"

Altbundeskanzler Helmut Kohl ermunterte Lamy, auf diesem Weg weiterzugehen, wenngleich er konkrete Vertiefungsschritte anregte, bevor man mit der deutsch-französischen Union ein großes symbolisches Projekt angehe. In Anspielung auf das gemeinsame Gebet Adenauers und de Gaulles in der Kathedrale von Reims bemerkte der Altkanzler: "Ich würde jetzt keine Überschrift machen: Wir treffen uns wieder im Dom von Reims und verkünden die deutsch-französische Union. Lassen Sie es uns doch einfach machen!"

Mit Deutschland und Frankreich Fortschritt für Europa

Lamy geht es darum, mit dem deutsch-französischen Beispiel Europa als Ganzes voranzutreiben. So ist er sich sicher, dass sich einer deutsch-französischen Union weitere EU-Staaten anschließen würden, um so zu der dringend benötigten Weiterentwicklung der Europäischen Union beizutragen. Eine andere Weiterentwicklung des europäischen Projektes könne durch die Arbeit des Konvents erfolgen. Ihn rief der Kommissar zu einem "institutionellen Sprung" auf, denn nur durch einen großen Wurf könnten die europäischen Institutionen, die ursprünglich für sechs Staaten konzipiert wurden, für die Erweiterung auf 25 bzw. 29 Staaten fit gemacht werden. Helmut Kohl hat trotz aller gegenwärtigen Probleme keine Sorgen was die europäische Zukunft anbelangt. Der europäische Einigung sei spätestens seit der Einführung des Euro irreversibel und die Freundschaft zwischen den Völkern tief: "Der Rhein fließt nach Europa."