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Der geheimnisvolle Tod Ludwigs XIV.

John Laurenson / so26. Oktober 2015

Frankreichs mythenumrankter König Ludwig XIV. führte ein außergewöhnlich luxuriöses Leben. Eine Ausstellung zu seinem 300. Todestag bringt neue Fakten ans Licht: zum Beispiel über sein groteskes Beerdigungsritual.

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Ludwig XIV.
Bild: public domain

Im Frühsommer des Jahres 1715 beklagte sich der französische König Ludwig XIV. über Schmerzen in seinem Bein. Mitte August setzte der Wundbrand ein. Am 1. September desselben Jahres war er tot. Ludwig XIV. war 72 seiner 77 Lebensjahre König von Frankeich. Er starb genauso, wie er geboren wurde: in aller Öffentlichkeit. Sein Tod sorgte nicht nur für Trauer in Frankreich.

"In den letzten dreißig Jahren seiner Regenschaft führte Frankreich nur zwei Jahre lang keinen Krieg", sagt Gérard Sabatier. Der Ko-Kurator der Ausstellung "Der König ist tot" im Schloss von Versailles hat drei Jahre lang die Geschichte königlicher Begräbnisfeierlichkeiten erforscht. "Die Franzosen mussten nicht nur in den Kampf ziehen, sie hatten auch dafür zu zahlen. Als der König starb, machte sich auch so etwas wie Erleichterung breit."

Regieren vom Bett aus

Trotz seiner Krankheit hielt der Sonnenkönig bis zwei Tage vor seinem Tod an seinen täglichen Ritualen fest. Das fiel ihm nicht schwer: Schließlich führte er die meisten Geschäfte ohnehin von seinem Bett aus. Selbstverständlich handelte es sich dabei nicht um ein normales Schlafzimmer. Und was sich dort abspielte, war auch nicht normal. Das Schlafgemach Ludwigs XIV. befand sich Im Zentrum des Versailler Schlosses. So war ihm vom Bett aus ein Blick auf den prachtvollen, vergoldeten Eingangsbereich möglich. Es war auch kein Zufall, dass die Anlage der Residenz den Ost-West-Verlauf der Sonne spiegelte.

Versaille Wasserspiele 300. Todestag von Ludwig XIV.
Sinn für Pracht: Wasserspiele im Schlosspark von VersaillesBild: picture-alliance/dpa/W. Grubitzsch

Jeder Tag des König begann mit dem "lever du roi": Eine halbe Stunde lang wurde er angezogen und empfing dabei erste Besucher in der Reihenfolge ihres Status'. Zuerst wurde sein Bruder vorgelassen, dann sein Sohn, zum Schluss traten Würdenträger vor, deren Rang nicht mehr so hoch angesiedelt war. Schon in der Früh trug Ludwig seine Perücke. Sein Schwert wurde am Gürtel befestigt, seine Handschuhe übergestreift. Sein Schlafgemach war voller Menschen. Zu Ende ging sein Tag mit dem "coucher du roi", dem königlichen Zubettgehen.

Zerstückelter Körper und das Abbild des Königs

Am Tag nach dem Tod des Königs wurde sein Körper aufgeschnitten, in drei Teile geteilt (Körper, Herz und Eingeweide) und von Ärzten einbalsamiert. Dann wurde er in einen Bleisarg gelegt, der wiederum in einem Sarg aus Eiche lagerte. Philipp der Schöne war der erste französische König, der nach seinem Tod im Jahre 1314 in drei Teile zerlegt worden war. Die Idee dahinter war ganz pragmatisch: Statt einem einzigen gab es nun drei Orte, an dem die sterblichen Überreste des Königs aufbewahrt wurden und an denen das Volk ihrem Oberhaupt eine letzte Reverenz erweisen konnte. In stürmischeren Zeiten wurden die sterblichen Überreste dagegen entweiht, Wertgegenstände geplündert.

Der Doppel-Sarg Ludwigs XIV. wurde acht Tage lang in Versailles aufgebahrt. Anders als es die Tradition vorschreibt, wurde keine Figur der Leiche angefertigt. Zu früheren Zeiten – die Tradition stammte ursprünglich von den Römern und wurde von den Engländern wieder belebt – fertigte man eine Strohpuppe des toten Königs an. Eine Maske aus Wachs und eine Wachsform der Hände wurden beigefügt. Die Puppe wurde danach angezogen und aufrecht ins Bett gesetzt, wo sie Trauergäste "empfing".

Versaille Spiegelsaal 300. Todestag von Ludwig XIV.
Weltberühmt: der Spiegelsaal von VersaillesBild: picture-alliance/dpa/D. Saulnier

Wiedersehen mit einem Toten

Diese Puppen spielten eine enorm wichtige Rolle bei den Beerdigungsprozessionen. Sie wurden an der Spitze des königlichen Leichenwagens angebracht, der durch die Straßen von Paris kutschiert wurde. Die Menschen am Straßenrand konnten ihren König so noch einmal sehen. Ludwigs Vater, Ludwig XIII., setzte dieser Tradition ein Ende. Er empfand sie als heidnisch. Stattdessen mussten die Trauergäste fortan mit den menschlichen Überresten im Grab Vorlieb nehmen.

Ludwig XIV. hat viel Zeit darauf verwendet, sich um die Zeugung von Nachfahren zu kümmern. Mit seiner Frau Marie-Thérèse zeugte er sechs Kinder, zwei von ihnen waren Jungen. Anders erging es seinen Nachbarn in Europa: die Spanischen Bourbonen zum Beispiel hatten Probleme, Nachfolger zu bekommen.

Gefährderte Erbfolge

Doch trotz der vielen Kinder liefen die Dinge aus dem Ruder. Sein ältester Sohn Ludwig, besser bekannt als Grand Dauphin, starb im Jahr 1711. Ein Jahr später starb auch noch sein zweiter Sohn, der ebenfalls den Namen Ludwig trug. Der einzige in Frage kommende lebende Nachfolger war sein Enkel, der ebenfalls Ludwig hieß.

Als sein Großvater 1715 starb, war der künftige König Ludwig XV. gerade einmal fünf Jahre alt. Und damit zu jung, um seinen verstorbenen Verwandten aufzusuchen oder zu dessen Beerdigung zu gehen.

Der König ist tot, lang lebe der König

"Der Tod des Königs, sowohl als Repräsentant als auch als Institution, war ein Schlüsselmoment in der öffentlichen Wahrnehmung der Monarchie", heißt es auf der Website der Ausstellung "Der König ist tot" in Versailles. Der Leichnam Ludwigs XIV. wurde in lila statt in schwarze Gewänder gehüllt. Die Aussage war so klar wie paradox: Auch wenn Könige sterben – der König ist unsterblich.

Frankreich, 300jähriges Jubiläum von Schloss Versaille
Oft nachgeahmt, aber nie erreicht: Teilnehmer eines Maskenballs am 300. Todestag Ludwigs des XIV.Bild: AFP/Getty Images/D. Faget

Schwarz trugen die anderen Trauernden, die extra kamen, um Wasser auf das Haupt Ludwigs zu sprenkeln. Wer welches Trauergewand trug, war strikt reglementiert. Je höher der Rang, desto länger die Schleppe, die der Trauernde hinter sich herzog. Die Ranghöchsten trugen Schleppen hinter sich her, die bis zu fünf Meter lang waren. Einige Räume in Versailles wurden Schwarz ausgekleidet, ebenso die Leichenwagen. Die Bediensteten trugen schwarz, genauso wie die Pferde.

Hollywoodreifer Leichenzug

Als es am 8. September 1715 Nacht wurde, zog die Leichenprozession von Versailles zur Kathedrale von St. Denis, wo sich die Gräber der französischen Könige befinden. Es ist nicht bekannt, warum der Leichenzug 12 Stunden in der Nacht unterwegs war. Vielleicht lag es am Einfluss Spaniens, wo eine Vorliebe für nächtliche Beerdigungsrituale vorherrschte. Auf jeden Fall steigerte die Dunkelheit die Dramatik.

2.500 Menschen machten sich auf den Weg. Viele von ihnen gehörten zur königlichen Wache. Zu Pferde oder zu Fuß folgten sie dem drei Meter hohen Leichenwagen, auf dem ein leuchtendes silbernes Kreuz prangte. Vorweg liefen 400 arme Menschen. Sie trugen Kerzen und waren in schwarze Mäntel und schwarze Hauben gekleidet. Als sie durch die Straßen liefen – begleitet vom rhythmischen Geräusch des Trommlers – begann die Menge Beleidigungen und Flüche zu rufen. Denn viele Franzosen waren froh, dass sie ihren Langzeit-Monarchen los waren.

Die Organe des Sonnenkönigs wurden in Notre Dame entdeckt

Mit Einbruch der Dämmerung erreichte die Prozession die Kathedrale von St. Denis. Musiker spielten einen Trauermarsch von André Philidor. Der fünf Meter lange, mit blauem Samt besetzte Hermelinpelz Ludwigs und das Schwert, das einst Karl dem Großen gehört hatte, wurden auf dem Sarg platziert. Ins Innere des Sargs wurden ein Modell seines Schwertes, seine Sporen und sein Zepter gelegt, was seine Autorität untermauern sollte.

Der Körper wurde in der Kathedrale von St. Denis beigesetzt. Erst viel später, im Jahr 1793, in den Jahren des Terrors nach der französischen Revolution, wurde er wieder ausgegraben. Zu dieser Zeit standen Gewalt und Exekutionen auf der Tagesordnung. Die Kupferplatte, die Ludwigs Sarg zierte, wurde abmontiert und in einen Soßenlöffel umgeschmolzen. Sein Herz wurde in die Jesuitenkirche in die Rue St. Antoine gebracht, in die Plünderer während der Französischen Revolution einfielen und das Gold raubten. Dabei wurden auch die Überreste des Herzens zerstört.

Die Ausstellung präsentiert drei andere königliche Herzen, die in Gold gegossen wurden. Nur die einbalsamierten Eingeweide Ludwigs XIV. blieben von den Jakobinern verschont. Erst kürzlich wurden die Fässer, in denen die Eingeweide aufbewahrt worden waren, im Chorraum der Kathedrale Notre Dame in Paris gefunden. Jahrhundertelang wussten Millionen von Touristen nicht, worauf sie ihre Füße setzten.

"Der König ist tot”, Ausstellung vom 26.10.2015 bis 21.02.2016, Schloss Versailles bei Paris.