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"Der Spiegel" gerät unter Druck

Calle Kops (dpa/sid)19. Oktober 2015

Nach den "Spiegel"-Vorwürfen zur Vergabe der WM 2006 wächst die Kritik an dem Nachrichtenmagazin. DFB-Präsident Niersbach weist die Anschuldigungen erneut zurück, DFB-Anwalt Schertz droht mit Schadenersatzforderungen.

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ILLUSTRATION - Ausgaben des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" liegen in einem Kiosk (Foto: Bodo Marks/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B. Marks

DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hat die Korruptionsvorwürfe um die Vergabe der Fußball-WM 2006 erneut vehement zurückgewiesen. "Die WM 2006 war ein Sommermärchen, und sie ist ein Sommermärchen. Das Sommermärchen ist nicht zerstört, weil ich auch hier nochmal sage: Es hat keine schwarzen Kassen gegeben, es hat keinen Stimmenkauf gegeben", sagte Niersbach am Montag bei einem Pressetermin im neuen Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. Der 64-Jährige räumte aber auch "den einen offenen Punkt" ein: "Dass man die Frage stellen muss, wofür diese Überweisungen der 6,7 Millionen verwendet wurden." Die Zahlung des WM-Organisationskomitees an den Weltverband FIFA im Jahr 2005 hatte der DFB bereits am Freitag eingeräumt.

Wolfgang Niersbach im Porträt bei der Eröffnung des Deutschen Fußball-Museums in Dortmund (Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)
Niersbach bei der Eröffnung des DFB-Fußball-MuseumsBild: Getty Images/Bongarts/C. Koepsel

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, ihm vorliegende vertrauliche Unterlagen ließen darauf schließen, dass die nach Deutschland vergebene Weltmeisterschaft 2006 gekauft gewesen sei. Niersbach verwies darauf, dass die Vorgänge intern vom DFB-Kontrollausschuss und extern von einer renommierten Wirtschaftskanzlei untersucht werden. "Auch uns wäre es lieb, wenn das möglichst schnell aufgeklärt wird", sagte der DFB-Chef. "Ich kann aber keine Prognose abgeben, wie lange das dauert."

Anwalt droht mit Schadenersatzforderungen

Das kann wohl auch Christian Schertz nicht. Doch der Rechtsvertreter des DFB drohte dem "Spiegel" bereits mit Schadenersatzforderungen. "Wir werden Unterlassung fordern, wir werden Gegendarstellung fordern, und sollte dem Deutschen Fußball-Bund durch diese Berichterstattung ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, werden wir den Spiegel-Verlag dafür auch haftbar machen", sagte der Rechtsanwalt am Sonntagabend beim TV-Sender Sky. Er finde in dem Spiegel-Bericht keinen Beweis für die vorgebrachten Anschuldigungen gegen das deutsche Bewerbungskomitee.

Medienanwalt Christian Schertz im Porträt (Foto: Bodo Marks/dpa)
Medienanwalt Christian SchertzBild: picture-alliance/dpa/B. Marks

Schertz, der Fachanwalt für Medienrecht ist, erklärte, er werde bei dieser Sachlage, die für ihn tatsächlich ungewöhnlich und eindeutig sei, dem Präsidenten und dem DFB empfehlen, selbstverständlich eine Gegendarstellung zu verlangen und insbesondere der Aussage mit aller Härte entgegenzutreten, die WM sei gekauft worden aus einer schwarzen Kasse des DFB.

"Bild"-Zeitung: Dreyfus-Zahlung erst 2002

Unterdessen stellt auch eine Meldung der "Bild" die Richtigkeit des "Spiegel"-Artikels in Frage. Das Blatt berichtete am Montag, dass eine ominöse Zahlung des ehemaligen adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus an das Umfeld des Deutschen Fußball-Bundes angeblich erst zwei Jahre nach der Vergabe der WM 2006 an Deutschland geflossen sei. Die "Bild" nannte den Termin 2002 und berichtete zudem, das Geld solle ihren Informationen zufolge "nichts mit der WM-Vergabe zu tun gehabt haben". Damit widerspricht die Zeitung in Teilen der Recherche des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", wonach mit den - nach heutigem Wert - 6,7 Millionen Euro im Jahr 2000 Funktionäre zur Stimmabgabe für Deutschland bewegt worden sein sollen.

"Spiegel-Artikel sehr dünn"

Sylvia Schenk von Transparency International nahm derweil den früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger zu den Korruptionsvorwürfen im Zuge der Fußball-WM 2006 in die Pflicht. "Die meisten Fragen habe ich im Moment an Dr. Zwanziger. Was hat er damals gewusst, warum hat er nichts gesagt, oder hat er wirklich nicht nachgefragt? Das wäre aber völlig unüblich für ihn", sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency am Montag im Radio-Interview bei hr-Info. Der Artikel im "Spiegel" sei "sehr dünn", so Schenk, und ein Teil der Vorwürfe veraltet: "Ich habe den Eindruck, dass der Spiegel zu früh veröffentlich hat, möglicherweise hätte man weiter recherchieren müssen." Die frühere Sportfunktionärin aus Frankfurt am Main betonte, man solle harte Fakten abwarten.

Zwanziger-Attacke auf Niersbach

Theo Zwanziger im Porträt (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Ex-DFB-Chef Theo ZwanzigerBild: picture-alliance/dpa

Die Fragen von Schenk beantwortete Zwanziger am Montag zwar noch nicht, doch zu Wort meldete sich der Ex-Verbandschef dann doch und setzte Niersbach unter Druck. Die "Bild"-Zeitung zitierte aus einer Mitteilung von Zwanzigers Anwalt Hans-Jörg Metz, nach der Niersbach schon länger von Problemen mit der 2005 an den Weltverband getätigten und angeblich bei der FIFA zweckentfremdeten Überweisung von 6,7 Millionen Euro gewusst habe. "Seit drei Jahren bittet Dr. Zwanziger den DFB-Präsidenten Niersbach, seiner Pflicht zur Aufklärung nachzukommen, denn der großartige Verlauf der WM 2006 hat es nicht verdient, mit Spekulationen beschädigt zu werden", hieß in der von "Bild" veröffentlichten Passage.

Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte in seinem Bericht über den Korruptionsverdacht gegen die WM-Macher auch schon über ein Treffen der WM-Organisatoren im Jahr 2013 mutmaßlich wegen der Überweisung an die FIFA berichtet. Niersbach hatte am vergangenen Freitag über eine Verbandsmitteilung erklärt, erst im vergangenen Sommer von der Zahlung und deren ungeklärter Verwendung erfahren und umgehend eine Untersuchung eingeleitet zu haben.

Zwanziger, der am Wochenende vom früheren FIFA-Medien-Direktor Guido Tognoni als möglicher Informant für die Verdächtigungen ins Gespräch gebracht worden war, ließ außerdem für die kommenden Tage nach Ende seines Urlaubs persönliche Äußerungen mit einer zusammenfassenden Darstellung "aller ihm vorliegenden Erkenntnisse" und eine dementsprechende eidesstattliche Versicherung ankündigen. Darüber hinaus stellte Metz für den ehemaligen DFB-Chef fest, dass Zwanziger "in dem Interview mit dem Spiegel auf die Frage nach 'schwarzen Kassen' eine klare Antwort" gegeben hätte, jedoch "diese Passage nicht als Teil des Interviews verbreitet wurde". Der Spiegel sei inzwischen gebeten worden, die Veröffentlichung dieser Passage nachzuholen.