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Politik

"Staat hat Versprechen nicht eingehalten"

19. Dezember 2021

Bundespräsident Steinmeier belässt es zum Gedenken an den Anschlag in Berlin 2016 nicht beim Blick zurück. Vielmehr ermahnt er Politik und Behörden, Fehler und Versäumnisse so weit wie möglich auszubügeln.

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Deutschland | 5 Jahre nach dem Breitscheidplatz-Anschlag

Fünf Jahre nach dem islamistischen Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier staatliche Fehler und Versäumnisse beklagt. "Der Staat hat sein Versprechen auf Schutz, auf Sicherheit und Freiheit nicht einhalten können", erklärte Steinmeier bei einer Gedenkandacht in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche (Artikelbild) zum Jahrestag der Gewalttat an diesem Sonntag. Der Staat stehe deshalb in der Pflicht, "die Fehler, Versäumnisse und Probleme auszuräumen, die dazu beigetragen haben, dass dieser Anschlag nicht verhindert wurde".

Kränze und Blumengebinde schmücken die Außenfront der Gedächtniskirche - direkt am Breitscheidplatz gelegen
Kränze und Blumengebinde schmücken die Außenfront der Gedächtniskirche - direkt am Breitscheidplatz gelegenBild: Tobias Schwarz/AFP

Bei neuen Erkenntnissen zur Tat müsse man weiter ermitteln, betonte der Bundespräsident. Nur so könne das Vertrauen der Menschen in ihren Staat wieder wachsen. Der Anschlag habe die Hinterbliebenen in Schmerz und Trauer gestürzt. Der Riss des 19. Dezember 2016 teile ihr Leben in ein Davor und ein Danach, erklärte Steinmeier. "Er teilt auch das Bewusstsein unserer Gesellschaft in ein Davor und ein Danach." Davon zeuge auch der fünfzehn Meter lange Riss, der vor dem Eingang der Gedächtniskirche an die Opfer erinnert. Der Anschlag "galt unserer Art zu leben: in Frieden, Freiheit und Demokratie". Diese dürfe man sich nicht nehmen lassen.

Vor genau fünf Jahren war der islamistische Terrorist Anis Amri abends in einem gekaperten Lastwagen in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche gerast. Infolge der Tat starben 13 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Attentäter Amri floh damals nach Italien, wo er von der Polizei erschossen wurde.

Faeser und Buschmann sichern Unterstützung zu

Opfer hatten sich vor dem fünften Jahrestag in einem offenen Brief an die Bundesregierung unzufrieden geäußert. Sie forderten einen würdigen Umgang mit den Betroffenen und die umfassende Aufklärung der Tat. Innenministerin Nancy Faeser sagte dies zu. "Soweit noch Fragen offen sind, werden wir Antworten suchen", erklärte die SPD-Politikerin. "Nichts wird unter den Teppich gekehrt. Das sind wir den Opfern und Hinterbliebenen schuldig."

Der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)
Der neue Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP)Bild: Thomas Trutschel/photothek/imago images

Auch Justizminister Marco Buschmann sagte den Opfern mehr Unterstützung zu. "Die Betroffenen können gewiss sein, dass wir für sie da sein werden", versicherte der FDP-Politiker. Er unterstütze den Plan der Ampel-Koalition, den 11. März zum nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt zu erklären.

"Da war kein opfersensibler Umgang zu erkennen"

Die Opfer-Organisation Weißer Ring erinnerte daran, dass die Aufarbeitung noch längst nicht abgeschlossen sei. "Es laufen immer noch mühsame Prozesse, vor allem im Bereich der Opferentschädigung, es gibt etliche Erwerbsunfähigkeiten von Betroffenen", sagte Bundesgeschäftsführerin Bianca Biwer der "Heilbronner Stimme". Teils kämen noch neue Fälle hinzu, weil Menschen nur scheinbar gut zurecht gekommen seien. "Sie haben das Trauma zunächst gar nicht erkannt", sagte Biwer. Die Behörden hätten im Umgang mit den Opfern Fehler gemacht, etwa bei der Zusendung blutgetränkter Gegenstände, aber auch bei Entschädigungsanträgen. "Da war kein opfersensibler Umgang zu erkennen, es gab keine Transparenz", sagte sie.

Der Berliner Opferbeauftragte Roland Weber ergänzte, die Kommunikation staatlicher Stellen sei von Anfang an nicht glücklich gewesen, und die Opfer hätten sich bei Anträgen auf Unterstützung wie Bittsteller gefühlt. "Das führt zu Wut und Frust", sagte der Anwalt im Deutschlandfunk. Gleichwohl gebe es Verbesserungen. "Der Breitscheidplatz, denke ich, kann durchaus als Zäsur im Opferschutz angesehen werden", sagte er.

sti/mak (afp, dpa)