Der Sudan, ein gescheiterter Staat?
16. Juni 2009Die Nachricht schreckte Politiker und Experten bei einer Sudankonferenz im norddeutschen Hermannsburg auf: Bei Kämpfen zwischen verschiedenen Volksgruppen im Süden des Sudans sind in den letzten Wochen mehr Menschen gestorben als in der Krisenregion Darfur. Von hunderten Toten, tausenden Vertriebenen und etlichen zerstörten Dörfern spricht der UN-Sonderbeauftragte Asharf Quazi. Es ist nur die letzte von vielen schlechten Nachrichten aus dem Sudan. Auch der sudanesische Bildungsminister Adwok Nyaba sieht die Lage kritisch: "Vielleicht bricht der Sudan auseinander. Das Land ist auf dem besten Weg zum gescheiterten Staat. Das bedeutet, dass die Regierung nichts mehr durchsetzen kann."
Unfähige Regierung
Dass selbst ein Minister der Regierung kaum noch an die Zukunft seines Staates glaubt, sagt viel über den Zustand der Einheitsregierung aus. Sie wird seit dem Friedensvertrag 2005 von der im Norden regierenden Nationalen Kongresspartei und den früheren Rebellen der Nationalen Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung gebildet. Doch bisher hat die Regierung nicht einmal die Vorgaben des Abkommens vollständig umsetzen können. Im Süden des Sudans sterben noch immer mehr Mütter bei der Geburt ihrer Kinder als anderswo, die Analphabetenrate gehört zu den höchsten weltweit.
Doch die Bilanz der Regierung des autonomen Südsudans fällt auch nicht besser aus. Dirdeen Mohamed Admed von der Nationalen Kongresspartei meint, der Südsudan müsse sich besser um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und dürfe nicht alles der Regierung im Norden überlassen. "Bis jetzt hat der Süden mehr als 6,2 Milliarden Dollar von Norden bekommen, aber der Südsudan hat das Geld nicht für Programme verwendet, die den Armen in der Region zugute kommen würden."
Konflikt kann jederzeit eskalieren
Berichte über Korruption in der südsudanesischen Regierung nehmen immer mehr zu. Die hingegen bestreitet, die gesamten 6,2 Milliarden Dollar aus Khartum überhaupt bekommen zu haben. Fraglich erscheint, ob beide Partner - Nationale Kongresspartei und Nationale Sudanesische Volksbefreiungsbewegung - ihre Auseinandersetzungen begraben und die wichtigsten zwei Bestimmungen des Friedensvertrages umsetzen können: Wahlen für ein sudanesisches Parlament im nächsten Jahr und ein Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudans 2011. Die Wahlen sollten eigentlich schon dieses Jahr stattfinden und wurden vertagt.
Findet das Referendum nicht statt, würde der Konflikt zwischen Nord und Süd erneut eskalieren, warnt Peter Adwok Nyaba. Der Südsudan könnte seine Unabhängigkeit verkünden, woraufhin die Regierung im Norden beschließen könnte, dort einzumarschieren. "Das Ergebnis wäre ein neuer Krieg", fürchtet Nyaba.
Keine Patentlösung
Doch eine Patentlösung hat niemand parat. Auch nicht für den Konflikt in Darfur, der täglich neue Tote und Vertriebene fordert. Experten wie Elshafir Kidi, Politiker und Schriftsteller aus dem Nordsudan, weisen darauf hin, dass alle Konflikte im Sudan eine gemeinsame Wurzel haben: Die ungleiche Verteilung von Ressourcen, die Vernachlässigung vieler Regionen durch die Zentralregierung in Khartoum. Sie sehen nur einen Ausweg. Ein Plan zum völligen Neuaufbau des Staates muss her. "Dies könnte durch eine nationale Friedenskonferenz geschehen, an der alle sudanesischen Gruppen und Parteien teilnehmen.
Diese Konferenz könnte das notwendige nationale Projekt sein, dass die Zukunft des Sudans sicherstellt." Doch noch deutet wenig darauf hin, dass die zersplitterte Opposition, die zahlreichen Rebellengruppen und die Regierung dazu bereit sind. Dem größten Land Afrikas droht neue Gewalt - an deren Ende der Sudan wirklich zum gescheiterten Staat werden könnte.
Autor: Daniel Pelz
Redaktion: Katrin Ogunsade