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Der Thomanerchor: Ein Blick hinter die Kulissen

Rick Fulker/pz27. Juni 2014

Der Leipziger Thomanerchor ist eine strenge Schule für junge Sänger. Seine Konzerte sind prestigeträchtig. Die DW spricht mit einem derzeitigen Chormitglied über seine Erfahrungen in der Gruppe.

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Der weltberühmte Thomanerchor singt in Leipzig während eines Gottesdienstes vor der großen Orgel in der Leipziger Thomaskirche, aufgenommen am 20.11.2011 (Foto: Waltraud Grubitzsch)
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Wie sieht ein typischer Tag für einen Thomaner aus?

Oskar Didt: Er ist von Anfang bis Ende durchorganisiert. Man steht immer um die gleiche Zeit auf. Man frühstückt, geht zur Schule, dann isst man zu Mittag. Nachmittags geht man zu Proben oder zum Musikunterricht - Gesangsstunden etwa, Klavierunterricht oder irgendein anderes Instrument. Die Proben gehen den ganzen Nachmittag, fangen mit dem Sopran an und hören mit dem ganzen Chor auf. Abends hat man dann ein bisschen Zeit für Hausaufgaben. Und dann geht man ins Bett.

Da gibt's keine Zeit für Computerspiele, zum Fernsehen, Schwimmen oder für Fußball?

Na klar! Nachmittags. Die Proben dauern ja nicht ewig, nur etwa eine Stunde oder anderthalb. Und dann hat man ein bisschen Zeit für sich selbst. Wenn man will kann man dann solche Sachen machen. Es gibt Wochenenden und Ferien. Man hat genug Zeit. Und man lernt hier, sich seine Zeit gut einzuteilen.

Oskar Didt, Mitglied des Thomanerchors, spricht in ein blaues DW-Richtmikrofon am 15. Juni 2014 in Leipzig (Foto: Adelheid Feilcke/DW)
Oskar DidtBild: DW/A. Feilcke

Im Chor gibt es ein starkes Gemeinschaftsgefühl, aber da muss es doch auch Konkurrenzkämpfe geben.

Natürlich. Da leben ja hundert Jungen zusammen und verbringen mehr oder weniger den ganzen Tag miteinander. Klar gibt es da Rivalitäten, aber die werden auch schnell beigelegt. Das sind ja keine geheimen Kriege, die sich über Jahre hinziehen. Unter Jungs ist das viel einfacher als mit Mädchen. Deren Zickenkriege dauern an, bei uns legt sich das dagegen schnell. Und da nehmen sich die Älteren auch der Jüngeren an. Die helfen ihnen, sind viel näher dran als die Lehrer.

Der Thomanerchor singt viel Bach, viel alte und moderne Musik. Was sind Deine Favoriten?

Mein Favorit ist Bach. Ich kann schwer sagen warum, aber wir singen regelmäßig Bachs große Werke – die Matthäus-Passion, die Johannes-Passion, die h-Moll-Messe und sowas. Darin bekommt man Routine, weiß was besonders viel Spaß macht und kann das dann versuchen, noch besser zu machen.

Das Bild zeigt den singenden Thomanerchor in dunkler Konzertkleidung im Mittschiff der Leipziger Thomaskirche aus Perspektive des derzeitigen Thomanerkantors Georg Christoph Biller, im Bild vorne rechts. (Foto: dpa – Bildfunk)
Der heutige Leiter des Thomanerchors ist Georg Christoph Biller (v.r.)Bild: picture-alliance/dpa

Ich mag auch manche moderne Musik. Aber moderne Musik zu erlernen ist fast immer schwieriger als Bach. Bei Bach gibt es ähnliche Strukturen, die man schnell erkennt, und Dinge aus anderen Werken. Bei Bach kann man sein Wissen und seine Erfahrung anwenden.

Singst Du solistisch, würdest Du das gerne? Strebst Du das an?

Wir müssen in der Schule auch solistisch singen, einmal in jedem Semester müssen wir für ein Examen vorsingen. Gesangslehrer unterrichten uns einmal in der Woche im Internat. Da werden wir auch solistisch ausgebildet. Aber das ist nur so nebenher. Unser Hauptziel ist natürlich, im Chor zu singen.

Strebst Du eine Musikerkarriere an?

Nein, gar nicht. Um als Musiker erfolgreich zu sein, muss man der Beste sein. Und man muss einer der Besten sein, um überhaupt davon leben zu können. Das ist wirklich schwer. Ich mache das im Thomanerchor jetzt glaube ich neun Jahre - jetzt ist es Zeit, weiterzugehen. Musik bleibt mein Hobby. Nach all dem, was ich mit dem Chor gemacht habe, kann ich das ja gar nicht verlieren.

Wenn Du zurückschaust auf diese neun Jahre, was hat Dir diese Welt gegeben?

So ziemlich alles, was ich in die Zukunft mitnehme. Ich schätze, Disziplin macht einen ziemlich großen Teil aus. Man lernt, Regeln zu befolgen. Ich nehme die Musik mit und kann aus dieser Erfahrung immer schöpfen. Es ist dieses ganze Zusammenleben, dieses Teamgefühl was man hier hat. Ich finde, das ist etwas Großartiges, auf das man aufbauen kann.

Oskar Didt ist derzeit Mitglied im Thomanerchor. Das Leipziger Knabenensemble ist berühmt für seine jahrhundertealte Tradition und sein musikalisches Niveau. Zudem wird der Chor eng mit Johann Sebastian Bach verbunden. Der Komponist leitete diesen Chor fast 30 Jahre.