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Der Tomatenfisch

Thomas Gith27. Juni 2013

Tomaten und Buntbarsche lassen sich gemeinsam züchten. Sie mögen die gleiche Umgebung, liefern sich gegenseitig Nährstoffe und gedeihen dabei prächtig. Und das extrem wassersparend und umweltfreundlich.

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Buntbarsche (Foto: FONA)
Der TomatenfischBild: FONA

Die Buntbarsche sind mal wieder hungrig, sehr hungrig - und entgehen lassen sie sich ihre Mahlzeit nicht. Als Biologe Hendrik Monsees Trockenfutter in den Fischtank wirft, schwimmen sie sofort an die Oberfläche und schnappen zu. Im Wasser entsteht ein Kampf ums Futter. Wasser spritzt aus den brusthohen Fischtanks und Hendrik Monsees geht in Deckung. "Wenn die Buntbarsche Hunger haben, dann spritzt das Wasser immer ganz doll", erzählt der Biologe mit einem Lachen.

Hier am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin werden einige hundert Buntbarsche in rund einem Dutzend Fischtanks gehalten. Untergebracht sind sie in einem gläsernen Gewächshaus, in dem auch zahlreiche Tomatenpflanzen in die Höhe wachsen. Eine Klimaanlage hält die Temperatur im Gewächshaus bei konstanten 27 Grad Celsius, denn Tomaten und Tilapien, wie die afrikanischen Buntbarsche auch genannt werden, wachsen bei diesen Bedingungen am besten.

Lebensmittelproduktion in hochtechnisierter Umgebung

Mit einer romantischen Lebensmittelproduktion haben die Bedingungen im Gewächshaus allerdings nicht viel tun. Tomaten und Fische gedeihen vielmehr in einer hochtechnisierten Anlage, die sicherstellen soll, dass die Erträge optimiert werden. Natürlich werden die Tiere dabei artgerecht gehalten, sagt der Erfinder der Anlage, Werner Kloas. In jeden Tank kommen daher nicht mehr Fische, als ein natürlicher Schwarm verträgt.

Gewächshaus, in dem Tomaten und Buntbarsche gehalten werden (Foto: Thomas Gith/DW)
In den schwarzen Tanks schwimmen die Fische, das Abwasser ernährt die TomatenBild: DW/Thomas Gith

Und auch die Tomatenpflanzen wachsen in einer künstlich optimierten Umgebung heran. Statt in Erde wurzeln sie in Mineralwolle, die in schwarzen Plastikrinnen untergebracht ist. "Hydroponik heißt diese erdlose Anzucht von Pflanzen", erklärt Hendrik Monsees und geht dabei zwischen den Stauden umher. Er streicht ein paar Blätter zu Seite und zeigt auf die noch kleinen Tomaten. Die gemeinsame Produktion von Buntbarschen und Gemüse gelingt bereits, die Forscher konnten das in ihrem Gewächshaus schon mehrfach nachweisen.

Fischwasser lässt Tomaten sprießen

Neu ist diese Art des Anbaus allerdings nicht: Weltweit wird in Gewächshäusern Gemüse gezüchtet. Und auch, dass Fische in Aquakultur gehalten werden, ist seit langem weit verbreitet. Neu ist allerdings, dass das verbrauchte Wasser aus den Fischbecken für die Tomatenzucht genutzt wird.

Sowohl die Aquakultur als auch die Hydroponik bestehen als separate Kreisläufe", erläutert Werner Kloas. Der Clou dabei sei, dass das Wasser aus den Fischtanks über ein Einwegventil zu den Pflanzen geleitet wird. "Wenn die Pflanzen Wasser und Nährstoffe verbrauchen, wird es vom Fischkreislauf nachgeliefert."

Wasserreinigung in zwei Stufen

Tomaten (Foto: DW)
Wachsen dank des Fischwassers üppig, schmecken aber glücklicherweise nicht danach!Bild: DW/L. Schadomsky

Die Forscher nutzen dabei die Tatsache, dass die Fische Ammonium ins Wasser ausscheiden. Für die Barsche ist das Ammonium giftig, das Wasser muss daher entsorgt werden. Doch für die Pflanzen ist dieses Fischwasser der ideale Dünger: Zumindest dann, wenn mit einem Sieb der Fischkot aus dem Wasser gefiltert und das Ammonium chemisch umgewandelt wird.

Im Gewächshaus geschieht das bereits ganz automatisch: Das verbrauchte Wasser aus den Fischtanks läuft über weiße Plastikrinnen ab. In einer ersten Stufe wird zunächst der Kot mit einem Sieb herausgefiltert und das so grob gereinigte Wasser anschließend in einen Biofilter weitergeleitet, der in der zweiten Stufe zum Einsatz kommt: Es ist ein riesiger schwarzer Tank mit einem kleinen Bullauge an der Seite.

Biofilter macht aus Ammonium Pflanzendünger

Werner Kloas schaut durch eines der Bullaugen und zeigt auf kleine Plastikteilchen, die zuhauf im Wasser umher schwimmen. Sie sind in etwa so groß wie eine Daumenkuppe und mit zahlreichen Löchern übersät, die ihre Oberfläche enorm vergrößern. Auf dieser ausgedehnten Oberfläche siedelt sich ein Biofilm aus Bakterien an. "Das sind Bakterien, die ganz normal in der Luft vorkommen, sogenannte Nitrosomonas und Nitrobacter", erläutert Werner Kloas. "Die eine Sorte macht aus dem Ammonium Nitrit und die andere macht aus dem Nitrit schließlich Nitrat." Und Nitrat ist ein wesentlicher und wertvoller Bestandteil von Pflanzendünger.

Das so aufbereitete Fischwasser wird durch Rohre zu den Kästen mit den Tomatenpflanzen geleitet. Die entziehen dem Wasser das Nitrat und dunsten den Rest über ihre Blätter als Wasserdampf aus. Mehrere Kühlfallen unter dem Dach des Gewächshauses sorgen dafür, dass der Wasserdampf kondensiert und in flüssiger Form zurück in die Fischtanks geleitet wird. Der Wasserkreislauf in der Tomatenfisch-Anlage ist damit geschlossen. Anders als bei konventioneller Fisch- und Gemüseproduktion muss daher nicht ständig neues Wasser zugeführt werden.

Enorme Wassereinsparung

"Bei solch einem geschlossenen Kreislaufsystem brauchen wir nur etwa zehn Prozent Frischwasser am Tag", sagt Werner Kloas. "Wir können also extrem viel Wasser sparen und die Anlage dadurch nachhaltig bewirtschaften." Für wasserarme Regionen - zum Beispiel auch in Afrika - könnte die Anlage daher eine durchaus sinnvolle und ertragreiche Art sein, Lebensmittel zu produzieren.

Aquaponik: Gewächshaus für Tomaten und Fische

Der Energiebedarf für so eine Anlage ist allerdings enorm. Nachhaltig bewirtschaften lässt sie sich nur, wenn keine Primärenergie - etwa in Form von Öl oder Gas - genutzt wird, um die Anlage zu heizen. In den gemäßigten Breitengraden könne man stattdessen Abwärme der Industrie nutzen.

Gemüse ohne Fischgeschmack

In tropischen Ländern Asiens, Afrikas oder Südamerikas könnte man darauf sogar ganz verzichten. Werner Kloas ist sicher, dass hier einfache Solaranlagen ausreichen würden, um die Energie ganzjährig bereitzustellen. In so einem nachhaltig beheizten Gewächshaus könnten neben Tomaten auch andere Gemüsesorten wachsen.

Experimentiert wird bereits in Berlin mit anderem Gemüse. Biologe Hendrik Monsees geht durch die Pflanzung, pflückt eine reife Gurke und bietet sie zum Verzehr an. Der Geschmackstest fällt dabei erstaunlich gut aus: Denn die Gurke schmeckt nicht schlechter als anderes Gemüse aus dem Gewächshaus und einen Fischgeschmack hat sie glücklicherweise nicht.