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Der Traum vom Kunstherz

18. Dezember 2023

Vor zehn Jahren wurde am Pariser Hôpital Georges-Pompidou erstmalig ein künstliches Herz eingesetzt, das deutlich besser war als die Exemplare davor. Die große Revolution ist jedoch ausgeblieben. Warum?

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Kunstherz der Firma Carmat
Als vor 10 Jahren das erste Kunstherz der Firma Carmat implantiert wurde, war das eine Sensation.Bild: Carmat/dpa/picture alliance

Das Herz ist im Prinzip ein ziemlich einfaches Organ. Vier Kammern, ein paar Klappen und Schläuche, geschickte Verkabelung. Fertig ist die Pumpe. 

Bloß: Wenn unsere Pumpe nicht mehr tut, wie sie soll, sieht es düster aus. Bei Menschen mit schwerer Herzinsuffizienz ist die Pumpe so schwach, dass sie es nicht mehr schafft, das Blut effektiv durch den Körper zu bewegen. Betroffene sind selbst im Ruhezustand extrem kurzatmig. Ihre Organe werden nicht mehr optimal mit Blut – und dadurch mit Sauerstoff und Nährstoffen – versorgt. Der einzige Ausweg ist oft ein neues Herz. 

Spenderherzen sind jedoch Mangelware. In Deutschland liegt das nicht zuletzt daran, dass der Organspende aktiv zugestimmt werden muss. Solange es nicht ausreichend Spenderherzen gibt, müssen Alternativen her.  

Das Neue und Tolle: Die Anpassungsfähigkeit 

Seit mehr als 60 Jahren tüfteln Kardiologen und Herzchirurgen am Traum vom künstlichen Herz. Für schwerkranke Herzen, die nicht vollständig beschädigt sind, gibt es inzwischen Systeme, die Teile des Herzens unterstützen können. Für Patienten, bei denen beide Herzkammern stark beschädigt sind, ist das aber nicht genug: Sie brauchen einen Komplettersatz.

Auch an solchen Modellen wird seit Jahrzehnten geforscht. 1982 wurde in den USA das erste dauerhafte und komplette Herzimplantat eingesetzt. Meist aber sind diese Herzen rudimentär. Und: Sie sind nicht auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt. 

Als daher vor zehn Jahren das erste Kunstherz in Paris implantiert wurde, das sich tatsächlich an die Bedürfnisse eines Patienten anpasst, war das eine Sensation.  

Der Kopf der Sensation, der französische Herzchirurg Alain Carpentier, hatte sich zuvor mit Herzklappen einen Namen gemacht. Dabei hatte er auf biologische Oberflächen statt auf die gewohnten künstlichen Materialien gesetzt. Biologische Oberflächen haben den großen Vorteil, dass Patienten nicht mehr lebenslang blutgerinnungshemmende Medikamente einnehmen müssen. Denn diese Medikamente bergen ein hohes Risiko für schwere Blutungen. 

Portrait des französischen Herzchirurgen Alain Carpentier
Der französische Herzchirurg Alain Carpentier ist der Kopf hinter dem Kunstherzen Bild: Christian Liewig/abaca/picture alliance

Carpentier weitete das Material auf das gesamte Herz aus. Und drehte darüber hinaus an vielen weiteren Stellschrauben, insbesondere ausgeklügelten Sensoren. So wurde ein Kunstherz geschaffen, das sich der körperlichen Aktivität seines Trägers anpassen kann. Denn wer nicht nur liegen will, sondern auch sitzt, geht, läuft und tanzt, der braucht ein Herz, das dies alles mitmacht. 

In den letzten Jahren rund 50 solcher Kunstherzen implantiert 

Der erste Empfänger des sogenannten Carmat-Herzen war ein 76-jähriger, schwer herzkranker Mann. Er lebte 74 Tage lang mit der neuen Pumpe. In den vergangenen Jahren habe man an vielen weiteren Stellschrauben gedreht, dem Oberflächenmaterial, der Software, den Pumpen, erzählt Stéphane Piat, Chef des Unternehmens Carmat. Rund 50 weitere Exemplare seien inzwischen eingesetzt worden. Bei 14 Patienten war das die Überbrückung bis zum Spenderherz. Aktuell schlage das Kunstherz noch in rund 15 Menschen. Der Rest ist inzwischen verstorben. 

Carmat-Herz hat einige Probleme 

Manchmal können Hoffnungsträger recht banale Probleme haben. Das Carmat-Herz zum Beispiel ist schlicht sehr groß. Damit ist es nicht für jeden Brustkorb geeignet. Besonders für Frauen kommt es oft nicht in Frage. 

Wie funktioniert ein Kunstherz?

Außerdem ist das Herz sehr komplex: Es besteht aus rund 250 Komponenten. "Jede einzelne kann kaputt gehen", erklärt Evgenij Potapov, Leiter des Programms für mechanische Kreislaufunterstützung am Deutschen Herzzentrum der Charité. Damit ist es deutlich anfälliger als einfachere Kunstherzen. Wie immer im Leben müsse man für Vorteile teuer bezahlen. Auch der Preis mit knapp 200.000 Euro pro Herz ist nicht gerade klein. 

Nach sechs Monaten sei laut Firmenangaben etwa die Hälfte der transplantierten Patienten nicht mehr am Leben, sagt Evgenij Potapov. Eine ziemlich hohe Zahl. Natürlich liegt das nicht bloß am Carmat-Herz. Die Patienten, die ein solches Herz erhalten, sind in der Regel eben schwer krank. 

Und schließlich gibt es zwar mehr Menschen auf der Warteliste als Spenderherzen zu Verfügung stehen. Für nicht ganz so gravierende Herzprobleme können aber bereits einfachere Unterstützungssysteme einige Jahre lang Abhilfe schaffen  während die Suche nach einem Spenderorgan läuft.  

Bislang noch nicht die Dauerlösung  

Ob man mit dem Carmat-Herzen auch langfristig leben könne? Das sei die Millionen-Deutschmark-Dollar-Frage, sagt Piat. Für zehn Jahre Forschung mit rund 200 Beschäftigten klingt das nicht wirklich nach dem großen Durchbruch.  

Stéphane Piat kündigt trotzdem an, dass die Firma im kommenden Jahr die Stoßrichtung Richtung Langzeit-Therapie einläuten werde. Bislang ist das Carmat-Herz nur als Zwischenlösung auf dem europäischen Markt zugelassen. "Wenn das Ding nur die Hälfte der Größe hätte und keine technischen Probleme, dann wäre ich sofort dabei", sagt Evgenij Potapov. Ende 2021 jedoch hat das Unternehmen sein Produkt ein Jahr lang vom Markt genommen, da die Qualitätsprobleme zu groß waren.  

Derweil wird mit der Transplantation von genetisch veränderten Schweinherzen oder mit der Rekonstruktion von Herzgewebe mittels Tissue Engineering experimentiert. Die nächsten Jahre werden zeigen, welche Technologie zum nächsten Jubiläum die Nase vorn hat. Und ob eine Bereitschaft zur Organspende das Problem zumindest ein bisschen kleiner gemacht hat.