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Der unsichtbare Müll

25. Dezember 2020

"Zero waste" ist in. Aber beim ökologischen Fußabdruck durch Konsum geht es um weit mehr als den Hausmüll. Die größte Umweltbelastung fällt bei der Produktherstellung an. Negativ-Spitzenreiter: Smartphones und Laptops.

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Zahlreiche Platinen in verschiedenen Farben liegen auf einem Stapel
Die Menge an Elektroschrott ist enorm - er verursacht weltweit den meisten MüllBild: Hauke-Christian Dittrich/Hauke-Christian Dittrich/picture alliance

Wenn von Abfall die Rede ist, denken viele Menschen an die Plastikfolie, aus dem sie den Brokkoli nach dem Einkauf befreien, oder an den Pappkarton, in dem der neue Laptop geliefert wird - vielleicht noch an den Laptop selbst, wenn er nicht mehr zu gebrauchen ist. Jedes Jahr produziert die Welt etwa zwei Milliarden Tonnen solchen Mülls. Aber das ist lediglich der Müll, den man sieht. Wer nach dem Motto "zero waste" leben will, sollte über den eigenen Mülleimer-Rand blicken.

"Der Abfall, mit dem der Verbraucher selbst etwas zu tun hat, ist ein winziger Prozentsatz des Gesamtmülls - nur etwa zwei bis drei Prozent", sagt Josh Lepawsky, Autor eines Buches über die globalen Auswirkungen der Herstellung digitaler Technologie.  

Der Großteil unseres weltweiten Abfalls steckt in den nur schwer nachvollziehbaren Prozessen der Produktion der Dinge, die wir kaufen - in der Rohstoffgewinnung, im Herstellungsprozess und der dafür benötigten Energie sowie im Transport.

Gelbe Tonnen für Verpackungsmüll quillen über
Unser Konsum produziert Unmengen an Müll und der Hausmüll ist nur die Spitze des MüllbergsBild: Imago Images/photothek/F. Gaertner

Dies gilt insbesondere für alles, was mit Elektronik zu tun hat. Hier wächst der weltweite Müllberg am schnellsten, hier entsteht der meiste unsichtbare Müll. "Der größte Teil der Umweltbelastung und Müllproduktion bei elektronischen Geräten entsteht lange bevor die Verbraucher das Endgerät in den Händen halten", sagt Lepawsky, der auch Professor für Geographie an der Memorial University of Newfoundland in Kanada ist.

Die Herstellung von Elektronik ist in hohem Maße mit gefährlichen Chemikalien, Treibhausgasen und Wassernutzung verbunden. Das meiste davon ist für den Durchschnittsverbraucher völlig unsichtbar und schwer zu erfassen. Elektronik besteht aus zahlreichen Komponenten, die meist an den verschiedensten Orten der Welt beschafft und hergestellt werden, bevor sie an einem ganz anderen Standort dann zusammengesetzt werden.   

Elektrogeräte verbrauchen Edelmetalle  

Ein typisches Smartphone zum Beispiel kann aus bis zu 62 verschiedenen Metallen bestehen. Zu den unzähligen winzigen Bestandteilen eines "iPhones" von Apple gehören Gold, Silber und Palladium.

Ein auseinander genommenes, nachhaltige Smartphone liegt auf einem Tisch
In einem Smartphone sind gleich mehrere Edelmetalle verbaut Bild: DW

Eine Studie des schwedischen Abfallwirtschafts- und Recyclingverbands Avfall Sverige bezifferte den unsichtbaren Abfall, der bei einem typischen Smartphone und einem drei Kilogramm schweren Laptop entsteht, auf etwa 86 bzw. 1200 Kilogramm.   

"Diese [Zahl] beinhaltet Steine, Kies, Rückstände und Schlacke", so Anna Carin Gripwall, Co-Autorin der Studie. "Hinzu kommen der Verbrauch von Brennstoff und Elektrizität - aber das ist geringfügig im Vergleich zu den Bergbauabfällen." Laptops und Smartphones überwiegen bei weitem alle andere Produkte in dieser Studie, wie etwa Rindfleisch, das pro Kilogramm vier, oder eine Baumwollhose, die 25 Kilogramm Müll erzeugt.   

Ein schmutziges Geschäft 

Die Edelmetalle für unsere Smartphones, die vor allem in Asien, Afrika und Australien vorkommen, müssen zunächst abgebaut werden. Durch das Abtragen, Bohren und Sprengen sowie den Transport und die Verarbeitung beim Abbau der Edelmetallen kann Staub freigesetzt werden, der schädliche Metalle und Chemikalien enthält und in die Luft sowie umliegende Wasserquellen gelangt.   

Goldmine in Kamituga in der Demokratischen Republik Kongo
Wie hier, in der Demokratischen Republik Kongo, wird in vielen Ländern Afrikas mit einfachsten Mitteln Gold abgebaut - bei Grubenunglücken sterben immer wieder MenschenBild: Reuters/D. Al Katanty

"Nachdem das Metall-Erz ausgegraben ist, muss man das angereicherte Material herauslösen", sagt Fu Zhao, Professor für Maschinenbau an der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana. "Dieser Prozess ist schwierig und erfordert Chemikalien sowie hohe Temperaturen." Besonders problematisch sei es, wenn dies in großem Maße geschehe, fügte er hinzu. Ohne die richtige Aufsicht können diese giftigen Bestandteile das Grundwasser verseuchen, in Täler und Flüsse sickern, Böden, Pflanzen und Tieren schaden und die Gesundheit von Menschen gefährden.  

Das bedeute nicht, dass der Abbau dieser Edelmetalle notwendigerweise schlecht für die Umwelt sein muss, sagt Saleem Ali, Professor für Energie und Umwelt an der Universität von Delaware in den USA. "Die Herausforderung besteht darin, den Abbau so zu gestalten, dass die Umwelt nicht geschädigt wird", sagt er.

Bergungsteams suchen nach Überlebenden unter dem Schlamm, ein Hubschrauber wartet in der Luft
In der Nähe der brasilianischen Stadt Brumadinho brach 2019 ein Damm der Eisenerzmine und begrub Teile der Stadt unter giftigem Schlamm, mehr als 250 Menschen starbenBild: Getty Images/M. Pimentel
Luftaufnahme eines Abwasser-Sees eines Bergbaumine in Chile
Verwandelte Landschaft: In diesen riesigen Auffang-See spült die Minera Valle Central Mining Company in Rancagua in Chile das Abwasser aus dem Kupfer-BergwerkBild: Getty Images/AFP/M. Bernetti

"Man muss verhindern, dass giftige Lösungsmittel in die Grundwasserversorgung gelangen und man muss den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, Schutzausrüstung geben, damit sie keine flüchtigen organischen Stoffe einatmen." Dafür seien aber Investitionen nötig, argumentiert er. Wichtig für die Umsetzung von echtem "green mining" (grünen Bergbaus) sei der vermehrte Einsatz von erneuerbaren Energiequellen, so Ali.  

Von den USA nach China, Hongkong und zurück  

Auch bei der Montage von Elektrogeräten fallen große Abfallmengen an - und viele davon sind giftig. Von den Gasen, die bei der Herstellung elektronischer Komponenten verwendet werden, zum Beispiel fluorierte Treibhausgase, die für Bildschirme verwendet werden, "sind viele deutlich schädlicher als Kohlendioxid", sagt Lepawsky.  

Die meiste Elektronik wird heute in China, Hongkong, den USA und Ländern in Südostasien hergestellt. Unsichtbaren Abfall zu erfassen ist auch deshalb so schwer, weil viele moderne Produkte, insbesondere Elektronik, lange und komplizierte Lieferketten haben.    

Infografik Global e-waste generated in 2019 DE

Zwar hat etwa das US-Unternehmen Apple eine Liste seiner 200 wichtigsten Zulieferer veröffentlicht, die in 27 verschiedenen Ländern ansässig sind. Doch der Großteil der Zulieferbetriebe befindet sich an Orten, an denen es keine öffentlich zugänglichen Erfassungsregister gibt, in denen die Freisetzung von giftigen Schadstoffen verfolgt wird. 

Die Grenzen des Elektronik-Recyclings

Weltweit werden derzeit nur 17,4 Prozent aller nicht mehr gebrauchten elektronischen Geräte gesammelt und recycelt. Doch selbst wenn diese Geräte zu 100 Prozent erfolgreich recycelt würden, würde dies nichts an der Verschmutzung und dem Abfall aus ihrer Herstellung ändern und insbesondere bei den Bergbauabfällen nur einen geringen Unterschied machen, erläutert Lepawsky.

Die geringe Zahl des weltweiten Elektromüll-Recyclings lenkt den Fokus auf ein Hauptproblem unserer Konsumgüter. "Wenn man sich Elektronik-Produkte ansieht, wird klar, dass sie nicht für die Wiederverwendung oder die Wiederaufbereitung ausgelegt sind", so Zhao.  

Ein Mann schraubt an einem zerlegten Handy
Selbst wenn sich ein Mobiltelefon zerlegen lässt, kann es für das nächste Update schon zu alt seinBild: Franziska Gabbert/dpa/picture alliance

Apple hat sich verpflichtet, bis 2030 zu 100 Prozent CO2-neutral zu werden und reagierte vor kurzem auf die wachsende Besorgnis über Elektroschrott mit dem Entschluss, nicht mehr jedem verkauften Mobiltelefon Kopfhörer und Ladegeräte beizulegen. Außerdem versprach der US-Konzern, in der Produktion verstärkt recycelte Materialien zu verwenden. 

Maschinenbau-Professor Zhao gibt aber noch etwas Weiteres zu bedenken: "Ein Smartphone kann schon nach ein paar Jahren veraltet sein. Das macht eine Wiederverwendung und Wiederaufbereitung fast unmöglich." Die Tech-Unternehmen müssten Geld verdienen, und das bedeute negative Konsequenzen für die Umwelt.