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Folgen des Dohnenkrieges

Kimball Spencer 8. Juni 2012

Die US-Regierung versucht Al Kaida durch eine Ausweitung des Drohnenprogramms in Pakistan und im Jemen auszuschalten. Doch der Tod von Zivilisten könnte die politische Instabilität dort weiter verstärken.

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Eine US-Drohne (Foto: AP)
Bild: AP

Die USA haben ihr umstrittenes Drohnenprogramm im Süden des Jemens und an der afghanisch-pakistanischen Grenze im letzten Monat ausgeweitet. Laut Medienberichten waren es zuletzt 14 Angriffe, bei denen mindestens 70 mutmaßliche militante Islamisten getötet wurden. Die Luftangriffe sollen das Wahlkampfversprechen von Präsident Barack Obama erfüllen, den Krieg gegen Al Kaida zu verstärken und gleichzeitig die für Amerika politisch und wirtschaftlich kostspieligen Kampagnen im Nahen Osten und Südasien zurückzuschrauben: Obwohl die US-Truppen im Dezember 2011 aus dem Irak abgezogen wurden und bis 2014 offiziell auch Afghanistan verlassen sollen, wurde der ferngesteuerte Drohnenkrieg seit Obamas Amtsantritt im Januar 2009 verstärkt geführt.

Obamas wichtigster Anti-Terror-Berater John Brennan äußerte sich am 30. April in einer Rede am Woodrow Wilson Center for International Scholars erstmalig ausführlich zu dem verstärkten Drohnenprogramm und nannte derartige Angriffe "moralisch vertretbar", "legal" und "gerecht". Als Grundlage für das Programm führte Brennan das im Völkerrecht verankerte Recht auf Selbstverteidigung und das vom Kongress verabschiedete Ermächtigungsgesetz an, das die Grundechte mutmaßlicher Anhänger von Terrororganisationen wie Al Kaida oder den Taliban stark einschränkt.

"Es gibt kaum eine Methode, die sich besser eignet, das Risiko für Zivilisten zurückzufahren, als ferngesteuerte Luftangriffe", sagte Brennan in seiner Rede. "Unsere Entscheidungen über die Art und Weise, wie wir  Al-Kaida-Terroristen verfolgen, sind besonders sorgfältig durchdacht. Wir arbeiten mit äußerster Präzision, um zu verhindern, dass unschuldige Menschenleben geopfert werden."

John Brennan (Foto: AP)
Anti-Terror-Berater John BrennanBild: AP

"Schuld durch Mittäterschaft"

Ein Bericht der New York Times vom 29. Mai enthüllte jedoch, dass die offiziellen Opferzahlen die harte Realität möglicherweise schönfärben: Obamas umstrittene Methode, Tote in der Zivilbevölkerung zu zählen, könnte die wahren Zahlen verfälschen. Für die Statistik werden alle Männer im wehrfähigen Alter am Zielort als militante Islamisten betrachtet, außer es gebe Beweise für ihre Unschuld. So zitiert die New York Times einen ehemaligen leitenden Geheimdienstmitarbeiter, dessen Name nicht genannt wird. Er bezeichnet dies als "Schuld durch Mittäterschaft".

"Bei diesem Programm geht man davon aus, dass jeder erwachsene Mann, der von einer Drohne getroffen wird und pakistanischer, somalischer, jemenitischer oder sonst einer arabischen Herkunft ist, de facto schuldig für etwas sein muss", sagt der Anti-Terrorismus-Experte Tom Parker der Menschenrechtsorganisation Amnesty International USA im Interview mit der DW. Das Programm unterscheide nicht ausreichend zwischen "unschuldigen Zivilisten und Personen, von denen die Regierung glaubt, in militante Aktivitäten verwickelt zu sein".

Ferngesteuerter Krieg in Pakistan

Washington konnte Pakistan nicht davon überzeugen, eine Bodenoffensive gegen militante Islamisten in den unter Verwaltung stehenden Stammesgebieten zu starten. Deshalb verstärkten die USA ihr Programm im teilautonomen Nord- und Südwaziristan. Die Begründung: Die Angriffe sollen vor Anschlägen gegen Streitkräfte der Koalition im benachbarten Afghanistan schützen.

Die überparteiliche New America Foundation in Washington schätzt, dass insgesamt 1189 Menschen in Pakistan zwischen 2004 und 2012 durch Drohnenangriffe getötet wurden, davon rund 80 Prozent in der Amtszeit Obamas. Ungefähr 293 der Toten waren Zivilisten. Dem Long War Journal zufolge wurden ca. 2300 militante Islamisten und 138 Zivilisten seit 2006 durch Drohnenangriffe in Pakistan getötet.

Ein pakistanischer Parlamentsausschuss forderte vergangenen März ein Ende des US-Drohnenprogramms, da die Angriffe Pakistans Souveränität untergraben und zu unnötigen zivilen Opfern führen würden. Er warnte vor einem entstehenden Anti-Amerikanismus im Land. Washington hingegen argumentiert, dass in Amerika ein Recht auf Selbstverteidigung besteht, welches das Programm rechtfertigt, besonders nach den Anschlägen vom 11. September. "Wir wurden am 11. September angegriffen, und wir kennen die Schuldigen. Wir wissen, dass Al Kaida dahinter steckt", sagte der US-Verteidigungsminister Leon Panetta. "Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht, unser Land zu schützen und sicher zu stellen, dass so ein Anschlag kein zweites Mal vorkommt."

Barack Obama und Pakistans Premierminister Yusuf Raza Gilani geben sich die Hand (Foto: Reuters)
Barack Obama und Pakistans Premierminister Yusuf Raza GilaniBild: Reuters

Wachsende Front im Jemen

Im Jemen ist die US-Regierung nach Süden vorgerückt. So sollen die Zugewinne von Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) eingedämmt werden, die im Zuge eines Volksaufstandes verzeichnet werden konnten, der zur Amtsenthebung des langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh führte. Ali Abdullah Saleh war ein Verbündeter der USA im Krieg gegen Al Kaida. AQAP wird von der Regierung Obama als die aktivste Al-Kaida-Filiale betrachtet. Sie nutzte die politischen Unruhen aus, um Städte im Süden des Jemens zu erobern. Berichten des Long War Journals zufolge wurden dort 242 militante Islamisten und 56 Zivilisten seit Jahr 2002 durch US-Drohnenangriffe getötet. Seit 2009 verdoppelten sich die Anschläge jährlich und stiegen bis 2012 auf 22.

"Die Regierung spielt hier mit dem Feuer", sagt John Bellinger, Rechtsberater des Nationalen Sicherheitsrates sowie unter der Regierung Bush, der DW. "Sie verfügen über eine effiziente Anti-Terror-Strategie, die sich in der Regierung immer größerer Beliebtheit erfreut. Terroristen können getötet werden, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt, es entsteht kein Inhaftierungsproblem." Die Strategie stelle kein Risiko für US-Soldaten dar. Doch gleichzeitig stellt er die wachsende internationale Kritik fest. "Die könnte zu einem Umdenken der Regierung gegen das Drohnenprogramm führen." 

Internationale Rechtsunterschiede 

Die USA sehen sich selbst in mehreren Ländern rechtlich in einem bewaffneten Konflikt mit dem Terrornetzwerk Al Kaida beteiligt.  Washington hält diese Position für notwendig, sagt Bellinger, der derzeit bei dem internationalen Rechtsunternehmen Arnold & Porter LLP tätig ist. Terroristische Führer aus Ländern wie dem Jemen oder Pakistan in die USA auszuliefern, solle man gar nicht erst versuchen. "Europäer, Menschenrechtsorganisationen und der Großteil der restlichen Welt hatten erwartet, dass die Regierung Obama diese Bush-Vorgehensweisen einfach ablegen, diesen ganzen Krieg beenden und zu einer Strafjustiz zurückkehren würde", so Bellinger. Die Überraschung und Enttäuschung darüber, dass dies unter Obama nicht geschehen ist, sei groß.

Anwar al-Awlaki (Foto: AP)
Das jüngste Opfer des Drohnenkrieges: Al-Kaida-Mann Anwar al-AwlakiBild: dapd

Für Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International ist die traditionelle Polizei- und Geheimdienstarbeit der legale und effektivere Weg, um mutmaßlichen Terroristen nachzugehen. "Die USA wollen uns weismachen, sie befänden sich in einem internationalen, bewaffneten Konflikt mit einem nichtstaatlichen Akteur. Solch eine Behauptung hat bisher noch kein Land aufgestellt, sie umstritten zu nennen, wäre untertrieben", sagte Parker.

"Osama bin Laden hätte den USA genauso wenig wie ich den Krieg erklären können", fährt er fort. "Er ist nur eine Person. Kriege werden zwischen Ländern geführt. Das ist die rechtliche Grundlage und das war sie, seit es das Völkerrecht gibt."

Die Kosten-Nutzen Analyse

Neben der rechtlichen droht den USA eine Kosten-Nutzen-Debatte: Die Rückschläge durch tote Zivilisten und politische Unruhen werden dem den der Al-Kaida-Führung zugefügten Schaden gegenübergestellt. "Durch die Anschläge konnte die äußerst gefährliche Al-Kaida-Führung effektiv bekämpft werden. Tatsächlich waren seitens Al Kaida bereits weitere Anschläge auf die USA und ihre Verbündeten in Planung", sagt der ehemalige Regierungsberater Bellinger. "Aber wir werden einen Punkt erreichen, an dem der Nutzen rückläufig ist und der Stellenwert der ins Ziel genommenen und getöteten Personen nicht mehr so hoch sein wird."

Obwohl das Drohnenprogramm durch den Tod von hochrangigen Al-Kaida-Mitgliedern gewisse taktische Erfolge verzeichnen konnte, argumentiert Amnesty-Mitarbeiter Parker, dass der langfristige strategische Schaden für die USA und Länder wie Pakistan und den Jemen überwiegen: "Regionen, die zwar vor Beginn dieser Programme von kritischer Stabilität, aber nicht vollkommen unstabil waren, wurden komplett destabilisiert. Außerdem wurden viele unschuldige Menschen getötet."