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"Der Widerstand gegen die französischen Machtansprüche ist da"

10. November 2004

Das Kapitel französischer Kolonialgeschichte in Afrika ist nicht abgeschlossen, sagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker im DW-WORLD-Interview.

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Immer noch fest in französischer Hand: ehemalige Kolonien in AfrikaBild: AP

DW-WORLD: Inwiefern mischt sich Frankreich in die politischen Belange seiner ehemaligen Kolonien ein?

Ulrich Delius: Es gibt einen massiven Einfluss von Frankreich und zwar nicht nur in den ehemaligen Kolonien. Mit fast der Hälfte aller afrikanischer Länder hat Frankreich "spezielle" Beziehungen. Da die lokalen Eliten von der Korruption profitieren, können sich die Länder ja gar nicht weiterentwickeln. Ich denke vor allem an die Zentralafrikanische Republik, Kongo (Brazaville) und den Tschad. Um Konfliktverminderung oder Demokratieförderung geht es Frankreich nicht. Das Thema ist zu komplex, als dass man es zusammenfassen könnte. Doch man sieht an vielen Entscheidungen, die Frankreich fällt, dass es immer um Geschäfte und Macht geht.

Zum Beispiel?

Frankreich hat z.B. ein vitales Interesse an den Maghreb-Staaten. Deshalb tut sich ja auch nichts in der West-Sahara-Frage. Seit 13 Jahren boykottiert Frankreich ein Referendum zur Unabhängigkeit. Denn sie fürchten um die Beziehungen zu Marokko. Stattdessen wurde nur das Mandat für die Friedenstruppe verlängert und seither ist der Prozess in der West-Sahara zum Erliegen gekommen.

Weshalb interveniert die EU nicht?

Weil es in der EU eine ungeschriebene Aufgabenverteilung gibt. Frankreich zusammen mit Großbritannien gibt den Ton an, was die Afrika-Politik betrifft. Frankreich hat ein riesiges Beziehungsnetz in Afrika. Niemand macht dem Land die "Experten"-Rolle streitig. Der Krieg in Cabinda, Angola, wird ja auch von der EU ignoriert, während Frankreich vor der Küste Öl fördert. Jetzt hat die angolanische Regierung den Franzosen mit Lizenzverlust gedroht, da sich herausstellte, dass die Franzosen dort auch mit Waffen Geschäfte machen. Man darf nicht vergessen, dass auch andere EU-Länder wie z.B. Belgien bei der Ressourcen-Ausbeutung auch kräftig mitmischen.

Auch die USA haben Afrika als Öl-Liferanten entdeckt.

Wie stark ist die Konkurrenz mit Frankreich?

Frankreich hat als ehemalige Kolonialmacht nach wie vor die bessereren Beziehungen. Gerade in Ost-Afrika haben die USA wenig Verbündete. Sie versuchen Länder wie Äthiopien und Uganda auf ihre Seite zu ziehen. Ruanda könnte man vielleicht als die Speerspitze der USA bezeichnen. Frankreich dagegen hat großen Einfluss im Osten.

Viele afrikanische Regierungen profitieren von Frankreichs Geschäften. Kommt kein Unmut bei der Bevölkerung auf?

Doch, in einigen Ländern ist die Zivilbevölkerung sehr stark und kritisiert Frankreich massiv. Der Widerstand ist da, sich die französischen Machtansprüche nicht bieten lassen zu wollen. Aber die Regierungen verfolgen trotzdem immer noch ihre eigenen Interessen, wie man an der Elfenbeinküste sehen konnte - dort hat die Regierung unter Gbagbo auch gleich die Gunst der Stunde genutzt und Büros der Opposition zerstören lassen. In Krisen kommt eben auch wieder das wahre Gesicht mancher afrikanischer Regierungen zutage.

Ende November findet in Tansania die "International Conference of the Great Lakes Region" statt. Sämtliche afrikanische Regierungschefs werden sich dort wieder die Hände schütteln und von guten diplomatischen Beziehungen sprechen. Es ist aber bekannt, dass Länder wie z.B Ruanda und Uganda im Nachbarland DRC mit Unterstützung des Westens Ressourcen ausbeuten. Was verspricht man sich noch von solchen Konferenzen?

Nun der Schein wird erst Mal gewahrt. Unter der Oberfläche brodelt es gewaltig. Uganda und Ruanda tun im Prinzip ja nichts anderes als Frankreich: Angeblich sind sie aus Sicherheitsgründen in anderen Ländern "tätig"; sie wollen verhindern, dass Rebellen in ihre Länder eindringen oder dass ihre dort lebende Bevölkerung angegriffen wird. Tatsächlich geht es aber hauptsächlich um Öl, Diamanten, Coltan usw. Es wird immer wieder von diplomatischen Verhandlungen und guten Beziehungen gesprochen, aber im Endeffekt geht es jedem Land doch nur um die Wahrung eigener Interessen. Ich verspreche mir von der Konferenz nichts. Und was die französische Afrikapolitik betrifft: Unter Jacques Chirac wird die sich auch nichts ändern. Afrika wird immer mehr abgehängt werden von der internationalen Entwicklung, die lokalen Eliten werden sich weiter bereichern und die EU wird weiter dabei zusehen.

Das Interview führte Kerstin Winter