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Der Zorn des Kilauea

Valentin Betz30. Oktober 2014

Vulkane - Sie ermöglichen Leben, indem sie fruchtbare Böden schaffen. Und sie zerstören. Ein faszinierender Widerspruch, der Hawaii schon immer prägt. Der Vulkan Kilauea ist dafür der beeindruckende Beweis.

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Hawaii Vulkanausbruch Kilauea ARCHIV
Bild: picture alliance/AP/David Jordan

Ein hüfthohes Kreuz aus massivem Stein steht auf grasgrünem Grund. Die Atmosphäre auf dem Friedhof scheint friedlich. Doch im Hintergrund wälzt sich eine schwarze, dickflüssige Masse unaufhaltsam voran. An den Ausläufern ist der Strom glühend orange. Rauch steigt an den Seiten auf. In nur wenigen Augenblicken ist von dem Kreuz aus Stein nichts mehr zu sehen. Die tausend Grad heiße Lava hat es sich einverleibt. Auch der restliche Friedhof verschwindet unter einer zähen Gesteinsmasse aus dem Innern der Erde. Einer der aktivsten Vulkane der Erde, der Kilauea, schickt derzeit (29.10.2014) flüssige Lava in Richtung der kleinen Ortschaft Pahoa. So zeigen es aktuelle Bilder.

Vulkanismus allgegenwärtig

Eigentlich sind die Bewohner der größten hawaiianischen Insel Big Island Vulkanausbrüche gewöhnt. Fünf Vulkane liegen auf der Insel. Neben dem Kilauea sind der Mauna Loa und der Hualalai nach wie vor aktiv. Immer wieder fließt Lava aus den Kratern direkt in den Pazifik - so ist die Inselgruppe Hawaii überhaupt erst entstanden. Das erstarrte Vulkangestein schafft neuen, fruchtbaren Lebensraum, auf dem sich Arten ausbreiten können. Die Pazifische Platte wandert bei Hawaii über einen Hotspot - einem ortstreuen Zugang zum Erdinneren, aus dem Magma an die Oberfläche gelangt. Die kleineren Inseln Hawaiis haben diesen Hotspot schon überschritten. Big Island liegt noch darüber und wächst dadurch ständig.

Seit Juni 2014 strömt nun ein breites Lavaband aus dem Vulkan Kilauea. Für den seit 1983 ununterbrochen aktiven Vulkan ist das nichts Besonderes. Doch bislang haben die Ströme aus zähflüssigem Gestein auch hier den direkten Weg nach Süden gewählt, in den Pazifik. Auf ihrem Weg überrollen die Lavaströme Straßen und Zäune. Menschen sind davon selten bedroht.

Hawaii Vulkanausbruch Kilauea
Kein Problem: ein einfacher Blechzaun stellt für die glühende Lavawalze kein Hindernis dar.Bild: Getty Images/USGS

Trickreiche Feuerspucker

Die jetzige Fließrichtung nach Osten ist ungewöhnlich, wird aber von zwei Faktoren begünstigt. Einerseits ist der Kilauea eigentlich eine Kette von Vulkanen mit mehreren Kratern. Der momentane Ausfluss entspringt dem Pu'u-'Ō'ō-Krater, der Pahoa am nächsten ist. An dieser Stelle ist der Weg nach Süden blockiert, die Lava kann nur nach Osten abfließen. Außerdem formt die zähflüssige Lava Tunnel. Durch diese kann nachkommende Lava schneller bergab fließen. "Erstarrte Lava ist ein großartiges Isoliermaterial. Nachströmende Lava kühlt in den Tunneln kaum ab", erklärt Michael Poland, Geophysiker des Hawaiian Volcano Observatory. Die Lava bleibt dadurch dünnflüssig und legt weitere Strecken zurück - was dem Örtchen Pahoa nun zum Verhängnis werden könnte. Die Ausbreitung des momentanen Lavastroms kam auch für Poland überraschend: "Wir haben im Jahr 2013 schon Ausflüsse am Pu'u-'Ō'ō-Krater beobachtet. Diese bewegten sich aber viel langsamer und nie weit weg von der Quelle."

Machtloser Mensch

Der Mensch kann dabei meist nur tatenlos zusehen und versuchen, den Schaden zu begrenzen. Den Strom durch Wasser abzukühlen hält Birger-Gottfried Lühr vom Geoforschungszentrum in Potsdam für aussichtslos: "Die Lavaströme sind meist unaufhaltsam, da der nötige Energieentzug nicht erreicht wird." Zeitweise bewegt sich die Lava mit 16 Metern pro Stunde fort. Im Gegensatz zu Glutlawinen, die sich mit Rennwagengeschwindigkeit fortbewegten, sei dies allerdings nicht besonders schnell, so Lührs. Zumindest könne dadurch das Leben und bewegliches Hab und Gut in Sicherheit gebracht werden. Bereits 50 Häuser wurden evakuiert. Neben der Hauptstraße des Ortes sind auch Schulen unfreiwillig im Weg der glühend heißen Masse. Poland warnt vor weiteren Konsequenzen: "Der Lavastrom könnte einen Highway durchschneiden, den täglich tausende Menschen benutzen. Dann wäre ein Teil der Insel vom Rest abgeschnitten."

Für einige Bewohner von Pahoa zerstört der Zorn des Kilauea die Ersparnisse eines ganzen Lebens. Doch auch in Zukunft bleibt das Risiko eines Vulkanausbruchs auf Hawaii bestehen.