"Deutliches Signal an die UNO und EU"
21. April 2005Nach Angaben der Wahlkommission entfielen bei der Wahl am 18.April auf den 53-Jährigen Mehmet Ali Talat 55,6 Prozent der Stimmen, während sein Hauptkonkurrent Dervis Eroglu 22,7 Prozent auf sich vereinigte. Talat will die seit langem bestehende Teilung der Mittelmeerinsel überwinden und strebt eine gemeinsame EU-Mitgliedschaft mit den griechischen Zyprern an. Mit seiner Wahl zum neuen Volksgruppenführer der nur von Ankara anerkannten Türkischen Republik Nordzypern endet die Ära seines langjährigen Amtsvorgängers Rauf Denktasch. Über das Wahlergebnis sprach das DW-Funkjournal mit dem Zypern-Experten Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg-Essen.
DW-RADIO: Macht die Wahl von Mehmet Ali Talat den Weg frei für die Wiedervereinigung auf Zypern?
Heinz-Jürgen Axt: Sie verstärkt auf Seiten der türkischen Zyprer ganz klar das Bewusstsein und auch den Wunsch, eine Annäherung herbeizuführen. Ob allerdings damit auch Veränderungen im Süden der Insel bei den griechischen Zyprern erreicht werden können, steht für mich derzeit durchaus noch in Frage.
Woran liegt es, dass die griechischen Zyprer dieser Wiedervereinigung so kritisch gegenüberstehen?
Es sind im Grunde genommen zwei Faktoren. Der eine Faktor ist der, dass die griechischen Zyprer über den Annan-Plan ein wenig enttäuscht sind, weil sie auf weiter gehende Regelungen zu ihren Gunsten gehofft hatten, etwa in Bezug auf die Eigentumsfrage/Rückgabe von Eigentum, das im Norden vorhanden ist, was ehemals griechischen Zyprern gehört hat. Das ist der eine Vorbehalt, den man im Bezug auf den Annan-Plan von 2004 hat. Und der andere ist, dass die griechischen Zyprer in einer relativ komfortablen Lage sind: Sie sind Mitglied in der EU, können dort mitbestimmen und denken, dass das eine günstigere Bedingung ist, um eine entsprechende Lösung in ihrem Sinne herbeiführen zu können.
Könnte die Wahl von Mehmet Ali Talat mehr Druck auf die griechischen Zyprer auslösen?
Ich denke, es ist ein deutliches Signal. Vielleicht weniger an die griechischen Zyprer, aber zum einen an die Vereinten Nationen, zum anderen an die EU. Zumindest die EU weiß, dass sie hier ein Problem hat, dass nach der jetzigen Regelung de jure die gesamte Insel Mitglied der EU ist, aber de facto eben nur der Süden, dass dies auf lange Zeit nicht zu halten sein wird. Und insofern muss die EU sehen, auch hier den Druck zu erhöhen, auch den Druck auf Griechenland und auf die griechischen Zyprer, auch Gespräche wieder zu eröffnen.
Die Türkei hat noch rund 30.000 Soldaten im Norden stationiert und will auch in die EU. Welche Rolle spielt die Türkei für die Wiedervereinigung Zyperns?
Die Türkei muss, damit die Beitrittsperspektive nicht aus den Augen verloren werden kann, deutlich positive Signale auch an die EU aussenden, dass sie ihren Beitrag zur Lösung des Zypern-Konflikts auch leistet. Sie hat das in der jüngeren Vergangenheit durchaus getan, ansonsten wäre die Ernennung zum Beitrittskandidaten mit Eröffnung der Beitrittsverhandlungen ab 3. Oktober nicht erfolgt. Wir erleben derzeit eine auch innenpolitisch schwierige Lage in der Türkei, wo der Reformeifer doch nachlässt. Auf der anderen Seite besteht die Frage nach der Anerkennung von der Republik Zypern durch die Türkei. Auch hier windet sich die Türkei durchaus noch und ist nicht so ganz einfach in der Lage, von althergebrachten Grundsätzen Abstand zu nehmen. Insofern kommt es darauf an, was jetzt der 3. Oktober bringt, und inwieweit der türkische Reformwille im Inneren sich durchsetzen kann.
Dann rechnen Sie nicht mit einer schnellen Wiedervereinigung?
Ich stelle mich da ein bisschen auf die Position von Kofi Annan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der vor kurzem noch geäußert hatte, dass erst dann, wenn die griechischen Zyprer ganz deutlich ihre Vorbehalte äußern, er eine neue Initiative wagen möchte. Er hat sich offensichtlich auch ein wenig im Jahr 2004 die Finger verbrannt und hat nicht allzu große Lust, dort noch einmal ranzugehen. Derzeit ist nicht erkennbar, dass ein Papier der griechischen Zyprer vorgelegt würde, wo drinsteht: Wir wollen Verhandlungen haben, aber wir möchten gern, dass dieses und jenes berücksichtigt wird, so dass man tatsächlich mit Aussicht auf Erfolg in neue Vermittlungsbemühungen reingehen könnte.
Das Interview führte Monika Dittrich
DW-RADIO, 18.4.2005, Fokus Ost-Südost