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Politik

Deutsche Außenpolitik nach Merkel

26. Februar 2021

Der nächste Bundeskanzler dürfte entweder Armin Laschet oder Markus Söder heißen. Was wäre außenpolitisch von jedem von ihnen zu erwarten?

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Bildkombo Laschet Merkel Söder
Armin Laschet, Angela Merkel, Markus Söder (von links)

"Man erwartet von einem Bundeskanzler, dass er außen- und europapolitisch erfahren ist." Das hat der neue CDU-Vorsitzende und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet Anfang des Monats in einem Reuters-Interview gesagt und sich damit von seinem Rivalen in der Frage der Kanzlerkandidatur positiv abheben wollen.

Doch Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef, konterte prompt. Er habe gerade eine Dreiviertelstunde mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesprochen und dabei "große Übereinstimmungen" mit seinem Gegenüber festgestellt. In dem Gespräch - auf englisch - sei es unter anderem um gemeinsame Luftfahrtprojekte wie das geplante europäische Kampfflugzeug gegangen. Da in Bayern wichtige Unternehmen der Militär- und Zivilluftfahrt liegen, hat Söder damit sowohl außenpolitisch als auch außenwirtschaftlich Punkte gemacht. Bereits im Oktober hatte Söder eine aktivere Rolle für die deutsche Außenpolitik gefordert.

Gewachsenes Gewicht Deutschlands

Es ist nur ein Beispiel, wie sich die beiden konservativen Kanzleraspiranten derzeit international in Stellung bringen, bevor sie bis Pfingsten unter sich ausmachen wollen, wer für die Union aus CDU und bayerischer CSU ins Rennen um die Kanzlerschaft geht.

Kanada Staats- und Regierungschefs G7-Staaten diskutieren gemeinsame Erklärung in Charlevoix
Merkel hat sich im Laufe der Jahre ein internationales Renommee erarbeitetBild: Reuters/Prime Minister's Office/A. Scotti

Johannes Varwick, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Halle, sieht keine leichte Aufgabe auf Laschet und Söder zukommen: "Jeder Nachfolger einer Amtsinhaberin, die anderthalb Jahrzehnte außenpolitische Erfahrung hat und in zahlreichen Krisen gestählt ist, wird in diese Rolle erst hineinwachsen müssen. Zugleich hat Deutschlands internationales Gewicht in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, und dahinter wird kein Kanzler zurückfallen können. Im Gegenteil: Ein Personalwechsel wird hier den Druck erhöhen, sich in zentralen Fragen zu positionieren."

Der "Europäer" und das "unbeschriebene Blatt"

Bei der außen- und vor allem europapolitischen Erfahrung hat Laschet klar die Nase vorn, schon durch seine Vita. Aufgewachsen in Aachen am Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande, entwickelte er früh ein Bewusstsein, wie wichtig grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Auch in Corona-Zeiten hat Laschet als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident offene Grenzen verteidigt. 1999 bis 2005 war er Abgeordneter im Europaparlament. Dort befasste er sich mit Außen- und Sicherheitspolitik. Immer wieder hat er mehr Mut bei der europäischen Integration gefordert.

Bei Markus Söder sucht man solches Engagement vergeblich. Varwick nennt ihn, europapolitisch gesehen, "noch ein recht unbeschriebenes Blatt". Thorsten Benner, Leiter des Global Public Policy Institute in Berlin, geht noch weiter. Söder habe "wenig bis keine emotionale Bindung an das europäische Projekt und wird vor opportunistischer Agitation gegen Brüssel nicht zurückschrecken, wenn ihm das politisch hilfreich erscheint".

Deutschland Grenze zu Frankreich in Saarbrücken | Coronavirus | Grenzschließung
Laschet hat sich Grenzschließungen wegen Corona entgegengestemmtBild: Reuters/R. Orlowski

Transatlantik-Renaissance nicht zum Nulltarif

Was beide Politiker eint, ist aber die Konzentration mehr auf die EU und Frankreich als auf die USA. Zur Erinnerung: Angela Merkel reiste 2003 als CDU-Vorsitzende, aber noch als Oppositionsführerin demonstrativ nach Washington und unterstützte Präsident George W. Bushs Irakkrieg, den damals in Deutschland eine große Mehrheit einschließlich SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder vehement ablehnte.

Das Transatlantische wurde deutschen Politikern in den vier Trump-Jahren allerdings auch reichlich schwergemacht. "Amerika war doch immer für uns das Land der Freiheit und der Demokratie", klagte Laschet in seiner Bewerbungsrede für den CDU-Vorsitz mit Blick auf die Erstürmung des Kapitols in Washington durch Trump-Anhänger im Januar 2021. Und Söder bekannte kürzlich, seine Liebe zu Amerika sei durch Trump auf eine harte Probe gestellt worden. Beide setzen nun große Hoffnungen auf den neuen Präsidenten Joe Biden. Der hat bei der virtuellen Münchener Sicherheitskonferenz vergangene Woche den Partnern zugerufen: "Das transatlantische Bündnis ist zurück."

Washington Außenministerium Rede USA Außenpolitik Biden
Joe Biden will wieder auf die Europäer zugehen, aber sie sollen mehr Verantwortung übernehmenBild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Bidens Annäherung ist aber nicht bedingungslos. Er fordert zum Beispiel, wie schon seine Vorgänger, dass die Partner ihre Rüstungsausgaben erhöhen und mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Söder ist grundsätzlich einverstanden, betont aber: "Wir sind keine kleinen Kinder. Wir sind Partner, keine Vassallen oder Untergebene", so Söder vor wenigen Tagen gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Auch Laschet bekennt sich zum Ziel der NATO, dass die Mitgliedsstaaten zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben, wovon Deutschland derzeit weit entfernt ist.

Söder: "Balance zwischen Interessen und Werten"

Ein Hindernis für eine Renaissance einer engen transatlantischen Zusammenarbeit ist die deutsche China- und Russlandpolitik. Wie schon Trump scheint auch Biden der Meinung zu sein, dass Berlin wegen handelspolitischer Interessen zu nachgiebig gegenüber beiden Regierungen auftritt.

Daran dürfte sich aber sowohl mit einem Bundeskanzler Laschet als auch Söder nichts grundlegend ändern. Laschet sprach zwar kürzlich von einem "Systemwettbewerb", in dem der Westen mit China stehe. Eine Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am Bau des 5G-Mobilfunknetzes wollte er aber nicht ausschließen, was Washington sehr kritisch sieht. Söder wiederum hatte im vergangenen Sommer im ZDF im Zusammenhang mit China gesagt: "(Die) richtige Balance zu finden zwischen Interessen und Werten scheint mir die größte Herausforderung der deutschen Außenpolitik der nächsten Jahre zu sein." Das war nicht die Härte, die man sich in Washington wünscht.

Eigenständige Russland-Politik

Was Russland betrifft, so sind sowohl Laschet als auch Söder gegen den von den USA geforderten Baustopp der Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland. Laschet will auch den Anschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny - welchen er scharf verurteilt - strikt von Gasgeschäften trennen. Söder hat unterdessen mit einem Besuch in Moskau vor einem Jahr die Tradition früherer bayerischer Ministerpräsidenten fortgesetzt, eine eigene bayerisch-russische Handelspolitik zu betreiben, die losgelöst ist von politischen Meinungsverschiedenheiten.

Russland I Dänemark I Verlegeschiff Fortuna
Söder wie Laschet sind für den umstrittenen Weiterbau der Erdgasleitung Nord Stream 2 auf dem Grund der OstseeBild: Dmitrij Leltschuk/Sputnik/dpa/picture alliance

Auf Laschet könnten wiederum Äußerungen zurückfallen, die schon einige Jahre zurückliegen: Kurz nach der russischen Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim hatte Laschet einen "marktgängigen Anti-Putin-Populismus" in Deutschland beklagt. Zwar sei die Krim-Besetzung "eindeutig völkerrechtswidrig", trotzdem müsse man sich in seinen Gesprächspartner "hineinversetzen, wenn man eine außenpolitische Beziehung pflegt".

Der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour, dessen Partei ein künftiger Koalitionspartner einer unionsgeführten Bundesregierung sein könnte, bezweifelte in einem Zeitungsinterview, dass ein Kanzler Laschet mit dieser verständnisvollen Haltung die Europäische Union zusammenhalten könne, wie es Laschets Anspruch ist. Gerade die östlichen EU-Länder sind sehr kritisch, wenn sie einen deutschen Kuschelkurs mit dem Kreml wahrnehmen.

Laschet sah Assad als das kleinere Übel

Laschet hat sogar 2014 Russlands Rolle im Syrienkrieg gelobt: "Die Russen haben von Anfang an vor Dschihadisten gewarnt. Bei uns hat man das abgetan als Propaganda." Er zeigte damals auch ein gewisses Verständnis für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, bei dem vor dem Volksaufstand immerhin eine gewisse religiöse Vielfalt möglich gewesen sei. Den Islamismus sah er jedenfalls als weit gefährlicher als das Assad-Regime.

Syrien Putin ordnet Rückzug an - Besuch auf Militärbasis
Syriens Präsident Assad (l.) wird vom russischen Präsidenten Putin (M.) bis heute militärisch gestütztBild: picture alliance/ dpa/TASS/M. Klimentyev

Varwick will solche Äußerungen nicht überbewerten: "Man kann das auch als Form eines außenpolitischen Realismus verstehen, der nüchtern fragt, welche Einflussmöglichkeiten man hat und welche Mittel man bereit ist einzusetzen - und dann danach seine Rhetorik und Strategie ausrichtet. Das finde ich nicht grundfalsch." Dennoch sorgt Laschets Äußerung bis heute für Kopfschütteln, auch in Unionskreisen.

Bella figura auf der internationalen Bühne

Etwas ganz anderes als die Merkelsche Außenpolitik erwarten beide Politikwisssenschaftler nicht, weder bei einem Kanzler Laschet noch bei einem Kanzler Söder. Im Gegenteil, Thorsten Benner sieht bei beiden eher den Versuch eines "Weiter-so-Kurses", mit dem sie allerdings seiner Ansicht nach auf Hindernisse stoßen werden: "Zum einen, weil Merkels Kurs sich aufgrund von Widersprüchen nicht einfach fortführen lässt, zum anderen, weil mögliche Koalitionspartner, insbesondere die Grünen, auf einer Kursänderung in wichtigen Fragen bestehen werden. Etwa in der China-Politik, wo die eindimensionale Automobil-Außenpolitik der Kanzlerin Deutschland schweren Schaden zufügt". 

Deutschland Schloss Elmau 2019 | Markus Söder, MP Bayern & Armin Laschet, MP Nordrhein-Westfalen
Sowohl der Franke Söder als auch der Rheinländer Laschet müssten erst in die Kanzlerrolle hineinwachsenBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Varwick kommt als Gesamtfazit zu der Einschätzung: "Beide sind politische Vollprofis, die bisher keinen außenpolitischen Schwerpunkt hatten. (…) Gewiss werden beide aber Außenpolitik schnell als wichtige Kanzleraufgabe entdecken. Laschet hat mehr internationale Erfahrung als Söder, aber beide sind auch international recht gut vernetzt. Und ihnen ist gleichermaßen zuzutrauen, bella figura auf internationaler Bühne zu machen."

Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik