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Deutsche Bank im Umbruch

23. März 2015

Bei dem Verdacht um Manipulation des Referenzzinses Libor ermittelt nun auch die US-Finanzaufsicht gegen die Deutsche Bank. Die diskutiert derweil über fundamentale Umstrukturierungen.

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Deutsche Bank Logo dreidimensional
Bild: Reuters/Ralph Orlowski

Die Deutsche Bank ist einem Zeitungsbericht zufolge erneut ins Visier der New Yorker Finanzaufsicht DFS geraten. Die Behörde habe sich nun auch in die Ermittlungen zu möglichen Manipulationen des Referenzzinses Libor eingeschaltet, berichtete die "Financial Times" unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Es sei das erste Mal, dass sich die Behörde an den Libor-Untersuchungen beteiligt. Die DFS ist bei ausländischen Instituten besonders gefürchtet, weil sie im äußersten Fall deren US-Banklizenz entziehen kann.

Der Libor (London Interbank Offered Rate) ist einer der wichtigsten Referenzsätze für Hypotheken und andere Kredite. Von ihm hängen weltweit Finanzgeschäfte im Volumen von mehreren Hundert Billionen Dollar ab. Der Zinssatz wird einmal am Tag ermittelt und beruht auf Angaben der Banken zu den Refinanzierungskosten.

Verdacht: Banken haben Devisenkurse manipuliert

Behörden rund um den Globus untersuchen schon seit mehreren Jahren, ob Händler an internationalen Referenzzinssätzen wie Libor und Euribor geschraubt haben, um sich Handelsgewinne zu verschaffen. Zahlreiche Großbanken und Brokerhäuser haben bereits hohe Strafen gezahlt. Gegen die Deutsche Bank ermittelt seit längerem unter anderem das US-Justizministerium.

Im Skandal um manipulierte Devisenkurse hat die New Yorker Finanzaufsicht bereits einen Aufpasser in der US-Niederlassung der Deutschen Bank installiert. Er soll die Handelspraktiken genauer untersuchen.

Umstrukturierung im Gange

Die neuen Ermittllungen treffen die Deutsche Bank in einer Zeit umfassender Umstrukturierungen. Vor allem geht es wieder darum, Kosten zu senken. Bereits am Freitag stimmte die Deutsche Bank Investoren und Mitarbeiter auf eine neue Sparrunde ein. Die beiden Vorstandschefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen betonten im Geschäftsbericht 2014, mit Nachdruck an der nächsten Phase ihrer Strategie zu arbeiten.

Privatkundengeschäft könnte abgespalten werden

Im Rahmen der Strategiedebatte geht es vor allem darum, welche Rolle das Privatkundengeschäft rund um die Postbank künftig spielen soll. Dieser Konzernbereich ächzt unter den anhaltenden Niedrigzinsen. Drei Stunden lang habe der Aufsichtsrat am Freitag drei Szenarien diskutiert, sagten zwei mit der Sache vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende.

"Das Privatkundengeschäft muss in jedem Modell Federn lassen", erklärte einer der Insider. Am wenigsten sei dies jedoch der Fall, wenn eine eigene Privatkundenbank inklusive Postbank geschaffen und binnen zwei Jahren über einen Börsengang abgespalten werde. Dafür gebe es im Kontrollgremium momentan die größte Zustimmung. Entscheidungen seien aber noch nicht gefallen. Die Aktionäre hoffen, dass sie bis zur Hauptversammlung am 21. Mai Klarheit haben.

Alternativmodelle

Die anderen beiden Modelle: Entweder eine Vollintegration der Postbank mit einem radikalen Sparprogramm in der Privatkundensparte oder ein alleiniger Verkauf der Postbank.

Anshu Jain, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank
Anshu Jain, Co-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank: Arbeit an Strategie zum PrivatkundengeschäftBild: picture-alliance/dpa

In jedem Fall sei die Erkenntnis gereift, dass sich die Deutsche Bank das bislang sehr breit angelegte Universalbank-Modell wegen der hohen Kosten nicht mehr leisten könne, erklärte einer der Insider. Das Filialgeschäft verschlinge viel Geld.

Mit einer Komplettabspaltung des "blauen und gelben" Privatkundengeschäfts würde zudem die Bilanz deutlich verkürzt. Das würde der Deutschen Bank helfen, die sogenannte Leverage Ratio - das Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme - nach oben zu schrauben. Co-Chef Jürgen Fitschen hatte das kürzlich als größte Herausforderung für die Bank bezeichnet. In der neuen Ausrichtung wären die Frankfurter dann eine Bank, die sich mit Investmentbanking, Vermögensverwaltung und Zahlungsverkehr auf gehobene Privatkunden und Firmenkunden fokussiere - eine "Wholesale Bank", wie es intern heißt.

Integration der Postbank wird vorangetrieben

Reuters hatte bereits im Januar aus Finanzkreisen erfahren, dass ein solches Modell diskutiert wird. Nun scheint es konkrete Formen anzunehmen. Den Angaben zufolge würde man die technische Integration der Postbank in die Deutsche Bank weiter vorantreiben, um jährliche Kosteneinsparungen von etwa 800 Millionen Euro zu erreichen. Bis spätestens Anfang 2017 solle die Privatkundenbank dann schlank und hübsch und börsenfähig sein.

Zwar sei noch offen, bei welchen Privatkunden man "abschneiden" würde. Aber das Massengeschäft dürfte auf jeden Fall in die Privatkundenbank wandern. Das wäre quasi eine Wiederauflage der "Deutsche Bank 24" aus den neunziger Jahren - schon damals wollte sich das Institut im Kerngeschäft eigentlich auf die vermögenderen Privatkunden fokussieren, hatte dann aber einen Rückzieher gemacht.

Auch Investmentbanking soll sparen

Das Kerngeschäft Investmentbanking steht zwar nicht zur Disposition, weil die Deutsche Bank weiterhin global mitmischen und insbesondere den US-Rivalen die Stirn bieten will, wie Jain erst kürzlich auf einer Bankenkonferenz signalisiert hat. Die Sparte muss sich aber offenkundig auf eine Abspeckkur einstellen. So stelle die Deutsche Bank derzeit etliche Auslandsniederlassungen wie Südkorea und Indien infrage und wolle insbesondere das Interbanken-Kreditgeschäft zurückfahren. Anpassungen soll es auch im Handelsgeschäft geben.

Deutsche Bank Zentrale in Frankfurt am Main
Über das Investmentbanking hat die Deutsche Bank riesige Gewinne eingefahrenBild: Reuters

Etliche europäische Großbanken haben ihr Investmentbanking bereits gestutzt oder sind dabei - etwa die Schweizer UBS und die britische Barclays. Jain spekuliert aber darauf, den Rückzug dieser Rivalen nutzen zu können, um in Lücken vorzustoßen und Marktanteile zu gewinnen. Er will nicht den US-Rivalen das Feld überlassen, wie er immer wieder bekundet. Einige Großinvestoren haben dafür zuletzt offen Unterstützung signalisiert, etwa der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock.

iw/ul (rtr)