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Deutsche Ebola-Hilfsgüter kommen

Wolfgang Dick19. September 2014

Hilfsorganisationen wollen Ebola-Erkrankten helfen. Aber das ist gar nicht so einfach. Der Transport der Hilfsgüter wird immer teurer - gleichzeitig gibt es eine gewisse Spendenmüdigkeit. Ein Besuch bei action medeor.

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Lager der Hilfsorganisation action medeor (Foto: action medeor)
Bild: privat

In einer 3000 Quadratmeter großen Lagerhalle in Tönisvorst bei Krefeld legen Mitarbeiter der Hilfsorganisation action medeor Sonderschichten ein. Aus vier Meter hohen Regalen entnehmen sie Medikamente, tragbare Wasserreservoirs in Rucksäcken, Einweg-Handschuhe, Mundschutze und spezielle Schutzkleidung für Ärzte und Pfleger, die in direktem Kontakt mit Ebola-Patienten stehen. Im Eiltempo wird verpackt. Bestellt sind die überlebenswichtigen Waren von Gesundheitsstationen in den von Ebola betroffenen Regionen. Mit diesen Partnern vor Ort arbeitet action medeor direkt zusammen. Darunter befindet sich auch die von der Deutschen Margret Gieraths-Nimene geführte Gerlib-Clinic in Paynesville, einem Vorort von Monrovia.

"Es ist unfassbar! Selbst einfachste Hilfsmittel wie Gummi-Handschuhe fehlen heute noch an vielen Stellen", berichtet Christoph Bonsmann, der als Geschäftsführer und Pharmazie-Experte von action medeor alle Lieferungen und die Leistungen des Kooperationspartners I.S.A.R. überwacht. Das gesamte Gesundheitssystem in den Ländern Liberia, Guinea und Sierra Leone sei komplett überfordert. Ebola-Viren befinden sich nicht nur im Blut, sondern auch im Schweiß von Infizierten. "Nur weil Handschuhe fehlten, haben sich deshalb auch viele Ärzte und Pfleger angesteckt und sind gestorben", erzählt Christoph Bonsmann.

Porträt von Christoph Bonsmann (Foto: DW)
Christoph Bonsmann: "Ungeheure Versäumnisse!"Bild: privat

Vor allem mangele es an Isolierstationen, in die Patienten mit Verdacht auf Ebola sofort von der übrigen Bevökerung getrennt untergebracht werden müssen. "Sobald Symptome wie Übelkeit und hohes Fieber erkennbar sind, muss reagiert werden". Die Ebola-Epidemie wirkt wie eine Lawine. Alleine ein Erkrankter steckt im Schnitt 15 weitere Menschen an, von denen jeder einzelne wiederum 15 ansteckt, wenn dies nicht verhindert wird. "An effektiver Isolation führt kein Weg vorbei." Bonsmann hat es mit seinem Team geschafft, zwei der Isolierstationen mit insgesamt 44 Betten finanziert zu bekommen. Die Isolierstationen sollen in der kommenden Woche in Liberia eintreffen, in Monrovia aufgebaut werden und bis Ende September mit kompletter Technik einsatzbereit sein.

Gerlib Clinic in Monrovia (Foto: action medeor)
Die Gerlib Clinic erhält Hilfe aus DeutschlandBild: privat

Spendenmüdigkeit und Ignoranz

Die Lieferung der zwei Isolierstationen wäre beinahe überhaupt nicht zustande gekommen. Nach Aussage des Vorstandssprechers von action medeor, Bernd Pastors, hätten selbst nach eindringlichen Bitten viele renommierte Adressen auch auf Bundesebene abgesagt oder gar nicht reagiert. Einzig die Else Kröner-Fresenius-Stiftung habe schließlich die 460.000 Euro teure Investition geschultert.

"Es gibt angesichts der vielen aktuellen Krisen in der Welt eine Spendenmüdigkeit in Deutschland", sagt Bernd Pastors und hofft, dass sich diese Zustände mit der Zusage der Bundeskanzlerin von zusätzlichen Hilfen für die Ebola-Gebiete künftig ändert. Das Hauptproblem sei nicht durch Zögerlichkeiten vieler Regierungen, sondern leider auf allerhöchster Ebene entstanden.

"Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat zu spät reagiert und Warnungen, wie sie von der Organisation Ärzte ohne Grenzen zahlreich geäußert wurden, falsch eingeschätzt", stellen Bernd Pastors und Christoph Bonsmann ernüchtert fest. Mit diesem Vorwurf sind sie nicht alleine. Viele Hilfsorganisationen bestätigen die Trägheit der WHO. Nachteilig wirke sich aus, dass die UN-Institution nur zu einem Drittel mit festen finanziellen Mitteln ausgestattet sei und den überwiegenden Teil frei finanzieren müsse. "Wir haben wertvolle Zeit verloren, die jetzt nur noch mit einem ungeheuren Aufwand einzuholen ist."

Porträt von Bernd Pastors (Foto: DW)
Bernd Pastors: "Wir benötigen weiter Spenden!"Bild: privat

Kampf gegen verschärfte Situation

Auf dem Schreibtisch von medeor-Manager Christoph Bonsmann liegen die jüngsten Situationsberichte der Unicef. Sie verdeutlichen dramatische Veränderungen. Wurden im Bericht Nr. 49 von Ende August die für ärztliche Versorgung benötigten Finanzmittel gegen Ebola auf 6 Millionen Dollar beziffert, sind es im September, nur zehn Tage später, bereits 75 Millionen Dollar.

Kamen Hilfsorganisationen wie action medeor noch vor kurzem mit zwei bis drei US-Dollar für ein Kilogramm Luftfracht aus, sind es heute zehn US-Dollar. "Wir brauchen jetzt für die 8,5 Tonnen Hilfsgüter, die wir senden, statt 20.000 rund 70.000 US Dollar", beklagt Christoph Bonsmann. Es gebe nur noch zwei Fluggesellschaften, die die Krisenregion Liberia anfliegen. Auch die Honorarforderungen der in den Ebola-Gebieten verbliebenen Hilfskräfte hätten sich verdoppelt, seitdem die Ansteckungsfälle deutlich angestiegen sind.

Wettlauf gegen die Zeit

Zwei Helfer ziehen sich Schutzanzüge an (Foto: action medeor)
Lebenshilfe ist nur mit guter Ausrüstung möglich - ohne Schutzanzüge geht nichtsBild: privat

Die Probleme häufen sich in enormen Tempo. Dagegen arbeiten neben action medeor auch andere deutsche Abteilungen von Hilfsorganisationen, wie zum Beispiel Ärzte ohne Grenzen, medicamondiale oder die Welthungerhilfe. Sie rechnet für Sierra Leone nach einer eigenen Sudie auch noch mit einer Hungersnot.

Christoph Bonsmann von action medeor weitere Probleme. Die Zahl der für die Ebola-Patienten benötigten Betten mit Betreuung steigt täglich. Den aktuellen Bedarf beziffert die WHO derzeit auf mindestens 1000. "In der Realität sind bis jetzt gerade einmal 220 Betten vorhanden", sagt Christoph Bonsmann. Viele Menschen, die befürchten, sich mit Ebola angesteckt zu haben, gingen nicht mehr in die Gesundheitszentren, weil sie ihre vermeintlich letzten Tage nicht isoliert von ihrer Familie verbringen wollten.

Andere Familien würden sich weigern, ihre Verwandten aus den Krisengebieten aufzunehmen. Wenn Menschen, die sich mit Ebola angesteckt haben, nicht von Behandlungszentren aufgenommen werden können, weil keine Plätze vorhanden sind, sterben Menschen auf offener Straße und bleiben dort oft tagelang liegen. Hinzu kommt, dass sich das Ebola Virus mit jeder Übertragung ein wenig verändert. Der Apotheker Bonsmann dazu: "Die Mutation ist im Gange. Aber kein Mediziner kann sagen, ob das Virus gefährlicher wird." Jetzt liegen alle Hoffnungen darauf, dass die von der Bundesregierung zusätzlich zur Verfügung gestellen zehn Millionen Euro von der WHO schnell und effizient verteilt werden.