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Deutsche Firmen setzen auf Familie

Daphne Antachopoulos13. April 2004

Zwischen Kindern und Karriere: Auch deutsche Unternehmen entdecken zunehmend familienfreundliche Konzepte – weil sie ihnen langfristig nutzen.

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Kind und Karriere: Wie geht das?Bild: Bilderbox

Was politische Mitbestimmung der Frau, deren ökonomische Selbstständigkeit, Mutterschutz und Gesundheit angeht, kann Deutschland noch eine Menge lernen. Zum Beispiel von Norwegen. Laut einer Anfang April veröffentlichten UN-Studie gibt es für berufstätige Frauen kein besseres Land als Norwegen - und die Geburtenquote bewegt sich bei im europäischen Vergleich erfreulichen 1,86 Kindern pro Frau. In Deutschland liegt die Rate bei 1,37.

Frauen in Deutschland verdienen rund ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen. In höheren Führungspositionen sind sie mit knapp vier Prozent kaum vertreten. Dafür umso häufiger in den so genannten Niedriglohn-Gruppen, aus denen sie auch kaum wieder heraus kommen. Denn noch immer gilt das Prinzip: Entweder Kinder oder Karriere. Die staatliche Kinderbetreuung in Deutschland ist nach wie vor unzureichend, nicht einmal jedes zehnte Kleinkind findet einen Krippenplatz.

Zauberwort "Work-Life-Balance"

Doch jetzt naht eine Trendwende. "Work-Life-Balance" heißt das Zauberwort: Familienfreundliche Maßnahmen in den Unternehmen, die den Balance-Akt zwischen Kindern und Karriere erleichtern sollen. Zur Auswahl stehen Teilzeitarbeit, Job-Sharing und flexible Arbeitszeit-Modelle, oder auch "Sabbaticals", einjährige Auszeiten vom Job. Auch die Kinderbetreuung durch Unternehmen ist im Angebot.

Das bayrische Staatsinstitut für Familienforschung in Bamberg (ifb) untersuchte 24 als "familienfreundlich" ausgezeichnete bayrische Betriebe. Von der kleinen Steuerkanzlei über mittelständische Betriebe bis hin zu Großkonzernen wie BMW oder der Hypo-Vereinsbank haben alle mehr oder weniger umfangreiche "Work-Life-Balance"-Pakete für ihre Mitarbeiter entwickelt. Kleine Betriebe bevorzugen informelle Lösungen: Da ist schnell eine Vertretung gefunden, wenn eine Kollegin ihr Kind zum Arzt bringen muss.

Standardisierte Konzepte

Größere Betriebe mit mehr als 1000 Mitarbeitern setzen eher auf standardisierte Konzepte. Naturgemäß können sie größere Projekte wie Betriebskindergärten leichter einrichten. Auch begleitende Maßnahmen wie die Hilfe bei der Wohnungssuche konnten hier besser umgesetzt werden. Die Mitarbeiter sind zufriedener, motivierter und bleiben dem Unternehmen eher erhalten - so das Resultat der Studie. Einen Boom der Familienfreundlichkeit in deutschen Unternehmen will der Soziologe Harald Rost vom Bamberger Familienforschungsinstitut aber noch nicht voraussagen:

"Der Kosten-Nutzen-Effekt ist noch unklar. Eine höhere Motivation der Mitarbeiter kann man nicht monetär bewerten." Das klassische Kosten-Nutzen-Modell werde "schwierig zu berechnen sein."

Große Nachfrage

Trotzdem entwickeln immer mehr Unternehmen familienfreundliche Konzepte. Die Nachfrage ist groß. Frauen wollen immer schneller zurück in den Beruf, so der Soziologe. Und da sei noch ein anderes Phänomen: "Es gibt immer mehr engagierte Väter, die sich vorstellen können, eine Berufspause einzulegen oder ihre Arbeitszeit zugunsten der Familien zu reduzieren." Rost beruft sich auf die Studie "Väter und Erziehungsurlaub". "Da hat sich gezeigt, dass eigentlich gern 20 Prozent der Väter unter anderen Rahmenbedingungen die Elternzeit nutzen würden", so der Soziologe.

Familienfreundlichkeit wird zum Wettbewerbsvorteil

Diese Rahmenbedingen wollen immer mehr Unternehmen nun schaffen. Denn langfristig betrachtet stehen sie unter Druck. Infolge des Geburtenrückgangs in Deutschland werden die Arbeitskräfte knapp. Experten zufolge soll etwa 2010 die Wende am Arbeitsmarkt kommen. Dann werden Unternehmen händeringend nach Bewerbern suchen und ihnen attraktive Arbeitsplätze bieten müssen, so Harald Rost. Qualifizierte Arbeitnehmer würden sich zukünftig die Unternehmen heraussuchen, bei denen sie Familie und Beruf vereinbaren können. "Das heißt: Diese Unternehmen haben zukünftig einen Wettbewerbsvorteil."