Deutsche Landwirte in der Sinnkrise
Deutschlands Bauern stehen wegen niedriger Preise für ihre Produkte vor großen Problemen. Gleichzeitig müssen sie sich der Kritik von Tier- und Umweltschützern stellen. Diese fordern eine Agrarwende.
Zu viel Milch für zu wenig Abnehmer
Seit die EU die Milchquote abgeschafft hat, findet ein regelrechtes Wett-Melken statt. Die Erzeuger hofften auf neue Märkte und expandierten. Doch das Handelsembargo gegenüber Russland und Chinas Konjunkturschwäche machten ihnen einen Strich durch die Rechnung: Die Preise für Milch, Quark und Butter sind durch die Überproduktion so niedrig, dass die EU den Bauern Hilfsgelder zahlen muss.
Das große Höfesterben
"Große Teile der Landwirtschaft stellen sich die Existenzfrage", so der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied. Von 2003 bis 2013 sank die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland um 32 Prozent. Vor allem für kleine Betriebe wird es immer schwieriger, wirtschaftlich zu bestehen.
Wichtiger Arbeitgeber
Mehr als 600.000 Menschen seien in Deutschland unmittelbar in der Landwirtschaft beschäftigt; auf dem Land sei die Branche der wichtigste Arbeitgeber, argumentiert der DBV. "Zukunft sichern - Bauern stärken", lautet deshalb das Motto des diesjährigen Deutschen Bauerntages in Hannover.
Romantisierte Vorstellungen
Grüne Wiesen, zufrieden grunzende Schweine und Bauernhof-Idylle: Das verbinden viele Menschen mit der Landwirtschaft. Nach einer im Jahr 2013 durchgeführten Umfrage sehen rund 80 Prozent der Deutschen die heimische Landwirtschaft als "Bestandteil von Heimat und Brauchtum", die "einen wichtigen Beitrag zur Landschaftspflege" leiste.
"Agarsteppen" statt Landschaftspflege
Die Realität sieht meist anders aus: Die moderne, industrielle Landwirtschaft setzt auf Massenproduktion. Streuobstwiesen, Weiher und Randstreifen müssen weichen, damit Traktoren und Mähdrescher freie Bahn haben. Durch Monokulturen und den dafür erforderlichen massiven Einsatz von Pestiziden kommt es zu einer rapiden Abnahme der Artenvielfalt.
Landwirtschaft als Klima-Killer
Die Landwirtschaft trägt maßgeblich zum Ausstoß klimaschädlicher Gase bei, warnt das Umweltbundesamt. Stickstoffhaltige Düngemittel setzen Lachgas frei, das rund 300 mal so klimaschädlich ist wie CO2. Und die rund 4,3 Millionen deutschen Milchkühe produzieren einen Großteil des klimaschädlichen Methans. 2014 war die Landwirtschaft der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen in Deutschland.
Fleischproduktion auf Rekordhoch
Deutschland ist das "Schlachthaus Europas": Fast 30 Millionen Schweine, 1,7 Millionen Rinder und 325 Millionen Hühner wurden allein im ersten Halbjahr 2015 hierzulande getötet. Um den Hunger nach billigem Fleisch zu stillen, werden viele Tiere auf engstem Raum gemästet. Damit sie sich nicht gegenseitig verletzen, werden Schweinen die Ringelschwänze und Hühnern die Schnabelspitzen abgeschnitten.
EU-Subventionen für Großbetriebe
Bis vor wenigen Jahren wurden EU-Subventionen nach dem Gießkannenprinzip verteilt: Je größer der Betrieb, desto mehr Geld gab es. Kleinere Produzenten waren dadurch oft nicht mehr wettbewerbsfähig. Im Jahr 2014 gab es laut DBV in Deutschland rund 280.000 landwirtschaftliche Betriebe, die im Schnitt jeweils knapp 60 Hektar Land bewirtschafteten - das entspricht 84 Fußballfeldern.
Mehr Ökolandbau wagen
2014 reformierte die EU ihre Agrarstrategie: Mit den Subventionen soll nun auch verstärkt ökologisches Wirtschaften belohnt werden. Die biologische Landwirtschaft verzichtet auf den Einsatz von synthetischen Pflanzenschutzmitteln, Mineraldünger und Gentechnik. Tieren wird ausreichend Auslauf gewährt.
Bio bleibt in Deutschland Nische
In Deutschland wuchs die Zahl der Biohöfe in den vergangenen zehn Jahren um rund ein Drittel. Dennoch werden hierzulande nur knapp mehr als sechs Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für den Ökolandbau genutzt - in Österreich sind es rund 20 Prozent.