Deutsche Politik streitet um den Atomausstieg
17. März 2011Das Thema Atomenergie in Deutschland sorgt angesichts der Katastrophe in Japan für hitzige Debatten, auch im Bundestag, wo Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag (17.03.2011) eine Regierungserklärung zur Atompolitik abgab. Dort verteidigte sie die zumindest vorläufige Abschaltung der sieben ältesten Atomkraftwerke: "Was wir brauchen, ist ein Ausstieg mit Augenmaß", sagte die Kanzlerin. Einen sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft lehnte sie ab, denn: "Wir wissen, wie sicher unsere Kernkraftwerke sind." Die Kernkraftwerke in Deutschland gehörten zu den weltweit sichersten, zeigte sich die CDU-Politikerin überzeugt.
Atomkraft plus erneuerbare Energien
Es sei nicht sinnvoll, in Deutschland die Kernkraftwerke abzuschalten und dann den Strom von anderen Ländern zu beziehen. Ein Industrieland wie Deutschland könne nicht sofort auf Kernkraft verzichten. Deshalb plädierte sie für eine Beibehaltung von Atomkraft als Brückentechnologie, parallel zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Regierung werde dafür einen klaren Zeitplan vorlegen, so die Kanzlerin.
Allerdings betonte sie, die Lage werde nach dem von ihr verkündeten dreimonatigen Moratorium der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung eine andere sein als heute. "Alles kommt auf den Prüfstand", kündigte sie an. Möglicherweise würden Anlagen schneller vom Netz genommen. Die Koalition kehre aber nicht zu dem von Rot-Grün beschlossenen stufenweisen Ausstieg bis 2022 zurück. Deren Gesetz sei "nicht tragfähig".
Kumpanei mit der Atomwirtschaft
Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Moratoriums wies die Kanzlerin zurück. Das Atomgesetz sehe "genau das vor", sagte sie. Es decke die vorübergehende Stilllegung von Anlagen ab, damit sich die Behörden in einer neuen Lage, wie sie durch Japan gegeben sei, Klarheit verschaffen können.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Merkel Kumpanei mit der Atomwirtschaft vor. Die im vergangenen Jahr beschlossene Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke sei "mit den Herren der Atomwirtschaft im Hinterzimmer dingfest gemacht" worden, sagte er. Ohne Merkels "Kumpanei mit der Atomwirtschaft" wären alte Meiler wie Biblis A oder Neckarwestheim I schon längst abgeschaltet worden.
Zwei Meiler bereits vom Netz
Die FDP stellte sich in der Debatte hinter ihren Koalitionspartner. Sie will ebenso die Stromerzeugung in Deutschland schneller als geplant auf Ökoenergien umstellen. "Wir wollen das Zeitalter erneuerbarer Energien schneller erreichen", sagte Fraktionschefin Birgit Homburger. Einen sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft lehnte sie ab.
Die Linke forderte im Bundestag, dass die ältesten sieben deutschen Atommeiler und der Reaktor Krümmel sofort und die übrigen per Gesetz endgültig stillgelegt würden. Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte das Handeln der heutigen wie auch der früheren rot-grünen Bundesregierung scharf. Beide hätten mit der Atomlobby gefeilscht.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete einen schnellen Atomausstieg trotz hoher Kosten als notwendig. "Es wird nicht billiger, es kostet mehr", sagte er. "Aber was ist das gegen die Kosten, vor denen heute Japan angesichts dieser Katastrophe steht?" Trittin sprach sich dafür aus, die sieben ältesten Atomkraftwerke und Krümmel endgültig stillzulegen, das Gesetz zur Laufzeitverlängerung zurückzunehmen und den Ausbau erneuerbarer Energie zu beschleunigen.
Von den sieben ältesten deutschen Atomkraftwerken, die vorläufig vom Netz genommen werden, sind zwei bereits abgeschaltet worden. Der Betreiber EnBW hat nach eigenen Angaben die Meiler Neckarwestheim I und Philippsburg I in Baden-Württemberg heruntergefahren.
Autorin: Pia Gram (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Marion Linnenbrink