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So "kriegerisch" drücken wir uns heute noch aus

Dagmar Breitenbach
6. Mai 2020

"Kriegerische" Redensarten kennen alle Sprachen. Im Deutschen sind manche neu, andere jahrhundertealt. Ein Gespräch über mehr oder weniger waffenstarrende Sprüche.

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Belgien Nachstellung der Schlacht von Waterloo
Bild: picture-alliance/Photoshot

DW: Vernagelt sein, im Schilde führen und Flinte ins Korn werfen: Ist die deutsche Sprache eher von Redewendungen aus dem militärischen Bereich geprägt als andere Sprachen?

Rolf-Bernhard Essig: Nein, das Deutsche wandelt in dieser Tradition eine breite und internationale Heerstraße entlang. Das Englische ist allein schon durch die Shakespeare-Dramen voller kriegerischer geflügelter Worte, das Amerikanische starrt vor bewaffneten Redensarten, das Französische hat nicht nur eine blutvolle Nationalhymne, sondern Schwert- und Schießredensarten en masse, das Spanische eine ganze Armada von Armeesprichwörtlichkeiten, und in China gibt es mehr Kampfredewendungen als Tonarmeekrieger, in Indien oder in Arabisch geprägten Staaten steht das Kriegerische auch sprachlich immer Gewehr bei Fuß, und so gilt es auch für Ghana oder den Kongo, Mexiko oder sogar Neuseeland, wo man sagt: "Stirb nicht wie ein Oktopus, stirb wie ein Hammerhai".

DW: Wie landen Sprüche aus dem Soldatenleben denn als gängige Redewendungen in unserer Alltagssprache?

Sie sind im Laufe der Zeit eingesickert. Manche militärischen Redensarten sind 3000 Jahre alt - man denke ans trojanische Pferd. Die Mythologie der Griechen und Römer führte schon zu militärischen Redensarten. Die Bibel auch: Der Kampf David gegen Goliath ist ganz klar ein militärischer Ausdruck. Die großen Auseinandersetzungen, z.B. der Dreißigjährige Krieg, haben uns einen großen Schwung an militärisch begründeten Redensarten gebracht, dann die vielen Auseinandersetzungen um 1800, der deutsch-französische Krieg und natürlich der Erste und der Zweite Weltkrieg.

Rolf-Bernhard Essig
Rolf-Bernhard EssigBild: Privat

Der Einfluss der Kriege auf den Alltag der Menschen war so groß, dass sie Redensarten der Soldaten übernahmen?

Definitiv. Die Truppen zogen über das Land - "Das Land ernährt das Heer" hat ja nicht erst Wallenstein gesagt - insofern waren die Menschen davon betroffen. Männer wurden in den Dienst gepresst, also hatten viele Menschen Erfahrungen mit dem Krieg. Die Literatur tat dann ein Übriges. Man muss nur an den "Simplicissimus" im 17. Jahrhundert denken, aber auch Goethes "Götz von Berlichingen" und den "Faust", an Schillers "Jungfrau von Orleans" und viele weitere Werke.

Gibt es auch Redensarten neueren Datums aus dem militärischen Bereich?

Das ist ganz spannend: Es gibt im Büroalltag den Ausdruck: im "Stealth-Modus" sein. Stealth-Bomber sind Tarnkappenbomber, die Redensart bedeutet, dass sich jemand vor der Arbeit unsichtbar macht und drückt. "Unter dem Radar sein" war ein militärischer Ausdruck, der inzwischen längst ganz zivil heißt "nicht wahrgenommen sein, übersehen worden sein".

Es gibt "Top-Verkäufer", die im englischsprachigen Raum, aber auch bei uns als "Top Gun" bezeichnet werden. Das geht zurück auf den Film von 1986 mit Tom Cruise, aber auch auf das Bomber-Ausbildungsprogramm, abgekürzt Top Gun, das in den USA nach dem Vietnamkrieg entwickelt wurde. Wir sagen auch, ich geh mal auf Autopilot, oder wir sprechen von Blindflug. Im Englischen bedeutet "to drone someone" jemanden töten.

Interessant ist auch, dass es eine Konjunktur von sprichwörtlichen Redensarten gibt. Der Begriff "Alter Schwede" für etwas positiv Überraschendes war praktisch ausgestorben, Ende des 20. Jahrhunderts hat das kaum noch jemand gesagt. Aber seit 10-15 Jahren, seitdem Kinder und Teenager zueinander "Alter" sagen, ist das wieder aufgekommen, die jungen Leute sagen wieder "Alter Schwede", das ist gerade sehr modern. "Alter Schwede" entstand im Nachklang des Dreißigjährigen Krieges, als schwedische Veteranen nicht zurück nach Schweden gingen, sondern Ausbilder der preußischen Armee wurden. Die waren besser ausgebildet und sehr geschätzt. Man nannte sie "alte Schweden".

Begriffe, die wirklich alle Bevölkerungsschichten verwenden und kennen, haben aber eher mit den großen, lang andauernden militärischen Auseinandersetzungen zu tun.

Es geht auch in die andere Richtung, zivile Redensarten wandern ins Militärische. Der Ausdruck "dog fight" war eine Redensart für intensive Hundekämpfe, wurde dann auf Schlägereien, auf das Schlachtfeld und schließlich auf den Luftkampf von Jagdflugzeugen übertragen. Das ist ein ganz natürlicher Prozess.

Das Gespräch führte Dagmar Breitenbach.

Dr. phil. Rolf-Bernhard Essig ist Autor, Ausstellungsmacher, Dozent, Entertainer und lebt in Bamberg. Im Frühjahr 2020 ist sein neuestes Buch im Duden Verlag erschienen: "Hand aufs Herz. Redensarten von Kopf bis Fuß und ihre wunderbaren Geschichten".

Mehr Inhalte über Deutsche und ihre Eigenarten, die deutsche Alltagskultur und Sprache finden Sie auf unserer Seite www.dw.com/meetthegermans_de sowie bei YouTube.