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Politik

Sparpolitik und griechische Alleingänge

16. Dezember 2016

Friedliche Vorweihnachtsstimmung im Kanzleramt beim Empfang von Alexis Tsipras bei Angela Merkel? Eher nicht. Sabine Kinkartz berichtet aus Berlin.

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Deutschland Berlin Angela Merkel und Alexis Tsipras
Bild: Reuters/F. Bensch

Sie sind politische Profis, Bundeskanzlerin Angela Merkel noch viel mehr als der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras. "Business as usual" wollen sie vermitteln, wie sie da vor den Journalisten im Berliner Kanzleramt stehen. Bemühtes Lächeln, Händedruck vor den Fahnenstangen mit der deutschen, der griechischen und der europäischen Flagge, bewusstes Betonen der guten und engen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland.

Trotzdem liegt Unmut liegt in der Luft und ein gewisses Aufbegehren, das die Kanzlerin allerdings diplomatisch verklausuliert. "Es gibt Sachverhalte, die uns verbinden und welche, wo wir noch gemeinsam zu arbeiten haben", sagt Angela Merkel. Alexis Tsipras wird deutlicher. "Griechenland soll nicht mehr Teil der Krise sein, sondern Teil der Lösung", sagt der Chef der linken Syriza-Partei und fügt hinzu, das solle sowohl für die europäische Volkswirtschaft als auch für die geopolitische Stabilität in der Region gelten.

Deutschland Berlin Angela Merkel und Alexis Tsipras
Lächeln für die Kameras: Alexis Tsipras und Angela MerkelBild: Reuters/F. Bensch

Weihnachtsgeld für griechische Rentner

Es ist ein ungewohnt selbstbewusster Alexis Tsipras, der an diesem Freitag in Berlin auftritt. Eineinhalb Jahre liegt das Referendum der Griechen über das Reform- und Sparprogramm der EU-Gläubiger inzwischen zurück. Mit "Oxi", also "Nein", hatte die Mehrheit im Juli 2015 gestimmt. Trotzdem schwenkte Alexis Tsipras auf den Kurs der Geldgeber ein und beugte sich den Auflagen des Euro-Stabilisierungsfonds ESM, der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Aus dem einstigen Rebell wurde ein scheinbar einsichtiger, ja handzahmer griechischer Regierungschef.

Die Mehrheit seiner Wähler hat Alexis Tsipras damit verprellt. Würde jetzt gewählt, die Syriza würde wohl keine Mehrheit mehr bekommen. Ob es daran liegt, dass Tsipras jetzt eine Kehrtwende vollziehen will? Zum Jahresende will die griechische Regierung an Rentner mit niedrigen Pensionen einmalig insgesamt 617 Millionen Euro Weihnachtsgeld auszahlen. Zudem soll die geplante Mehrwertsteuererhöhung für jene Inseln in der Ägäis ausgesetzt werden, die die vielen Flüchtlinge versorgen müssen. "Die Inseln müssen trotz der wirtschaftlichen Krise eine große Last tragen, die eigentlich auch eine gesamteuropäische ist", argumentiert Tsipras.

Griechenland auf gutem Weg?

Die Zahlungen an die Rentner begründet der griechische Premier mit der "positiven Entwicklung der griechischen Volkswirtschaft". Es gebe "beeindruckende Überschüsse" im Haushalt, "die die Ziele übertreffen", so Tsipras. Die Prognosen für die Volkswirtschaft seien "äußerst positiv". Für 2017 würden 2,7 Prozent Wachstum erwartet, für 2018 sogar 3,1 Prozent. "Unsere Erwartung ist, dass dieses Wachstum nicht nur statistisch ist, sondern dass die Wunden der Krise geheilt werden können und jenen geholfen wird, die enorme Opfer im Namen Europas und der europäischen Stabilität gebracht haben."

Athen will Weihnachtsgeld für Rentner

Eine Argumentation, der die EU-Gläubiger nicht uneingeschränkt folgen wollen. Vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hat große Vorbehalte. Griechenland hängt seit 2010 am Finanztropf der Euro-Länder. Das derzeit aktuelle dritte Hilfsprogramm läuft bis 2018 und stellt im Gegenzug für Reformen 86 Milliarden Euro in Aussicht. Im Mai hatte Schäuble zusammen mit den übrigen Finanzministern der Währungsunion grundsätzlich vereinbart, Athen kurzfristig mit 45 Milliarden Euro beim Schuldendienst zu entlasten. Eigentlich sollte über weitergehende Schuldenerleichterungen erst nach Ende des Kreditprogramms ab Mitte 2018 gesprochen werden. Doch der IWF macht Schuldenerleichterungen zur Bedingung für seine weitere Teilnahme am Hilfsprogramm.

Eiszeit in der Euro-Gruppe

Anfang Dezember wurden die Schuldenerleichterungen auch formal in Kraft gesetzt. Doch dann gab Alexis Tsipras seine Pläne für das Weihnachtsgeld bekannt. Umgehend legten die EU-Finanzminister daraufhin die Schuldenerleichterungen auf Eis. Aus dem Bundesfinanzministerium hieß es, die Institutionen seien um eine Bewertung gebeten worden, "ob die aktuell beschlossenen Maßnahmen der griechischen Regierung mit den Verpflichtungen aus dem Programm vereinbar" seien. "Es ist so, dass das Hilfsprogramm für Griechenland nur dann erfolgreich sein kann, wenn sich alle Beteiligten an die Verabredungen halten", so eine Sprecherin des Ministeriums.

Finanzminister Schäuble zeigt mit dem Finger
Finanzminister Schäuble meint, dass Schuldenerleichterungen den Reformwillen erlahmen lassenBild: picture-alliance/AP Photo/M. Sohn

Während man im Bundesfinanzministerium alleine auf das Geld schaut, hat die Bundeskanzlerin auch die Politik im Blick. In den vier Wochen zwischen der Schließung der sogenannten Balkan-Route und dem Inkraftsetzen des EU-Türkei-Abkommens seien rund 50.000 Flüchtlinge nach Griechenland gekommen. "Auf Deutschland bezogen wären das in vier Wochen hochgerechnet 400.000 Menschen gewesen", so Merkel. Griechenland dürfe mit dem Flüchtlingsproblem nicht allein gelassen werden. "Wir beide werben immer wieder, dass wir zu einer fairen Verteilung der Flüchtlinge in der EU kommen müssen und wir haben die gleichen Intentionen und Ziele wenn es um die Ausarbeitung eines neuen europäischen Asylsystems geht."

Sollen die Euro-Länder mal machen

Aus dem griechischen Schuldenstreit will sich die Bundeskanzlerin indes so weit wie möglich heraushalten. Man werde über die Wirtschafts- und Finanzlage in Griechenland sicher diskutieren, auch darüber, wie der griechische Premierminister die Situation einschätze, sagt die Kanzlerin. "Allerdings will ich sagen, dass hier nicht der Ort ist, wo Entscheidungen gefällt werden, das ist mit den drei Institutionen und der Eurogruppe in guten Händen."