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Geheimdienste helfen sich

Diana Peßler8. Juli 2013

Neues vom Whistleblower: In einem Interview berichtet Edward Snowden von der engen Zusammenarbeit der deutschen und amerikanischen Geheimdienste. Die Kooperation hat eine lange Tradition.

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Silhouette eines Turms mit Satellitenanlagen (Foto: Joe Gough/Fotolia.com)
Bild: Joe Gough - Fotolia.com

Er hat wieder ausgepackt. "Die stecken unter einer Decke mit den Deutschen", sagt Whistleblower Edward Snowden über den US-amerikanischen Geheimdienst NSA in einem Interview, das das Nachrichtenmagazin "Spiegel" am Montag (08.07.2013) veröffentlicht hat. Mit "den Deutschen" meint Snowden die deutschen Geheimdienste. Diese hatten sich in der vergangenen Woche noch ahnungslos gegeben: Alle drei Geheimdienst-Präsidenten erklärten bei einem Treffen des Parlamentarischen Kontrollgremiums einstimmig, sie hätten vom US-Spionageprogramm "Prism" nichts gewusst.

Der Vorsitzende dieses Kontrollgremiums, der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Oppermann, bleibt allerdings skeptisch. 500 Millionen Telefonate, Kurznachrichten und E-Mails soll die NSA allein in Deutschland jeden Monat überwachen. "Dass niemand etwas davon gewusst haben will, kann ich mir ehrlich gesagt immer noch nicht erklären", sagt Oppermann im Interview mit der Deutschen Welle. "Auf jeden Fall ist die geheimdienstliche Überwachungstätigkeit der USA völlig außer Kontrolle geraten."

Thomas Oppermann (Foto: dapd)
Thomas OppermannBild: dapd

Auf Kooperationen angewiesen

Der Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom glaubt nicht nur, dass die deutschen Behörden von der Datensammelwut der Amerikaner gewusst haben müssen. Er kann sich darüber hinaus gut vorstellen, dass die deutschen Geheimdienste von den Abhörprogrammen sogar profitiert haben. "Bei der Abwehr des internationalen Terrorismus ganz bestimmt. Da arbeiten die technischen Aufklärungsbehörden der NATO-Staaten sehr eng zusammen, auch erfolgreich. Und daraus zieht der BND natürlich einen großen Nutzen, und das ist ein Grund dafür, warum man die Verletzungen [der Grundrechte, Anm. der Redaktion] des Partnerdienstes nicht an die Öffentlichkeit bringt", erklärte der Publizist vor Kurzem im Interview mit dem "Deutschlandfunk".

Auch sonst ist der Tenor von Nachrichtendienstmitarbeitern und anderen Geheimdienstexperten in der aktuellen Berichterstattung eindeutig: Die deutschen Behörden sind stark auf Kooperationen angewiesen, da sie weder über die finanziellen und personellen Ressourcen noch über die weitreichenden Befugnisse anderer Geheimdienste verfügen.

Erich Schmidt-Eenboom (Foto: imago stock & people)
Erich Schmidt-EenboomBild: imago stock&people

Konkret tauschten die Geheimdienste sogenannte "finished intelligence" aus, fertig zusammengefasste Studien, die sich aus dem geheimdienstlichen "Rohmaterial" ergäben, so Schmidt-Eenboom. Ein Sonderfall seien Terror-Frühwarnungen. "Wenn die NSA eine akute Bedrohung erkennt, dann geht das sofort als Eilmeldung an die entsprechenden deutschen Behörden und an das Bundeskanzleramt." Ein bekanntes Beispiel eines solchen Austausches befreundeter Geheimdienste ist der Fall der sogenannten "Sauerland-Gruppe". Deutschland hatte von den Anschlagsplänen der Gruppe erst durch den amerikanischen Geheimdienst erfahren, der die Pläne aus dem Internet gefischt hatte.

Lange Geschichte der Zusammenarbeit

Eine Geheimdienst-Akte "Top Secret vertraulich (Foto: imago/INSADCO)
Geheimdienste tauschen häufig Informationen ausBild: imago/INSADCO

Aber wie läuft die Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und deutschen Behörden sonst ab? Fest steht: Sie ist intensiver geworden, nachdem die Terroranschläge vom 11. September die Welt erschütterten. Bereits im Oktober 2001 einigten sich sämtliche NATO-Staaten - also auch Deutschland - darauf, die Kooperation ihrer Geheimdienste auszuweiten. Teile dieses Beschlusses unterliegen allerdings bis heute der Geheimhaltung.

Konkret in Deutschland gebe es darüber hinaus eine lange Geschichte mit amerikanischen Geheimdiensten, sagt Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom: "Bis 1968 hatten die Alliierten in Deutschland Vorbehaltrechte, die es Ihnen erlaubt haben, weitflächig abzuhören." Und laut dem Historiker Joseph Foschepoth, Autor der Studie "Überwachtes Deutschland", besteht dieses Recht der Alliierten faktisch weiter. 1968 habe die Bundesregierung eine geheime Vereinbarung abgeschlossen, die es US-Geheimdiensten nach wie vor erlaube, in Deutschland Überwachungsmaßnahmen durchzuführen.

Edward Snowden berichtet von einer eigenen Unterabteilung der NSA, dem "Foreign Affairs Directorate", die für die Kooperation mit anderen Ländern zuständig sei. Die Zusammenarbeit werde so organisiert, dass die Behörden ihr politisches Führungspersonal vor einem "Backlash" schützten. Das würde bedeuten, dass die Regierungen in diese Kooperation nur eingeschränkt oder gar nicht eingeweiht werden.

Klärung in Washington?

Aktuell berichtet der "Spiegel" von einer anderen Form der Zusammenarbeit: Die NSA habe dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND Programme zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe ausländische Datenströme ausgewertet werden können. Eine solche Zusammenarbeit bestätigte der Präsident des BND offenbar vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium, dessen Aufgabe es ist, die Arbeit der deutschen Geheimdienste zu kontrollieren. Doch der Vorsitzende Oppermann will sich mit den bisher gewonnenen Informationshäppchen nicht zufrieden geben, weder was die Arbeit des deutschen noch des amerikanischen Geheimdienstes anbelangt: "Wir wollen jetzt endlich wissen, ob das stimmt, was Snowden gesagt hat. Es kann doch nicht richtig sein, dass Snowden die alleinige Deutungshoheit wochenlang über das ganze Geschehen hat und wir keinen Faktencheck mit den Amerikanern machen können."

Edward Snowden (Foto: Reuters)
Der "Whistleblower" Edward SnowdenBild: Reuters

In den nächsten Tagen sind Spitzenbeamte von Regierung und Nachrichtendiensten und auch Innenminister Hans-Peter Friedrich zu Gesprächen in Washington. Sie wollen klären, was an den Vorwürfen gegen die NSA dran ist.