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Städten fehlen Unterkünfte

Wolfgang Dick16. August 2014

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl hat die Bundesregierung aufgefordert, ein Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge aus dem Irak vorzubereiten. Das wäre ein Problem für viele Kommunen.

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Flüchtlingsunterkunft Oderland Kaserne in Frankfurt/Oder - Foto: Oliver Mehlis (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Schon heute sind viele Städte am Rande ihrer Möglichkeiten angekommen. In der Hafenstadt Hamburg gibt es deshalb jetzt den Vorschlag, ausgemusterte Kreuzfahrtschiffe zu nutzen, um tausende der bisherigen Flüchtlinge unterzubringen. Der Grund: Die Zahl der benötigten Plätze für Erstaufnahmeeinrichtungen hat sich in den vergangenen Jahren verdreifacht.

In vielen deutschen Städten müssen schon ehemalige Schulen, Turnhallen oder Gebäude von kommunalen Baugesellschaften genutzt werden, um Flüchtlinge beherbergen zu können. In Berlin stehen Notbetten sogar in einem ehemaligen Seniorenheim. In Karlsruhe sollen laut Medienberichten Flüchtlinge zeitweise auf Fluren gelebt haben.

Köln hat für über 800 Menschen Hotelräume angemietet, um die gestiegenen Zahlen von Asylbewerbern zu bewältigen. Bis zum Jahr 2015 müssen 2000 zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten in der nordrhein-westfälischen Metropole geschaffen werden, besagt eine Bedarfsanalyse für die Kölner Stadtverwaltung. Das sei kaum zu schaffen, heißt es im Wohnungsamt. Ähnlich geht es anderen Städten, die zur Flüchtlingsaufnahme verpflichtet sind.

Den ohnehin hoch verschuldeten Kommunen fehlen Geld und Platz. Und nun steht in Aussicht, dass Deutschland zusätzliche Flüchtlinge aufnimmt: Menschen, die dem Terror der IS-Miliz im Nordirak entkommen möchten. Die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden wissen noch nicht, wie sie auf ein solches zusätzliches Flüchtlings-Kontingent reagieren sollen.

Container-Flüchtlingsunterkunft in Hamburg - Foto: Bodo Marks (dpa)
Flüchtlingsunterkunft in Hamburg: Leben in ContainernBild: picture-alliance/dpa

"Vor allem in den Ballungsgebieten ist es besonders schwierig", sagt Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer der Hilfsorganisation Pro Asyl. Leider würden in vielen Städten jetzt einfach Wohncontainer neben- und übereinandergestapelt, um die Nachfrage nach Wohnraum zu bewältigen. "Das mag im Sommer helfen, ist aber für eine Dauerunterbringung nicht geeignet", sagt Mesovic. Er rechnet mit einem enormen Anstieg von Flüchtlingen in Deutschland. "Was im Irak und Syrien geschieht, ist nicht nur ein Problem der südeuropäischen Länder." Man müsse jetzt in Deutschland mit den Vorbereitungen für die Aufnahme zusätzlicher Irak-Flüchtlinge beginnen.

Ursachen des Dilemmas

In Deutschland bekommen Städte und Gemeinden von den Landesregierungen Flüchtlinge zugeteilt. Wegen des föderalen Systems gibt es in jedem Bundesland andere Bestimmungen für Flüchtlinge. Die Lage ist unübersichtlich. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge koordiniert lediglich und gibt mit den Zahlen der Asylanträge eine erste Orientierung für Planungen vor Ort.

Doch zwischen akuten Krisen in bestimmten Weltregionen und den darauf folgenden Fluchtbewegungen vergehen oft Monate. Das erschwert Planungen. Im Falle des Bürgerkriegs in Syrien kamen zunächst im Jahr 2011 nur 2600 Flüchtlinge nach Deutschland. Im Jahr 2012 waren es aber schon deutlich mehr als 6000.

Das Hauptproblem ist derzeit, dass viele Städte einst vorhandene Aufnahme-Kapazitäten aus Zeiten des Jugoslawienkriegs inzwischen wieder abgebaut haben, um zu sparen. Die Statistik gab ihnen vermeintlich recht. Stellten 1995 noch fast 130.000 Flüchtlinge einen Erstantrag auf Asyl in Deutschland, waren es im Jahr 2006 nur noch 20.000. Mit einem erneuten Anstieg der Schutzsuchenden hatte offenbar niemand wirklich gerechnet. Doch 2013 stellten wieder rund 110.000 Flüchtlinge einen Asylantrag. Für 2014 rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit einem weiteren Anstieg um 30.000.

Letzte Hoffnungen

Die Unterbringung von Flüchtlingen als humanitäre Maßnahme gilt in vielen Städten und Gemeinden als großes, wichtiges Thema. Asylsuchende können das Recht auf Unterbringung sogar einklagen. Um Unterkünfte bezahlen zu können, werden daher immer wieder andere, freiwillige Leistungen der Städte - zum Beispiel Kulturausgaben - zurückgestellt, so ist es Protokollen von Haushaltsdebatten in den Kommunen zu entnehmen.

Pro-Asyl-Geschäftsführer Bernd Mesovic - Foto: Pro Asyl
Pro-Asyl-Geschäftsführer Mesovic: "In Ballungsgebieten ist es besonders schwierig"Bild: Pro Asyl

Ein Versuch, das Problem zu lösen: Flüchtlinge sollen verstärkt in Projekten des sozialen Wohnungsbaus unterkommen. Anstrengungen dazu lassen sich aber nicht kurzfristig umsetzen. Das Ziel aber stimme, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl: "Gesonderte Flüchtlingsunterbringung hat nie gut getan." Auch auf Landesebene wird reagiert. Baden-Württemberg will zusätzliche 122 Millionen Euro für Unterkünfte bereitstellen. Aber bis dieses Geld in Wohnraum umgesetzt ist, vergeht viel Zeit.

Eine weitere Schwierigkeit: Wenn neue Flüchtlingsheime errichtet werden, kommt es im Vorfeld immer wieder zu Einwänden von Bürgern und damit zu weiteren Verzögerungen. Aber das sei keine nennenswerte Ursache für den Engpass bei den Unterkünften, heißt es im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die Unterstützung in der Bevölkerung wachse. So haben sich in etlichen Städten und Gemeinden Bürger zusammengetan, die den Menschen helfen wollen. In Hannover gründete sich ein "Unterstützerkreis für Flüchtlingsunterkünfte", der auch versucht, Privatwohnungen aufzutreiben, um Schutzsuchenden ein neues Zuhause bieten zu können.

Auch die Rahmenbedingungen werden verbessert. So setzt sich beispielsweise das Landesministerium für Arbeit und Soziales in Brandenburg dafür ein, dass besonders Schutzbedürftige, Traumatisierte oder Alleinerziehende mit Kind nicht in Sammelunterkünften, sondern schneller dezentral untergebracht werden. Das Grundproblem bleibt dennoch. Es fehlen mancherorts bis zu 30 Prozent der benötigten Unterbringungsmöglichkeiten. Entsprechend beengt geht es in den verbleibenden Flüchtlingsheimen zu. Bernd Mesovic von Pro Asyl plädiert deshalb für eine europaweite Flüchtlingskonferenz: "Historisch geboten wäre jetzt die Aufnahme von Flüchtlingen im großen Stil."