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Meinung

13. Januar 2011

Deutschlands Wirtschaft ist so stark gewachsen wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr. Dennoch sind die guten Zahlen kein Grund für Euphorie.

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Bild: DW

So schnell ändern sich die Zeiten: Um beinahe fünf Prozent war die deutsche Wirtschaft im Krisenjahr 2009 geschrumpft – stärker als alle anderen Volkswirtschaften in Europa, selbst die der USA war nicht so heftig von der Krise erwischt worden. Es war der Preis einer extrem stark vom Export abhängigen Volkswirtschaft. Die Prognosen für das Jahr 2010 waren ähnlich düster. Doch dann kam das, was heute so mancher als neues deutsches Wirtschaftswunder bezeichnet: Die Konjunktur erholte sich vom Frühjahr an, erst zaghaft, dann immer stärker. Am Ende steht ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt – also der Summe aller Waren und Dienstleistungen – von 3,6 Prozent. Das klingt nach viel, und es ist auch wirklich viel: Denn so stark ist die Volkswirtschaft dieses Landes seit der Wiedervereinigung nicht mehr gewachsen – und das ist nun immerhin schon zwei Jahrzehnte her.

Die Kauflust ist zurück

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Henrik Böhme, DW-WirtschaftsredaktionBild: DW

Das Überraschendste an diesem Aufschwung: Es ist nicht mehr nur die Exportwirtschaft, die für das Comeback von "good old germany" verantwortlich ist. Es ist auch die Binnennachfrage, die in wachsendem Maße dazu beiträgt: Also Investitionen einheimischer Firmen und die wieder erwachte Kauflust der Deutschen. Dabei gelten wir Deutschen im Ausland in der Regel als sparwütig und übervorsichtig, was das Geldausgeben angeht. Für die starke Exportorientierung und daraus resultierende Überschüsse in der Handelsbilanz wurde Deutschland im vergangenen Jahr heftig gescholten: Kritik kam vor allem aus Frankreich und den USA. Derartige Ungleichgewichte würden eine Erholung der Weltwirtschaft gefährden und anderen Volkswirtschaften die Luft zum Atmen nehmen. Jetzt, mit dem nachweisbar zunehmenden Binnenkonsum, sind derartige Vorwürfe verstummt.

USA und China mit im Ring

Nun also hat sich Deutschland zur Konjunkturlokomotive Europas aufgeschwungen. Vom kranken Mann Europas zur Nummer Eins in nur einem Jahrzehnt: Das ist in der Tat ein bemerkenswerter Erfolg. Überheblichkeit allerdings ist fehlt am Platze, erst Recht mit dem Blick nach China und in die USA. Zum einen sind es sogenannte Aufholeffekte, die nach dem massiven Einbruch zum Wachstum beigetragen haben. Viele Unternehmen hatten während der Krise ihre Lagervorräte abgebaut und müssen nun wieder auffüllen. Und noch hat die deutsche Wirtschaft nicht das Niveau von vor der Krise erreicht, das wird wohl erst in den kommenden Wochen passieren. Die USA hingegen sind da schon angekommen, auch wenn es derzeit scheinbar anders aussieht. Die hohe Arbeitslosigkeit wird gerne als Beispiel angeführt. Doch sie ist Teil der Rosskur, die die noch immer größte Volkswirtschaft der Welt derzeit durchmacht. Wer die Amerikaner vorzeitig abschreibt, der könnte eine Wette verlieren. Dazu die Chinesen: Das könnte ein spannender Dreikampf werden.

Fehler nicht wiederholen

Deutschland wird sich anstrengen müssen: Das gern zitierte Alleinstellungsmerkmal der Deutschen - der industrielle Kern - garantiert nicht den Sieg in diesem Rennen. Man schaue sich allein das jüngste Ranking von Weltfirmen an: Die Top Ten in Sachen Unternehmenswert wird von Firmen aus den USA und China dominiert. Apple allein ist soviel wert wie Siemens, Daimler und Volkswagen zusammen. Viele Unternehmen wachsen stärker, setzen mehr um und sind profitabler als die deutsche Konkurrenz. Aber genau diese Konkurrenz belebt ja das Geschäft. Es kann gut sein, dass Deutschland weiter gut im Rennen bleibt, wenn es die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt. Zu hohe Lohnabschlüsse etwa. Es gilt noch immer der Spruch: Wir Deutschen müssen um das besser sein, um was wir teurer sind.

Autor: Henrik Böhme
Redaktion: Rolf Wenkel