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"Deutschland als Vorbild für koreanischen Mittelstand"

Esther Felden9. Oktober 2015

Bei seinem Besuch in Südkorea wird Bundespräsident Gauck begleitet von einer Wirtschaftsdelegation. Die Geschäftsführerin der Auslandshandelskammer in Seoul erklärt, wie es um den Handel zwischen beiden Ländern steht.

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Autos verschiedener deutscher Marken stehen am Hafen, um nach Südkorea verschifft zu werden (Foto: picture-alliance/dpa/I. Wagner)
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Deutsche Welle: Wie wichtig sind Deutschland und Südkorea jeweils für den anderen als Handelspartner?

Barbara Zollmann: Südkorea ist in diesem Jahr auf Platz zwei der Abnehmer deutscher Waren in Asien aufgerückt. Trotz verlangsamenden Wirtschaftswachstums ist Korea damit der wichtigste Abnehmer deutscher Waren in Asien, noch vor dem wirtschaftlich größeren Japan und direkt hinter China. Umgekehrt ist Deutschland für Korea mit Abstand der bedeutendste Handelspartner in Europa.

Wie hoch ist das bilaterale Handelsvolumen?

Seit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südkorea 2011 profitieren beide Länder vom zollfreien Warenhandel. 2014 sind die deutschen Exporte nach Korea um 10,1% auf 21,3 Milliarden US-Dollar gestiegen. Im gleichen Zeitraum wurden koreanische Waren im Wert von etwa 7,6 Milliarden US-Dollar nach Deutschland eingeführt.

In welchen Branchen tut sich besonders viel und warum?

In den letzten Jahren hat sich vor allem in der Automobilbranche viel getan. Der Import deutscher Autos hatte regelmäßig zweistellige Wachstumszahlen vorzuweisen. Im Jahr 2014 wurden mehr als 140.000 deutsche Autos nach Korea importiert. Mittlerweile machen deutsche Autos fast 80% der importierten Oberklasse-Modelle in Korea aus. Da kommt der aktuelle Skandal um manipulierte Abgaswerte zu einem schlechten Zeitpunkt.

Barbara Zollmann von der AHK in Seoul (Foto: AHK Seoul)
Barbara Zollmann ist Geschäftsführerin der AHK in SeoulBild: AHK

Im Maschinenbau wurden im ersten Halbjahr 2015 Waren im Wert von 1,6 Milliarden Euro nach Korea exportiert. Dies entspricht einer Veränderung von 4,4% gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum.

Auch in anderen Sektoren haben deutsche Produkte in den letzten Jahren sehr gut abgeschnitten. So haben zum Beispiel im September 2014 die Branchen Medizintechnik und Pharmazeutik 22,4% und chemische Erzeugnisse 13,3% im Vergleich zum Vorjahrszeitraum zulegen können.

Wie viele deutsche Firmen oder Firmen mit deutscher Beteiligung sind derzeit in Südkorea vertreten?

Zurzeit sind etwa 450 deutsche Firmen oder Firmen mit deutscher Beteiligung in Südkorea tätig.

Wie viele kommen pro Jahr dazu?

Es interessieren sich weiterhin regelmäßig deutsche Firmen für den koreanischen Markt, insbesondere Nischenanbieter. Auch gibt es noch Sektoren zu erschließen, die bisher noch nicht so stark waren, wie im Bereich der erneuerbaren Energien.

Was reizt deutsche Unternehmer konkret am Standort Südkorea?

Für deutsche Unternehmer ist Südkorea aus mehreren Gründen ein interessanter Markt. Der Markt ist sehr aufgeschlossen gegenüber innovativen Technologien und Trends und nimmt diese schnell auf. Hinzu kommt, dass das vorherrschende positive Deutschlandbild mit der hohen Wertschätzung von Qualität, Luxus und Markenprodukten für deutsche Unternehmen sehr gute Absatzmöglichkeiten bietet.

Aber nicht nur die gestiegene Kaufkraft der koreanischen Bevölkerung spielt deutschen Unternehmen zu. Mit der zunehmenden Experimentierfreude der Verbraucher stieg auch die Nachfrage nach deutschen Lebensmitteln und Getränken in einem Markt, der früher als weniger profitabel galt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Korea von Germany Trade and Invest (GTAI) zu einem der "Top-Exportmärkte" 2014 gekürt wurde.

Wie viele südkoreanische Unternehmen gibt es auf der anderen Seite in Deutschland?

Laut staatlichen koreanischer Stellen gibt es derzeit 155 koreanische Unternehmen in Deutschland. Auch hier ist das Potenzial lange noch nicht ausgeschöpft, da sich künftig zunehmend auch koreanische Mittelständler für den Aufbau eines Standbeines in Europa und Deutschland interessieren werden.

Wie unterschiedlich sind die Wirtschaftsmodelle beider Länder? Was kann man gegenseitig voneinander lernen?

In den 70er und 80er Jahren stellte der damalige Präsident Park Chung Hee, Vater der heutigen Präsidentin Park Geun Hye, Fünfjahrespläne für die wirtschaftliche Entwicklung auf. Durch staatliche Förderungen und Zielvorgaben entstanden so Großkonzerne wie Samsung, Hyundai oder LG, die sich heute zu führenden, global agierenden Unternehmen entwickelt haben. Doch der Wandel von einem armen agrarisch geprägten Land zu einer modernen Industrienation verlief nicht ohne Probleme und Widersprüche, die heute eine Veränderung des Wirtschaftsmodells nötig machen.

Die amtierende Regierung unter Präsidentin Park versucht unter dem Leitmotiv "Creative Economy" (Kreative Wirtschaft), den Prozess der Veränderung der koreanischen Wirtschaftsstruktur einzuleiten und verstärkt kleine und mittlere Unternehmen aufzubauen.

Deutschland ist hierbei wegen seines innovativen und starken Mittelstands Vorbild. Und die Erfolgsfaktoren des starken Mittelstands in Deutschland dienen vielfach als Blaupause. Teil des Regierungsprogrammes ist daher auch eine verstärkte Förderung der Exportanstrengungen kleiner und mittlerer koreanischer Unternehmen, wie sie für deutsche Unternehmen etwa durch die Arbeit der Auslandshandelskammern (AHK) sowie anderer Institutionen geleistet wird. Darüber hinaus hat die Regierung - auch unter dem Druck der steigenden Jugendarbeitslosigkeit trotz oder wegen der hohen Akademikerquote in Korea - das Thema Ausbildung stärker in den Fokus genommen. Auch hier gibt es natürlich wieder eine Verbindung zur deutschen Wirtschaft.

Die Südkoreaner werden auch als "Preußen Asiens" bezeichnet. Welche Eigenschaften schätzen Koreaner besonders an deutschen Unternehmern? Und in welchen Punkten gibt es auch Verständigungsschwierigkeiten aufgrund der kulturellen Unterschiede?

Koreaner schätzen an deutschen Unternehmen die Zuverlässigkeit und Qualität ihrer Produkte. Auch wenn Konkurrenten aus anderen Ländern mit einem niedrigeren Preis locken, greifen viele Koreaner zu deutschen Produkten, da sie Vertrauen in "Made in Germany" empfinden. Um langfristig Erfolg zu haben, müssen deutsche Firmen dazu aber auch einen leistungsfähigen Service garantieren.

Weiterhin sollten sich die deutschen Firmen auf die koreanische "Palli-Palli"-Kultur (auf Deutsch etwa "dalli dalli") einstellen. So kommen oftmals sehr kurzfristig Geschäfts- oder Service-Anfragen auf Firmen zu, deren zeitige und erfolgreiche Beantwortung für die Erteilung von Folgeaufträgen sehr wichtig sein kann. Schnelligkeit ist dann wichtiger als Vollständigkeit oder Perfektion - eine schwierige Sache aus deutscher Perspektive.

Barbara Zollmann ist Geschäftführerin der Auslandshandelskammer (AHK) in Seoul.