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Deutschland: Very British

Annika Zeitler14. Oktober 2014

Die Briten gratulieren zu 25 Jahren Mauerfall. Mit "Germany: Memories of a Nation" zeigt das British Museum in London ein versöhnliches Deutschlandbild: Kunst und Kultur statt Blitzkrieg und Alter Fritz.

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Plakat 'Wir sind das Volk' (Foto: Deutsches Historisches Museum
Bild: Deutsches Historisches Museum

Das Deutschlandbild der Briten ist bekanntlich nicht das Beste. Meistens wird das Feindbild aus der Vergangenheit beschworen: Panzer, Sturmgewehre oder Pickelhauben tauchen vor allem in den britischen Boulevardmedien immer wieder auf. Die Ausstellung im British Museum umgeht bewusst solche Stereotypen und zitiert viel Positives aus 600 Jahren deutscher Geschichte. Sie beginnt mit einer schwarz-rot-goldenen Landkarte eines vereinten Deutschlands. Darauf steht in großen Buchstaben: "Wir sind ein Volk". 1989 haben Menschen dieses Plakat in Ost-Berlin bei einer Demonstration hochgehalten. "Eine deutsche Flagge mit Symbolkraft. Es ist nicht irgendeine deutsche Flagge, sondern eine mit einer besonderen Botschaft", sagt Barrie Cook, Kurator der Ausstellung "Germany: Memories of a Nation".

Das Plakat ist eine Leihgabe des Deutschen Historischen Museums in Berlin. "Wir haben die deutsche Einheit als Einstieg in die Ausstellung gewählt, weil sich daran noch viele erinnern können, auch viele Briten verbinden damit noch etwas. Denn auch sie haben dieses Stück deutsche Geschichte miterlebt", so Cook.

Porzellannashorn (Foto: Herbert Jaeger)
Ausstellungsstück: Porzellannashorn nach DürerBild: Staatliche Kunstsammlungen Dresden/Herbert Jaeger Nashorn/Ausschnitt

Mission: Deutschlandbild der Briten ändern

"Der Ausgangspunkt ist, dass die meisten Briten von der deutschen Geschichte nur zwölf Jahre kennen, die zwölf schwarzen Jahre sozusagen", sagt Museumsdirektor Neil MacGregor im DW-Interview. Der gebürtige Schotte hat mit seiner Ausstellung eine besondere Mission: Er will das britische Deutschlandbild verändern und gerade rücken, seine Landsleute zum Nachdenken bringen. "Das war also die Herausforderung, Objekte auszuwählen, die Aspekte der deutschen Geschichte verständlich machen. Für ein Publikum, das Deutschland interessant findet, aber nur wenig kennt."

Deshalb ist für ihn auch ein blauer Taucheranzug ein Ausstellungsstück, das zur deutschen Geschichte gehört: Er symbolisiert die deutsche Teilung und soll den Briten zeigen, dass die Menschen nicht nur versucht haben über die Berliner Mauer in den Westen zu fliehen, sondern auch eine Flucht über die Ostsee für einige DDR-Bürger ein Weg in die Freiheit war, trotz der Gefahr zu erfrieren oder erschossen zu werden.

Nashorn aus Meissener Porzellan

Wie passt ein Porzellannashorn in dieses Bild? Der Renaissance-Künstler Albrecht Dürer schuf die Vorlage für die Skulptur im Jahr 1515 und doch zählt es für McGregor zu den zehn Dingen, die ein modernes Deutschland ausmachen. "Das Dresdner Porzellannashorn mit seinem kämpferischen Charme und seinen anatomischen Eigenarten ist vollkommen unvergesslich", sagt er. Dresdner Handwerker modellierten das Nashorn aus Porzellan nach einer Vorlage Dürers, der niemals ein Rhinozeros zu Gesicht bekommen hat, was ihn aber nicht davon abhielt einen detaillgenauen Druck von diesem Tier anzufertigen.

Bei allen Triumphen, die die Ausstellung zu bieten hat, kann das dunkle Kapitel des 20. Jahrhunderts nicht ausgespart werden. Das sei gar nicht einfach gewesen, sagt Kurator Barrie Cook. "Wie kann angesichts von Völkermord, Verbrechen und Barbarei Ausgewogenheit funktionieren? Für mich als Außenstehender war das schon schwer, wie schwierig muss das für einen Deutschen sein."

Eine Replik des Lagertors vom Konzentrationslager Buchenwald mit der Inschrift "Jedem das Seine" ist ausgestellt. Das Unfassbare: Ein KZ-Häftling hat es gestaltet, der einst Bauhaus-Schüler gewesen war. Aber auch der Wiederaufbau nach 1945 wird thematisiert: Max Lachnits Büste einer Trümmerfrau setzt sich aus hunderten farbiger Marmor- und Basaltsteinchen, die der Bildhauer aus den Trümmern Dresdens zusammengesammelt hatte. Die Besucher können auch einen Blick auf die Kunstuhr im Straßburger Münster werfen. Städte wie Straßburg, Basel, Königsberg oder Prag sind aus heutiger Sicht nicht deutsch, aber dennoch Teil der Ausstellung.

Skulptur, Foto: Deutsches Historisches Museum, Berlin
Trümmerfrau des Bildhauers Max LachnitBild: Estate of Max Lachnit

Viele der Ausstellungsstücke über fünf Jahrhunderte deutsche Geschichte wurden aus deutschen Museen entliehen. Einige Exponate haben für die Schau in London sogar Deutschland das erste Mal verlassen. Das Museum habe sich bei seiner Auswahl auf Dinge konzentriert, die die deutsche Identität bis heute prägen und deutsche Geschichte erzählen. "Deutschland ist ein Land, das wir besser verstehen müssen, besser verstehen wollen und das hat uns alle sehr begeistert, also der Enthuisiasmus mit dem die Ausstellungsidee vom Publikum begrüßt worden ist. Die Leute wollen Deutschland besser kennen", sagt Museumsdirektor Neil MacGregor.

Keine Bratwürste

Für seine Mission geht Neil MacGregor neue Wege: Die Ausstellung "Deutschland - Erinnerungen einer Nation" wird multimedial und in einer 30-teiligen Radioserie von der BBC begleitet. Seit Mitte September erzählt der Museumsdirektor den Briten jede Woche ein Stück deutsche Geschichte. Er spricht über das Brandenburger Tor, Gutenbergs Druckerpresse, den Weltbürger und Dichter Johann Wolfgang von Goethe oder das deutsche Kultauto, den VW-Käfer. Und ein bisschen Klischee darf natürlich auch nicht fehlen: die deutsche Bratwurst. Im Radio erzählt MacGregor von den vielen Wurstsorten der Deutschen, deren Vielfalt es sogar mit den Käsesorten der Franzosen aufnehmen kann.