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Das deutsche Glasfaser-Desaster

22. September 2021

Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hängt an der Digitalisierung und die braucht wiederum schnelle digitale Leitungen. Trotzdem wurde das Glasfasernetz lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Nun soll Tempo gemacht werden.

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Glasfaserausbau in Rietberg-Mastholte
Bild: picture-alliance/Kirchner-Media

Das Coronavirus hätte die deutsche Wirtschaft viel schlimmer treffen können, wenn es einige Jahre früher aufgetaucht wäre. Im Frühjahr 2020 war es dagegen in vielen Unternehmensbereichen möglich, das Büro und damit Kontakte zu meiden und trotzdem weiter zu arbeiten. Zu verdanken war das auch der digitalen Infrastruktur. Trotzdem hätte es besser laufen können. In so manchem Haushalt schwächelte die Leitung, sobald mehrere Kinder online beschult wurden und die Eltern im Homeoffice an Videokonferenzen teilnahmen.

Die meisten Gebiete in Deutschland sind mit schnellem Internet (mindestens 30 Megabit pro Sekunde, Mbit/s) versorgt. Das genügt für Downloads im Privatbereich, beispielsweise das Streamen von Filmen. Schon heute benötigen aber viele Unternehmen größere Bandbreiten von mehr als einem Gigabit pro Sekunde (Gbit/s), die nur mit Glasfaserkabeln bereitgestellt werden kann. Und dieser Bedarf wird in Zukunft noch deutlich steigen. In den nächsten fünf Jahren wird die Nachfrage nach Bandbreite um das fünf- bis sechsfache steigen, so eine Marktanalyse des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (BREKO).

Für viele Betriebe in ländlichen Regionen ist die unzureichende digitale Anbindung ein gravierender Wettbewerbsnachteil, wird im Raumordnungsbericht des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung gemahnt. Die Deutsche Kommission Elektrotechnik (DKE) warnt: "Die Digitalisierung der Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie 4.0 wird somit ohne ein passendes Rückgrat - das Breitbandnetz auf Glasfaserbasis - nicht stattfinden."

Keine digitale Zukunft ohne Breitband

Breitbandanschlüsse, das sind hierzulande meist aufgerüstete Kupfer- oder TV-Kabel. Beim Glasfaserausbau sah es dagegen lange düster aus. Nur in den kreisfreien Großstädten in Westdeutschland sind 20 Prozent der Haushalte mit Glasfaser versorgt. "Je peripherer eine Gemeinde liegt, desto ungünstiger gestaltet sich ihr Versorgungsniveau", heißt es im Raumordnungsbericht 2021.

Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern steht Deutschland an abgeschlagener 35. Stelle. Nur etwas über fünf Prozent der Festnetz-Breitbandanschlüsse in Deutschland bestanden aus Glasfaserkabeln - weit weniger als im OECD-Durchschnitt (30 Prozent).

Infografik Anteil an Glasfaser an allen Festnetz-Breitbandanschlüssen DE
Bis 2025 soll Spanien nahezu 100 Prozent Glasfaserabdeckung haben. Schon jetzt verkündet Telefónica-Chef José María Pallete: "Spanien besitzt mehr Glasfaserleitungen als Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien zusammen".

Dabei hatte die Bundesregierung schon 1981 beschlossen, die alten Kupferkabel in den kommenden 30 Jahren durch Glasfaserkabel auszutauschen. Unter Helmut Kohl drehte sich aber der Wind und statt Glasfaserkabel setzte man nun auf TV-Kabel, die parallel zu Kupferkabeln unter die Erde kamen. Die waren billiger und machten Übertragungsraten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde möglich. Allerdings nur beim Downloaden - beim Hochladen ermöglichen sie meist lediglich etwa 50 Megabit pro Sekunde. Sobald mehrere Nutzer gleichzeitig im Netzabschnitt aktiv sind, sinkt die Kapazität.

Viele Deutsche fragen Glasfaser gar nicht nach

Der Vorteil Deutschlands wurde gleichzeitig das Problem: "Wir hatten ein gutes Kupfernetz, was es günstig gemacht hat, erst mal auf DSL, VDSL und Vectoring aufzurüsten", erklärt Cara Schwarz-Schilling, Geschäftsführerin vom Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK). So setzte die Deutsche Telekom vor rund zehn Jahren erst einmal auf die sogenannte Vectoring-Technologie, mit der sich bereits vorhandene Kupfernetze aufrüsten lassen. "Das war aber ein Zwischenschritt, der dazu geführt hat, dass der Glasfaserausbau nach hinten verschoben wurde." Denn der Glasfaserausbau wird umso günstiger, je mehr Provider das Netz mitfinanzieren.

Vielen deutschen Privatkunden reicht jedoch das Vectoring-Angebot. So werden auch heute noch bestehende Glasfaserleitungen gar nicht genutzt. Warum auch ein Gigabit zahlen, wenn man die Wahl hat zwischen 50, 100 oder 250 Mbit/s hat und bei Bedarf leicht aufstocken kann. In Gebieten, in denen es heißt, entweder eine ganz geringe Bandbreite oder Glasfaser, ist die Zahlungsbereitschaft höher.

"Beispielsweise in Skandinavien ist den Menschen seit Jahren ein Breitbandanschluss sehr wichtig. Da zahlen die Privathaushalte bis zu 4000 Euro, um einen Glasfaser-Anschluss zu bekommen", so Schwarz-Schilling. "Das ist in Deutschland unvorstellbar."

Investoren für den Glasfaser-Ausbau sind da

Trotzdem ist der Glasfaserausbau aus volkswirtschaftlicher Sicht unbedingt nötig. So hatte die Bundesregierung 2017 im Koalitionsvertrag festgelegt, bis zum Jahr 2025 eine flächendeckende Versorgung mit gigabitfähigen Netzen zu erreichen und "zehn bis zwölf Milliarden Euro für flächendeckende Glasfasernetze, möglichst direkt zum Haus" versprochen.

Deutschland Ausbau der Glasfaseranschlüsse
In vielen Ländern in Asien, aber auch in Russland oder Portugal gab es kein Kupferleitungsnetz, das man ausbauen konnte. Also wurde dieser Schritt übersprungen und direkt Glasfaser verlegt. In Portugal kamen zudem Leerrohre unter die Erde, was den künftigen Ausbau erleichtert.Bild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Seit 2019 will nun auch die Telekom den Glasfaserausbau vorantreiben. Heute können 2,3 Millionen Betriebe oder Haushalte mit Glasfaser-Anschlüssen versorgt werden. Bis 2030 will die Telekom zusammen mit ihren Wettbewerbern allen über 41 Millionen Haushalten Glasfaser-Anschlüsse ermöglichen. Das WIK rechnet in seiner neuesten Studie mit Kosten für den Ausbau von mindestens 60 Milliarden Euro.

"An fehlenden Finanzmitteln wird der Ausbau nicht scheitern", heißt es vom BREKO. Zahlreiche Investoren wie Pensionsfonds, Versicherer und Finanzinvestoren seien bereit zu investieren und rechnen in Zeiten von Niedrig- bzw. Nullzinsen mit soliden Renditen für solche langfristigen Investitionen in die digitale Infrastruktur. "Allein die im BREKO organisierten Telekommunikationsunternehmen werden in den nächsten Jahren deutlich mehr als 20 Milliarden Euro in den Ausbau investieren."

Engpässe im Tiefbau und umständliche Genehmigungsverfahren

Der Plan der Bundesregierung, bis 2025 ein flächendeckendes Glasfasernetz aufgebaut zu haben, sei aber nicht realisierbar, glaubt Cara Schwarz-Schilling. "Schon allein weil Tiefbau-Kapazitäten aufgrund des allgemeinen Bau-Booms knapp sind". Erschwert werde der Aufbau noch durch langwierige Genehmigungsverfahren. Teil des Problems: In Deutschland werden Glasfaserkabel rund 60 Zentimeter unter die Erde verlegt, was wesentlich teurer ist, als eine überirdische Leitung, die in anderen Ländern benutzt wird. Bis zu 80 Prozent der Investitionskosten entfallen auf den Tiefbau.

Verlegung von Glasfaserkabel im Nano-Trenching-Verfahren, bei dem die Straße nicht großflächig aufgerissen wird
Die Kosten können erheblich gesenkt werden, wenn Glasfaserkabel in aufgefräste Straßen, in geringerer Tiefe verlegt werden, beispielsweise wie hier im Nano-Trenching-Verfahren, bei dem die Straße nicht großflächig aufgerissen wird.Bild: Matthias Rietschel/dpa/picture alliance

Es gibt aber auch Lösungen dafür. So ist es leichter, Glasfaserkabel neben bestehenden Bahnschienen zu verlegen, weil so langwierige Genehmigungsverfahren wegfallen. Genau das plant das Startup One Fiber

Es tut sich also etwas in Deutschland auf dem Weg zur gläsernen Datenautobahn. "Deutschlands Wachstumsrate bei Glasfaser ist auch im europäischen Vergleich weit überdurchschnittlich. Hier liegen wir mittlerweile auf Platz drei", freut sich BREKO-Präsident Norbert Westfal. "Wir wollen und werden das Tempo weiter erhöhen."

Glasfaserkabel
Bei der Glasfaser-Technolgoie wird das elektrische Signal in eine optisches umgewandelt, dann in annähernd Lichtgeschwindigkeit innerhalb der Glasfaser immer wieder reflektiert. Am Ziel wird das optische Signal in ein elektrisches zurückgewandelt. Bild: picture-alliance/dpa
Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion