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Deutschland holt auf im Anti-Doping-Kampf

Tom Mustroph8. November 2013

Union und SPD haben sich auf ein "schärferes Gesetz gegen Doping" und erste Regelungen gegen Spielmanipulation geeinigt - eine spektakuläre Trendwende, denn bisher lehnte der deutsche Sport ein solches Gesetz ab.

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Ein Dopingkontrolleur (links) der Firma PWC nimmt am 16.08.2013 in der Zentrale der PWC Gesellschaft für medizinische Testverfahren im Sport GmbH in Gilching (Bayern) einem Mann eine Blutprobe ab. Foto: Peter Kneffel/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Es hatte sich bereits in den letzten Wochen angedeutet: Nach dem Abgang des Multifunktionärs Thomas Bach in olympische Höhen bröckelt die Front der Widersacher gegen ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland. Letzte Woche machte der Dachverband des deutschen Sports DOSB mit einem Beschlussvorschlag für die Mitgliederversammlung am 7. Dezember den Weg für ein eigenes Anti-Doping-Gesetz frei. Der Vorschlag traf auf Kritik – jedoch von denen, die den Entwurf als nicht weitgehend genug beurteilen. Denn er möchte lediglich bisherige Antidopingregelungen aus dem Arzneimittelgesetz herauslösen und mit einigen strafverschärfenden Aspekten wie der Erhöhung der Maximalstrafe von drei auf fünf Jahre "unter einem Dach zusammenfassen". Verfolgt werden sollen - neben den Hintermännern, die am Dopinghandel verdienen - nur Berufssportler. Diese Einschränkung bezeichnete der DLV-Präsident Clemens Prokop als "realitätsfremd". Denn sie ließe Anwälten beträchtlichen Spielraum, um nachzuweisen, dass ihre Klienten den Sport nur als Nebenerwerb ausübten. Zudem ist in vielen Sportarten die Trennlinie zwischen Profi- und Amateursportlern sehr unscharf.

Dachverband betreibt "Etikettenschwindel"

Martin Gerster (SPD), Mitglied der Sportausschusses des Bundestages, charakterisierte den Vorschlag des DOSB rundweg als "Kosmetik" und "Etikettenschwindel". Er ist einer der Wegbereiter für ein wirkungsvolles Anti-Doping-Gesetz. "Wir streben ein schärferes Gesetz gegen Doping an und wollen deutlich schärfer gegen die Sportbetrüger und ihre Hintermänner vorgehen", sagte Gerster der DW. Grundlage soll die "uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit " sein. Das bedeutet, dass auch geringste Mengen von Dopingmitteln bereits strafrechtliche Konsequenzen auslösen. Bisher war dies eine undurchdringliche Mauer für die Ermittler der Münchner Schwerpunkstaatsanwaltschaft Doping. Denn: Aktuell können sich die deutschen Behörden bei Doping-Ermittlungen nur auf das Arzneimittelgesetz beziehen, dass die "Verschreibung", die "Anwendung von Dopingmitteln bei anderen" sowie das "Inverkehrbringen" verbietet. Dennoch hat die Münchner Schwerpunkstaatsanwaltschaft seit 2009 mehr als 2000 Verfahren eingeleitet und etwa 400 Verurteilungen wegen Besitzes und Handel mit Dopingmitteln erreicht. Ihr gelangen jedoch keine Verfahren gegen Spitzensportler - ein dicker Kratzer in der Erfolgsbilanz.

Laut Staatsanwalt Markus Müller sorgten einerseits die Netzwerke hinter den dopenden Elite-Athleten dafür, dass diese keine "Lagerhaltung" an Dopingpräparaten vornehmen müssten und daher mit den bisherigen Regelungen des Arzneimittelgesetzes nicht zu fassen sind. Zum anderen sind die Dopingmärkte des Amateur- und Breitensports, die Müllers Männer bisher untersuchten, vom Dopingmarkt der Elitesportler weitgehend getrennt. "Die Präparate, die im Massengeschäft vertrieben werden, sind in der Regel für den Spitzensport uninteressant. Die anabolen Steroide etwa können sehr gut detektiert werden", meinte Müller zu DW. Dann berge der Bezug über den Schwarzmarkt für den Spitzensportler unkalkulierbare Risiken. "Wenn mehr an Wirkstoffen drin ist als deklariert, ist das ein sehr großes Problem. Und es sind sehr oft hohe Prozentzahlen an Fälschungen dabei", sagte Müller. Zudem seien viele Verkäufer im Massenmarkt nach Müllers Erfahrung "sehr aufklärungsbereit, weil ihnen empfindliche Haftstrafen drohen".

Polizisten durchsuchen am 24.07.2008 während der 18. Etappe der Tour de France zwischen Bourg-d'Oisans und Saint-Etienne das Auto der Eltern der Luxemburger Radsportprofis Frank und Andy Schleck (CSC). Die Spezialisten fanden aber «keine verbotenen Mittel» in dem Fahrzeug, wie ein Behördensprecher wenig später bekanntgab. Zuvor war das Fahrzeug des Ex-Radprofis Johnny Schleck und dessen Frau bei einer Zielfahndung 35 Kilometer nach dem Start der 18. Etappe nahe Vizille angehalten und durchsucht worden. (Foto: NICOLAS BOUVY, dpa)
Bald in Deutschland möglich? Die französische Polizei durchsucht bei der Tour ein Auto der Radprofi-Familie SchleckBild: picture-alliance/dpa

Vorreiter CSU und SPD

Trotz der Trennung der Dopingmärkte aus Lieferantensicht orientieren sich simple Hobbysportler mit ihren Dopingpraktiken zunehmend am Spitzensport. "Neben den anabolen Steroiden ist mittlerweile Wachstumshormon in Kombination mit Insulin, also die klassische Kombination, die man auch aus dem Radsport kennt, Standard. In Einzelfällen gab es auch Epo und Cera - bei Leuten, die nie an einem Wettkampf teilnehmen, die aber gleichzeitig bereit sind, viele Hundert bis Tausend Euro für die entsprechenden 'Kuren' zu investieren", erzählte Müller.

Der angepeilte Gesetzentwurf der Berliner Koalition soll sich nach Auffassung des SPD-Politikers Gerster vor allem an einem Entwurf aus dem bayrischen Justizministerium – und damit angelehnt an die Münchener Schwerpunktstaatsanwaltschaft – und dem Gesetzesvorschlag der SPD-Bundestagsfraktion aus der vergangenen Legislaturperiode orientieren. Der wurde in diesem Jahr von der mittlerweile abgewählten Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP – Parteimitglied ist übrigens Thomas Bach – abgelehnt. Die FDP ist nicht mehr im neuen Bundestag. Und die Juniorpartner CSU und SPD haben offenbar mittlerweile die CDU so von rechts und links in die Zange genommen, dass ein Anti-Doping-Gesetz schon im nächsten Jahr Realität sein könnte.

Der deutsche Radrennfahrer Stefan Schumacher geht am 29.10.2013 vor der Urteilsverkündung im Betrugsprozess gegen ihn im Landgericht in Stuttgart (Baden-Württemberg) an seinen Platz. Im ersten Strafprozess gegen einen deutschen Doping-Sünder ist Radprofi Schumacher vom Landgericht Stuttgart freigesprochen worden. Er habe seinen ehemaligen Gerolsteiner-Teamchef nicht um Gehalt betrogen, verkündeten die Richter am Dienstag. (Foto: Marijan Murat/dpa)
Ein Urteil, das die Diskussion um ein schärferes Doping-Gesetz befeuerte: Der Freispruch für Radprofi SchumacherBild: picture-alliance/dpa

Auch Wettbetrug im Fokus

Die Sportnation Deutschland würde dann endlich Anschluss an Europa gewinnen. Italien hat seit dem Jahr 2000 ein Anti-Doping-Gesetz, Frankreich verschärfte zuletzt 2006 seine Regelungen. Auch Österreich und Spanien haben bereits länger Doping im Strafrecht verankert. Diese Staaten können mit weitreichenden Mitteln gegen Dopinghandel und -gebrauch vorgehen. So durchsuchte die Polizei in Frankreich immer wieder im Umfeld der Tour de France Autos und Hotels von Teilnehmern. In Spanien wurde der Skandal um den Dopingarzt Eufemiano Fuentes nur dank der Ermittlungen der Guardia Civil publik und in Italien hatte die Polizei zum Beispiel bei den Olympische Winterspielen von Turin 2006 das Hotel der österreichischen Langläufer durchsucht. Wirkungsvolle Optionen im Kampf gegen Doping, die die bisher zuständige und finanziell klamme deutsche Nationale Anti-Doping-Agentur nicht hat. Doch auch hier scheint sich etwas zu bewegen: In ihren Koalitionsgesprächen in dieser Woche erklärten CDU/CSU und SPD, den Jahresetat deutlich aufstocken zu wollen.

Teil des neuen Gesetzes in Deutschland sollen auch Regelungen gegen Wettbetrug und Spielmanipulation sein. Grundlage ist hier der angestrebte "Schutz des sportlichen Wettbewerbs", erklärte Gerster. Details hierzu fehlen allerdings noch. Damit würde Deutschland sogar Neuland betreten. Überholen ohne Einzuholen gewissermaßen. Die rote Laterne im Anti-Doping-Kampf wird abgegeben und eine Avantgarde-Position im Kampf gegen Wettbetrug und Spielmanipulation eingenommen - wenn das Papier auch wirklich hält, was es verspricht.