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"Deutschland ist ein Einwanderungsland"

Thomas Kohlmann24. August 2005

Seit fast sieben Jahren ist die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung im Amt. Als größte Leistung ihrer Arbeit wertet sie im Interview mit der Deutschen Welle die Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes.

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Für erweitertes Zuwanderungsrecht: Marieluise BeckBild: Presse
Deutschkurs
Integration? Deutschunterricht für ausländische LangzeitarbeitsloseBild: AP

Mit rund 25 Prozent ist die Arbeitslosenquote bei Ausländern doppelt so hoch wie bei Deutschen. Der Grund: über 70 Prozent der ausländischen Arbeitslosen haben keine Berufsausbildung und sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur schwer zu vermitteln. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Marieluise Beck, ist trotzdem überzeugt, dass sie in den knapp sieben Jahren ihrer Amtszeit viel bewegt hat. Im Zentrum der rot-grünen Integrationspolitik sieht sie das Zuwanderungsgesetz, das im August 2004 nach zähem Ringen mit der Opposition verabschiedet worden war und am 1. Januar 2005 in Kraft trat.

"Wir haben mit dem neuen Zuwanderungsgesetz eine Schneise geschlagen in dem Sinne, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und sich auch den integrationspolitischen Herausforderungen stellt" sagt Marieluise Beck.

Vorbild Kanada

Tag der Türken in Berlin
"Tag der Türken" in BerlinBild: AP

Wäre es nach dem Willen der Grünen-Politikerin Beck und der rot-grünen Bundesregierung gegangen, wäre das Zuwanderungsgesetz jedoch noch einen Schritt weiter gegangen. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte hätte es einen gesetzlichen Rahmen geschaffen, um besonders qualifizierten Migranten die Einwanderung nach Deutschland zu erleichtern:

"Man wollte das Punktesystem übernehmen, wie in Kanada, wo zukünftige Migrantinnen und Migranten mit ihrem persönlichen Profil eine Punktezuweisung bekommen hätten und damit die Möglichkeit, nach Deutschland einzuwandern" erläutert Beck. "Dieser Teil des Gesetzes ist leider dem Vermittlungsausschuss und dem Bundesrat vollständig zum Opfer gefallen. Auch andere Möglichkeiten für Selbstständige sind sehr restriktiv gestaltet worden."

Selbständige müssen nämlich mindestens eine Million Euro in Deutschland investieren oder sich verpflichten, mindestens zwölf Arbeitsplätze zu schaffen. Besonders stark kritisiert Marieluise Beck, dass noch immer ausländischen Akademikern, die in Deutschland studiert haben, der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wird.

Deutsche Wirtschaft braucht Einwanderung

Deutschstämmige Aussiedler aus Russland in Salzwedel im Betsaal
Spätaussiedler in Sachsen-AnhaltBild: dpa

In der Wirtschaft gibt es mittlerweile kaum noch jemanden, der daran zweifelt, dass Deutschland Zuwanderung braucht. Doch wie lässt sich verhindern, dass vor allem eine Armuts-Migration schlecht ausgebildeter Menschen stattfindet?

"Man muss sich zunächst einmal historisch klarmachen, dass die Anwerbung von bildungsfernen Schichten Teil der Politik der 50er und 60er Jahre gewesen ist" sagt Marieluise Beck. "Das ist eine Verantwortung, die wir übernommen haben. Der muss jetzt auch entsprechend Rechnung getragen werden, insbesondere durch sehr große Bildungsanstrengungen, gerade gegenüber den Kindern der ersten und zweiten Generation."

Zukunft liegt in Migration

Befürworter einer liberaleren Zuwanderungspolitik betonen, dass Deutschland in Zukunft noch mehr Migranten braucht, um seine sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren und fit für die Zukunft zu machen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Viele Einwandererfamilien, wie zum Beispiel manche Spätaussiedler, kommen nach Deutschland und nehmen die Sozialssysteme in Anspruch, ohne entsprechende Leistungen erbracht zu haben. Einige Wirtschaftsexperten warnen daher vor einer unkontrollierten Wohlfahrtsmigration nach Deutschland. Marieluise Beck glaubt dagegen, dass viele Einwanderer die sozialen Sicherungssysteme nur deshalb in Anspruch nehmen, weil sie vom deutschen Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden:

"Es gibt Zuwanderung in soziale Sicherungssysteme" erläutert Beck. "Bei einem Teil der Spätaussiedler, die hier beruflich nicht Fuß fassen, auch bei einem Teil der jüdischen Zuwanderer - leider oft, weil ihre guten Berufe, die sie mitbringen, hier nicht anerkannt werden. Und auch bei Flüchtlingen, denen wir entschieden den Zugang zum Arbeitsmarkt versperren."

Hier müssten mehr Anstrengungen unternommen werden. Ein richtiger Schritt, so Beck, sei die Umsetzung jener Teile des Zuwanderungsgesetzes, die im August 2004 keine Mehrheit gefunden haben.