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GesellschaftDeutschland

Deutschland: Sehr rechte Einstellungen im Westen nehmen zu

13. November 2024

Ob Ausländerfeindlichkeit oder Antisemitismus - regionale Unterschiede in Deutschland nehmen laut einer Studie der Universität Leipzig ab. Beim Thema Demokratie geht die Schere allerdings auseinander.

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Bunte Demonstration gegen Rechtsextremismus in Leipzig. Auf Plakaten ist die Regenbogenfahne als Symbol für Vielfalt zu sehen oder man kann Aussagen lesen wie "Rechts abbiegen gefährdet unsere Demokratie".
Rechtsextremismus als Gefahr für die Demokratie - dagegen regt sich zunehmend Protest, wie hier Ende August in Leipzig Bild: Paul-Philipp Braun/epd/IMAGO IMAGES

Im Westen Deutschlands hat die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Aussagen deutlich zugenommen und nähert sich den Einstellungen im Osten an. Dort wiederum ist die Zufriedenheit mit der erlebten Demokratie so gering wie zuletzt 2006. Das sind zentrale Ergebnisse der am Mittwoch in Berlin vorgestellten Autoritarismus-Studie 2024. In der Wissenschaft versteht man unter Autoritarismus eine diktatorische Herrschaftsform mit begrenztem Pluralismus und ohne feste Ideologie.

"Vereint im Ressentiment" - mit diesem Titel hat das Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig die Antworten der 2500 befragten Personen auf den Punkt gebracht. Realisiert wurde die Studie in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung, die politisch den Grünen nahesteht. Außerdem war die Otto-Brenner-Stiftung der Industrie-Gewerkschaft Metall beteiligt.

Ausländerfeindlichkeit nimmt im Westen stark zu 

Ein Blick zurück zeigt: Seit Beginn der Studienreihe im Jahr 2002 ging die Zustimmung zu ausländerfeindlichen und chauvinistischen Aussagen im Westen zurück, während sie im Osten schwankten. Nun nehmen die auffällig großen Unterschiede etwas ab. So ist der Anteil mit einem manifesten ausländerfeindlichen Weltbild im Westen seit 2022 von 12,6 Prozent deutlich auf 19,3 Prozent gestiegen. Im Osten ist dieser Wert von 33,1 auf 31,5 Prozent leicht gesunken.

"Die Ausländerfeindlichkeit hat sich damit zu einem bundesweit geteilten Ressentiment entwickelt", sagt der Soziologe und Psychologe Elmar Brähler. Er hat die Studie gemeinsam mit dem Rechtsextremismusforscher Oliver Decker und dessen Team durchgeführt. Dabei haben sie die Befragten persönlich besucht und ihnen einen Fragebogen zu ihren Einstellungen ausgehändigt. 

AfD-Milieu ist am ausländerfeindlichsten

Rund 31 Prozent der Befragten im Westen stimmten der Aussage zu, Deutschland sei durch "die vielen Ausländer überfremdet". 2022 waren es 22,7 Prozent gewesen. Im Osten ist die Zustimmung von 38,4 auf 44,3 Prozent gestiegen. Am stärksten ausgeprägt ist ein ausländerfeindliches Weltbild mit 61 Prozent bei Wählerinnen und Wähler der Alternative für Deutschland (AfD). Jener Partei also, die in mehreren ostdeutschen Bundesländern vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Auffällig aus Deckers Sicht: "Die Studie erfasst in diesem Jahr vor allem im Westen eine deutliche atmosphärische Verschiebung." Das lässt sich auch an antisemitischen Einstellungen ablesen, die dort von drei auf 4,6 Prozent gestiegen sind, während sie im Osten vom gleichen Niveau auf 1,8 Prozent runtergingen.

Der Osten fremdelt immer stärker mit der Demokratie

Die Zufriedenheit mit dem Zustand der Demokratie schwindet deutschlandweit, obwohl sie theoretisch von 90,4 Prozent für eine gute Idee gehalten wird. Aber nur 42,3 Prozent sind damit zufrieden, wie diese Staatsform praktisch erlebt wird. Vor allem im Osten lässt sich ein rapider Rückgang der Akzeptanz beobachten. Waren 2022 noch 53,5 Prozent mit der erlebten Demokratie zufrieden, sind es zwei Jahre später nur noch 29,7 Prozent. Im Westen ist dieser Wert von 57,7 auf 46 Prozent gefallen. Gleichzeitig nehmen nationalistische Einstellungen zu.

Erstmals konnten die Befragten ihre Gedanken zur Demokratie auch in Textform äußern. Am häufigsten beklagt wurden dabei Verdrossenheit mit Parteien, Politikerinnen und Politikern sowie fehlende Möglichkeiten der Partizipation. Die Studie verdeutlicht, dass viele Menschen die Zukunft als ungewiss empfinden.

"Abschied von der Realität"

Welche Folgen dieser Befund für Politik und Gesellschaft haben könnte, ist für die Forscher eine offene Frage. "Obwohl die Demokratie skeptisch betrachtet wird, ist unklar, ob der Wunsch nach autoritären oder extrem rechten Lösungen länger andauert. Es zeigt sich aber eine Neigung zum Abschied von der Realität", resümiert Studienleiter Decker.

 

Dieser Artikel wurde am 13.11.2024 veröffentlicht und am selben Tag aktualisiert.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland