Deutschland verbietet Nazi-Verein
1. Dezember 2020"Sturmbrigade 44". Das klingt nach Militär, Angriff und Krieg. Und es klingt nach einer besonders mutigen Armee-Einheit. Die Mitglieder des kleinen Vereins "Sturmbrigade/Wolfsbrigade 44" tragen den Schriftzug groß und weiß in altdeutscher Schrift auf ihren Hemden oder Jacken. Bei rechtsextremen Demonstrationen werden die Kleidungsstücke selbstbewusst zur Schau gestellt - als Bekenntnis zur eigenen Gesinnung. Für Außenstehende wirkt das einschüchternd. Dabei bleibt der bodenlose Abgrund hinter den Buchstaben und Zahlen den meisten Menschen wohl verborgen.
Die Verbrechen der "Sturmbrigade 44" im Zweiten Weltkrieg haben eine so ungeheuerliche Dimension, dass es schwer ist, sie mit Worten zu erfassen. Es ist eine SS-Sondereinheit, geführt von Oskar Dirlewanger. Im Laufe des Krieges ermorden die Soldaten zehntausende Menschen, fast alles unbewaffnete Zivilisten. Sie verbrennen Säuglinge und Kinder, vergewaltigen junge Mädchen und erschießen vor allem in Weißrussland jeden Bauern, der ihnen über den Weg läuft.
In dem Dorf Chatyn plündern die Soldaten die Menschen aus, sperren sie in eine Scheune, zünden sie an und eröffnen das Feuer auf alle, die versuchen zu fliehen. Unter den Opfern sind 75 Kinder. Der Dorfschmied Jozif Kaminskij überlebt. Nach dem Abzug der SS entdeckt er in der abgebrannten Scheune seinen sterbenden Sohn Adam. Oskar Dirlewanger erhält später als Auszeichnung für seine Einsätze das Ritterkreuz für ruhmesvolle Taten.
Verehrung des Massenmörders Oskar Dirlewanger
Diesem Oskar Dirlewanger gilt die Verehrung der jetzt verbotenen "Sturmbrigade 44". In der Symbolik der Neonazis steht die Zahl 44 für den vierten Buchstaben im Alphabet, also für DD oder "Division Dirlewanger". Am Dienstag, den 1. Dezember 2020, durchsuchen Polizisten in mehreren Bundesländern die Wohnungen von elf Vereinsmitgliedern. Sie finden laut Innenministerium verbotene Messer, eine Armbrust, Bajonette, eine Machete, Hakenkreuze und NS-Fahnen.
Die Gruppe hat nach Experteneinschätzung keine herausgehobene Bedeutung in der rechtsextremen Szene, gilt aber als gut vernetzt. Schon im Jahr 2019 hatte der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung Wohnungen durchsuchen lassen. Aufgefallen waren die Mitglieder bei regionalen Demonstrationen und durch Hakenkreuz-Schmierereien.
Für David Begrich vom Verein "Miteinander" aus Sachsen-Anhalt sind die Ermittlungen ein Beleg, wie überregional die rechte Szene in Deutschland vernetzt ist. Und das habe spürbare Konsequenzen, erklärt er dem Online-Magazin Belltower-News: "In diesen Zusammenschlüssen gab es in den zurückliegenden drei Jahren einen Radikalisierungsprozess, der die Gewaltbereitschaft gegenüber Migrant*innen und politischen Gegner*innen gesteigert hat. Eine wesentliche Rolle spielte dabei die Vernetzung in den sozialen Netzwerken."
Rechte Netzwerke in den Sozialen Medien
Und die Sympathisanten handeln dabei alles andere als konspirativ. Auf der Facebook-Seite von Oliver R. dreht sich alles um seine rechtsextreme Gesinnung und seine Sympathien für die "Sturmbrigade 44". Damit hat er 274 Freunde und Freundinnen gefunden. Die Szene ist gut vernetzt.
Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht in dem Verbot des Vereins ein deutliches Zeichen: "Eine Vereinigung, die Hass sät und für die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Staates eintritt, hat in unserem Land keinen Platz", erklärt der Minister zum Verbot. Es ist bereits das vierte Verbot im Jahr 2020 einer rechtsextremen Vereinigung in Deutschland.
Dirlewanger Verehrung geht weiter
Trotz aller Beteuerungen bleibt aber der Platz für rechtsextremen Hass groß. Und auch die Huldigungen an den Massenmörder Oskar Dirlewanger gehen weiter. Zu erwerben sind sie ganz legal als Musik in Onlineversandhäusern unter dem Namen "SKD". Die Abkürzung steht für "Sonderkommando Dirlewanger" und die Tonträger einer inzwischen aufgelösten Rechtsrockband. Und auch auf Rechtsrockfestivals darf weiterhin die "Arische Bruderschaft" des Neonazis Thorsten Heise als Sicherheitsdienst auftreten. Ihr Emblem: zwei gekreuzte Stielhandgranaten - das Symbol der SS-Sondereinheit Dirlewanger.