Der Schulbuch-O-Mat
16. August 2013Das Herz des Schulbuch-O-Mats schlägt in Berlin. Sein Gehirn ist über die ganze Bundesrepublik verteilt. Hinter dem Kunstwort steckt Deutschlands erstes frei verfügbares elektronisches Schulbuch. Aus allen Bundesländern soll der Automat mit Wissen gefüttert werden, im Berliner Medienbüro von Hans Wedenig fließen die Informationen zusammen. "Jeder kann mitmachen", betont der 53-Jährige, der hauptberuflich Medienkonzepte entwickelt. Zusammen mit dem Biologielehrer Heiko Przyhodnik hatte er die Idee zu dem Projekt.
"Uns hat geärgert, dass die teuren Schulbücher unserer Kinder seitenweise ungenutzt blieben", so Przyhodnik. Außerdem sei er als Lehrer oft selber an die starren Grenzen herkömmlicher gedruckter Schulbücher gestoßen. "Mir nutzt zum Beispiel kein Kapitel über Experimente an Teichen, wenn kein Gewässer in der Nähe der Schule ist", erklärt der 42-Jährige. Er und seine Kollegen seien darum im Schulalltag auf eigene Recherchen angewiesen. Laut einer aktuellen Allensbach-Studie unternehmen 75 Prozent der deutschen Lehrerinnen und Lehrer diese Recherchen im Internet. Jeder für sich. Mit der neuen Plattform können sich die Lehrkräfte die Arbeit teilen.
Offenes Redaktionssystem
Als Pilotprojekt bietet der Schulbuch-O-Mat den Biologie-Schulstoff für siebte und achte Klassen an Berliner Sekundarschulen. Lernmaterial für weitere Bundesländer und Fächer sollen folgen. Die Technik dahinter funktioniert wie bei der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Die Inhalte des Buches stehen komplett im Internet, jeder kann sie nutzen und editieren. "Wir schaffen damit auch Rechtssicherheit für die Lehrer", führt Wedenig einen weiteren Vorteil an. "Die Autoren stellen ihre Beiträge unentgeltlich der Allgemeinheit zur Verfügung, deshalb werden keine Urheberrechte verletzt."
Fortlaufend wird an dem eBook gearbeitet, dadurch sind die Inhalte immer aktuell. Wenn sich Fehler einschleichen, kann sie jeder melden und Verbesserungen vorschlagen. Die Schlussredaktion hat Heiko Przyhodnik. Er prüft die Artikel, bevor sie online gehen. Dieses offene System fasziniert auch Kerstin Müller. Die Fotografin studiert berufsbegleitend Medieninformatik. Im Internet ist sie auf das Projekt gestoßen. Kurzerhand widmete sie dem elektronischen Schulbuch eine Seminararbeit und programmierte ein interaktives Lern-Quiz ergänzend zu einem Kapitel über Zellen. "Mich reizt, dass man wie bei Wikipedia ein Teil des Ganzen ist", begründet die Studentin ihr Engagement.
Internationale Vorbilder
Finanziert wurde die Einrichtung des eBooks über Crowdfunding im Netz. In kürzester Zeit fanden sich auf der Plattform startnext.de zahlreiche Spender, die den Schulbuch-O-Mat unterstützt haben. "In anderen Ländern ist man da aber schon weiter, da finanzieren auch Sponsoren aus der Wirtschaft ähnliche Projekte", so Heiko Przyhodnik. Eine dieser internationalen Lernplattformen ist CK 12 der Stanford University in den USA. Hier finden Lehrer nicht nur Unterrichtsmaterialien, sie können auch ihre eigenen Bücher zusammenstellen und anderen zur Verfügung stellen.
Verlinkung mit anderen Fächern gewünscht
Ähnlich wie das Vorbild aus den USA soll auch irgendwann der Schulbuch-O-Mat funktionieren. Wissen aus unterschiedlichen Fächern könnte miteinander verknüpft werden. Wenn zum Beispiel im Biologiebuch die Photosynthese thematisiert wird, böte sich eine Verlinkung zu einem elektronischen Chemiebuch an. Hier würden die Schüler dann alles zu den chemischen Abläufen in den Pflanzen erfahren. Noch ist das aber Zukunftsmusik, dafür bräuchte es nämlich noch mehr aktive Mitarbeit. "Viele sind zwar begeistert, wir könnten aber mehr Autoren gebrauchen", berichtet Hans Wedenig.
Einen Schub für ihr elektronisches Schulbuch erhoffen sich die Berliner Initiatoren von einem gemeinsamen Projekt mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg in diesem Herbst. Schulklassen sollen zusammen mit ihren Lehrern eigene Inhalte wie Videos oder kleine Texte produzieren, die dann das Angebot zusätzlich bereichern. "Wer könnte besser zielgruppengerechte Beträge schaffen als diejenigen, die schließlich auch mit dem Buch lernen sollen", sagt Hans Wedenig.