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Politik

Deutschlands Rückkehrer-Pakt mit Tunesien

Richard A. Fuchs
14. Februar 2017

Tunesien ist für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin wichtig. Merkel will schnellere Abschiebungen, eine Stabilisierung der Region. Dafür nimmt sie den tunesischen Regierungschef Youssef Chahed in Berlin in die Pflicht.

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Besuch des tunesischen Premierministers in Berlin
Abschiebungen bleiben sensibel: Kanzlerin Merkel und der tunesische Premierminister ChahedBild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Bundeskanzlerin setzt auf Freiwilligkeit. Die steht im Zentrum des neuen "Flüchtlingspakts", den Angela Merkel (CDU) anstrebt - dieses Mal mit Tunesien. Ausreisepflichtige Tunesier müssten schneller in das nordafrikanische Land zurückkehren, sagte die Kanzlerin an diesem Dienstag in Berlin nach einem Gespräch mit dem tunesischen Regierungschef Youssef Chahed. Im besten Fall geschehe dies ohne Abschiebung, so Merkel. "Wir müssen allerdings auch deutlich machen: Wer sich auf diese freiwillige Rückkehr nicht einlässt, dem müssen wir sagen, dann müssen wir es eben auch unfreiwillig tun", so Merkel.

Beratungszentrum in Tunesien

Die Bundesregierung will dazu den Aufbau eines Beratungszentrums in Tunesien  finanzieren. Dieses soll Bildungsangebote und Starthilfen für Rückkehrer bereitstellen. Im vergangenen Jahr haben nach Angaben der Kanzlerin 116 Tunesier Deutschland wieder verlassen. Rund 1.500 Tunesier warteten derzeit noch auf ihre Abschiebung. "Hier müssen wir noch schneller werden, insbesondere wenn es sich um 'Gefährder' handle", so die Kanzlerin.

Dass der Berlin-Attentäter Anis Amri Tunesier war, macht die Frage zum Politikum. Amri war ausreisepflichtig, konnte wegen fehlender Papiere aber nicht nach Tunesien abgeschoben werden. In einem hessischen Gefängnis sitzt derzeit noch ein weiterer "Gefährder" aus Tunesien in Untersuchungshaft. In beiden Fällen klagen die deutschen Behörden darüber, dass tunesische Behörden nur schleppend kooperieren.

Tunesien Demonstration in Tunis
In Tunesien gab es immer wieder Demonstrationen gegen die Abschiebung islamistischer Gewalttäter aus DeutschlandBild: Reuters/Z. Souissi

"Kein Exportland für Migranten"

Chahed bekäftigte, dass die tunesischen Behörden an einer bestmöglichen Zusammenarbeit mit Deutschland interessiert seien. Sammelabschiebungen lehnte der Regierungschef weiter ab. Er machte deutlich, dass die Terrorgesetze seines Landes es erschwerten, Tunesier nach einem Aufenthalt in Krisenländern wie Syrien ohne eingehende Identitätsprüfung aufzunehmen. Ohnehin gelte aber, so Chahed: "Tunesien ist kein Exportland für Migranten." Nur etwa ein Prozent der im vergangenen Jahr nach Europa gelangten Flüchtlinge stammten aus Tunesien. Deshalb habe es auch keine weiteren Gespräche über die Idee von Asylzentren in seinem Land gegeben, fügte der Regierungschef hinzu.

Er hatte sich zuvor im "Bild"-Interview gegen eine solche Idee verwahrt und sie für sein Land als nicht bezahlbar bezeichnet. Auch Flüchtlingsorganisationen hatten diese von der Bundesregierung eingebrachte Idee scharf kritisiert, allerdings wegen Bedenken bei Menschenrechtsfragen. Merkel räumte daraufhin ein, die Idee werde derzeit nicht weiterverfolgt, "weil Tunesien in diesem Sinne kein Transitland ist". Die Mehrzahl der rund 200.000 Mittelmeer-Flüchtlinge war mit Booten aus dem Nachbarland Libyen nach Italien übergesetzt. Über 4600 Menschen starben dabei im vergangenen Jahr.

Mehr Bildungsangebote und Investitionen

Anti-Terror-Einsatz: Razzien und eine Festnahme in Hessen

Über die Details des Rückkehrer-Programms wollen der tunesische Premier und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch sprechen. Seit Februar stehen von der Bundesregierung bereits 40 Millionen Euro für die Initiative "StarthilfePlus" bereit. Jetzt will der Bund weitere 90 Millionen Euro für solche Programme hinzufügen. Merkel kündigte an, dass Deutschland vor allem sein Engagement beim Ausbau des Bildungssystems in Tunesien forcieren möchte.

So wird derzeit eine deutsch-tunesische Hochschule aus der Taufe gehoben. Eine ähnliche Modell-Hochschule hat Deutschland mit Ägypten gegründet. Zudem soll die duale Berufsausbildung nach deutschem Vorbild ausgebaut werden. Und Tunesien soll von dem Marschall-Plan für Afrika profitieren können. Das Projekt wurde von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) angestoßen und soll Investitionen in Arbeit und Bildung fördern. Das begrüßte der tunesische Premier.

Opposition gegen "schmutzige Flüchtlingsdeals"

Ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte im Vorfeld des Treffens für Aufsehen gesorgt. Er bescheinigte den tunesischen Behörden eklatante Menschenrechtsverletzungen. Selbst 23 Fälle von Folter in Polizeigewahrsam dokumentiert der Report. Die Bundesregierung möchte Tunesien zu einem sogenannten sicheren Herkunftsland erklären, was künftige Abschiebungen erleichtern würde.

Die Linkspartei und die Grünen lehnen jegliche Form von "Deals" mit dem nordafrikanischen Land ab. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warnte die Bundesregierung davor, eine Kopie des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens mit Tunesien anzustreben. "Angela Merkel darf mit Tunesien nicht den Fehler wiederholen, den sie im Umgang mit Erdogan gemacht hat und durch einen schmutzigen Flüchtlingsdeal das Land von westlicher Kritik abschirmen", sagte die grüne Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Dienstag. Linkspartei-Chefin Katja Kipping äußerte sich ähnlich.

Deutschland | BK Merkel und der tunesische Premierminister legen Blumen am Breitscheidplatz nieder
Blumen für die Toten: Die Kanzlerin und der tunesische Premier am Anschlagsort in BerlinBild: Reuters/F. Bensch

Breitscheidplatz: Besuch am Anschlagsort

Im Anschluss an das politische Gespräch machten Merkel und ihr tunesischer Staatsgast einen Kurzbesuch am Berliner Breitscheidplatz. Also jenem Ort, an dem der Attentäter Anis Amri am 19. Dezember zwölf Menschen in den Tod riss, als er einen Lastwagen in eine Menschenmenge steuerte. Schon im Kanzleramt hatte sich der tunesische Premier im Namen seines Volkes entschuldigt. Und Chahed betonte: "Anis Amri repräsentiert Tunesien nicht." Er widersprach aber erneut dem Vorwurf, dass die tunesischen Behörden die Rückführung des "Gefährders" verschleppt hätten. Bereits im März will die Kanzlerin zum Gegenbesuch nach Tunis aufbrechen. Auch dann werden Abschiebungen das zentrale Thema bleiben. Im Juni plant die Bundesregierung dann unter Beteiligung Tunesiens einen Afrika-Gipfel in Berlin.