Klima und Migration polarisieren Deutschland
10. Oktober 2019Seit ein paar Monaten ist das Thema Klimaschutz in der deutschen Öffentlichkeit omnipräsent. Auch die Bundesregierung reagierte und hat nun Gesetzespakete auf den Weg gebracht. Ein Schwerpunkt: Umweltfreundliche Verkehrsmittel sollen gefördert, andere teurer werden.
Laut dem neuen "Deutschlandtrend" des Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap plädieren die Deutschen mehrheitlich für ein sachliches Vorgehen beim Klimaschutz. Vier von fünf der Befragten sehen zwar großen Handlungsbedarf. Klima-Proteste, die wie bei "Extinction Rebellion" Gesetzesverstöße mit einschließen, finden allerdings nur wenig Zuspruch: Blockaden von Straßen oder Brücken wie in Berlin hält nur jeder Vierte für gerechtfertigt. Schülerdemonstrationen wie von "Fridays for Future" finden größere Akzeptanz, stoßen jedoch ebenfalls auf Widerspruch. Fast zwei Drittel unterstützen es nicht, wenn Schüler vom Unterricht fernbleiben, um an Klimaschutz-Demonstrationen teilzunehmen.
Die neuen Klimagesetze, die nun im Bundestag und Bundesrat beraten werden, stoßen je nach Parteipräferenz teils auf ein sehr unterschiedliches Echo. Den Grünenwählern gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Ein Großteil der AfD-Anhänger auf der anderen Seite ist gegen sie. In der Mitte liegen die Wähler der Unionsparteien (CDU und CSU), die mit den Gesetzespaketen allgemein zufrieden sind. Hier zeigt sich deutlich die neue Polarisierung in der deutschen Parteienlandschaft mit ihren Polen Grüne und AfD.
Gefragt haben die Meinungsforscher auch: Sind Verbote okay? Für mehr als die Hälfte ist das eine Option. 57 Prozent hätten kein Problem damit, wenn ihnen der Staat bestimmte Dinge verbieten würde. Auf der anderen Seite gibt es durchaus eine Sorge vor Einschränkungen im Alltag, und zwar besonders bei Landbewohnern und bei Menschen mit wenig Geld.
EU-Türkei-Abkommen darf nicht mehr kosten
Das andere heiß diskutierte globale Thema mit Auswirkungen auf das Alltagsleben in Deutschland ist die Migration. Im Fokus derzeit ist die Situation in der Türkei. Infratest dimap hat für den Deutschlandtrend repräsentativ ausgewählte 1000 Bürger im Zeitraum vom 7. bis 9. Oktober befragt. Nach dem Angriff der Türkei auf Syrien am 9. Oktober wurde dabei nicht gefragt. Doch die Situation der Millionen Flüchtlinge in der Türkei war Thema.
Seit März 2016 gibt es ein Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei. Damit sollte den Flüchtlingen eine Weitereise nach Zentraleuropa erschwert werden. Das Abkommen hat bei den Befragten des Deutschlandtrends an Akzeptanz gewonnen. Die Mehrheit findet es inzwischen gut; das war kurz nach Inkrafttreten noch anders.
Teil des Abkommens sind Finanzhilfen für den türkischen Staat, um die Flüchtlinge zu versorgen. Insgesamt wurden sechs Milliarden Euro zugesagt. Mehr Geld sollte das Abkommen allerdings nicht kosten, findet die Mehrheit der Befragten. Aktuell wird international eine Reform des Abkommens diskutiert.
Feste Quote für Bootsflüchtlinge?
Die EU tut sich schwer mit einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik, wenn es um die Verteilung der Menschen geht. Bundesinnenminister Horst Seehofer will deshalb eine Koalition der Willigen schmieden, um zumindest eine Lösung für die Flüchtlinge und Migranten, die über das Mittelmeer kommen, zu finden. Seehofer hatte für Deutschland zugesagt, ein Viertel dieser Bootsflüchtlinge aufzunehmen. EU-weit fanden sich allerdings nur eine Handvoll Mitstreiter. Doch in Deutschland erntet er dafür hohen Zuspruch. Eine feste Aufnahmequote halten fast 60 Prozent für richtig. Auch hier ist - beim Blick auf die Parteianhänger - die schon genannte Polarisierung Grüne-AfD offensichtlich.
Sein Engagement könnte für Seehofer auch ein Grund sein, warum er beim Politiker-Ranking einen mächtigen Satz nach vorne machte und nun auf Platz vier liegt.
Ganz vorn ist noch immer Angela Merkel. Auch wenn viele Medien Merkel inzwischen gern als lahme Ente abschreiben, scheint das beim Wähler noch anders gesehen zu werden. Auch für ihre potentielle Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer sieht es nicht so schlecht aus, wie viele Schlagzeilen zuletzt meldeten. Zwar liegt sie immer noch auf Platz 9, konnte aber an Zustimmung gewinnen.
Für die Partei von Merkel und Kramp-Karrenbauer, die CDU, geht es in der "Sonntagsfrage" ebenfalls wieder etwas aufwärts. Die Grünen behaupten sich als zweitstärkste politische Kraft. Für die Sozialdemokraten deutet sich dagegen noch keine Besserung an. Derzeit sucht die SPD nach einer neuen Parteiführung - ob es danach wieder aufwärts geht?