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Musik

Beethoven Academy ehrt Deutschrocker

Rick Fulker
20. Dezember 2017

Kann Kunst die Welt verändern? Die Antwort dazu liegt in der Welt der Gefühle, glaubt Beethovenpreisträger Wolfgang Niedecken. Zu seinen Ehren traten in der Bundeskunsthalle Bonn Musiker verschiedenster Richtungen auf.

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Torsten Schreiber, Intendant der Beethoven Academy, überreicht Wolfgang Niedecken den Beethovenpreis.
Torsten Schreiber, Intendant der Beethoven Academy, überreicht Wolfgang Niedecken den BeethovenpreisBild: Beethoven Academy/D.Ertl

"Was wir tun können ist, die Leute vorm Verhärten zu bewahren": Dieser Grundsatz ist die Strategie des Musikers und Aktivisten Wolfgang Niedecken, wenn es darum geht, was ein Künstler in einer krisengebeutelten Welt ausrichten kann.

Auch für die venezolanische Klassikpianistin und Improvisatorin Gabriela Montero ist Empathie der Schlüssel: "Ich halte es für kriminell, wenn ein Künstler seine Möglichkeit nicht nutzt, Mitgefühl zu transportieren und Leute aufmerksam auf das zu machen, was vor sich geht. Wir gehören zur Gesellschaft und sind Bürger dieser Welt. Deshalb sollten wir als Künstler und als Menschen unsere Stimme einsetzen, um die Geschichten der Menschen zu erzählen, die es selbst nicht können."

Niedecken hat seit Jahrzehnten für Toleranz in der deutschen Gesellschaft geworben und sich aktiv an einem Sozialprojekt in Kriegsregionen Afrikas beteiligt. Montero spricht seit acht Jahren die sozialen Missstände in ihrem Heimatland Venezuela an. Beide traten in einem bunt gemischten Programm in der Bonner Bundeskunsthalle am 19. Dezember auf. Anlass war die Verleihung des 3. Internationalen Beethovenpreises für Menschenrechte, Frieden, Freiheit, Armutsbekämpfung und Inklusion.

Porträt von Wolfgang Niedecken bei der Verleihung des Beethovenpreises in der Bundeskunsthalle
Ob auf Kölsch oder Hochdeutsch - Niedecken spricht KlartextBild: Beethoven Academy/D.Ertl

Von Afrika über Nahost bis nach Deutschland

Mit Gesang und Klavierspiel war auch Aeham Ahmad dabei, der vor zwei Jahren den ersten Beethovenpreis erhalten hatte. Der syrische Pianist, der einst unter Lebensgefahr in einem kriegszerstörten Vorort von Damaskus spielte, war damals nur wenige Wochen zuvor nach Deutschland geflohen. Inzwischen wurde er als Flüchtling anerkannt, seine Frau und Kinder konnten nachziehen. Stand bei seinem Auftritt im Jahr 2015 die abenteuerliche Geschichte seiner Flucht im Vordergrund, erlebt man jetzt einen Künstler, der sich vor Auftrittsterminen kaum retten kann - was vor allem an seinen Improvisationen liegt, die zwischen Melancholie und Ekstase alternieren.

Seltene musikalische Bandbreite

Mit Melodramen von Franz Liszt und Franz Schubert sowie Liedern des iranischen Regimekritikers Shahin Najafi brachte die Preisverleihungszeremonie musikalische Seltenheiten zu Gehör. Tod, Wandel, Revolution - und Empathie - waren die Leitmotive, auch bei der "Hymn to Freedom" des Jazzpianisten Oscar Peterson in der Interpretation des Marcus Schinkel Trios.

Mit kaum zu fassender Virtuosität und Tiefe gab der Pianist Kai Schumacher seine Version des Songs "Killing in the Name" der amerikanischen Rockgruppe Rage Against the Machine zum Besten. Darüber hinaus traten die experimentierfreudige Bonner Pianistin Susanne Kessel und der Klavier-Weltstar Martha Argerich auf. Eine Bandbreite an Musikgenres wie an diesem Abend erlebt man selten. 

Der Erlös aus dem Ticketverkauf kommt der Beethoven Academy zugute, die unter anderem Kulturprojekte in Krisengebieten veranstaltet und zu deren Zielen es gehört, "nachhaltig mutige Kunst zu fördern".

Gruppenfoto mit weißen Rosen in der Hand mit Luisa Imorde, Martha Argerich, Wolfgang Niedecken, Myriam Farid und Annie Dutoit.
Genießen den Applaus: (v.l.n.r.) die Pianistinnen Luisa Imorde und Martha Argerich, Wolfgang Niedecken, Pianistin Myriam Farid und die Rezitatorin Annie DutoitBild: Beethoven Academy/D.Ertl

Fluchtursachen bekämpfen

Preisträger Wolfgang Niedecken erzählte den Anwesenden von einem Schlüsselerlebnis in einem Kriegsgebiet in Afrika vor einigen Jahren: "Die Flüchtlingslager wurden überfallen. Man hat die Kinder entführt und ihnen beigebracht, wie sie mit Macheten umgehen sollten. Nach ein paar Tagen sollten sie dann zurückkehren und einen Verwandten umbringen, etwa die kleine Schwester, damit es keinen Weg zurück in die Familie gab. Am schlimmsten waren die Augen der Kinder. Die waren tot, die haben durch mich hindurchgesehen." Aufgrund dieser Erfahrung gründete Niedecken zusammen mit dem Outdoor-Ausrüster Jack Wolfskin und der christlichen Hilfsorganisation World Vision das Projekt "Rebound", das erfolgreich die Reintegration kriegstraumatisierter Kinder in die Gesellschaft fördert.

Niedecken denkt jedoch stets weiter: "Ich finde, dass wir uns viel mehr für unseren Nachbarkontinent Afrika interessieren müssen", sagte er, "und dass wir verstehen müssen, was in Afrika, im Mittelmeer und in den Wüsten vorgeht. Dann würden wir hier andere Entscheidungen treffen."