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DFB-Team gegen Ukraine: Spiel des Friedens

12. Juni 2023

Das Freundschaftsspiel zwischen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und der Ukraine sendet eine positive politische Botschaft. Sportlich wird das Spiel für das DFB-Team allerdings zu einem Negativerlebnis.

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Spieler des DFB-Teams und der Ukraine beim gemeinsamen Teamfoto
Viel Symbolik in Bremen: Spieler des DFB-Teams und der Ukraine beim gemeinsamen TeamfotoBild: Revierfoto/dpa/picture alliance

An diesem warmen Sommerabend in Bremen ging es um mehr als um ein Fußballspiel. Es ging um Solidarität mit der Ukraine, die sich unfreiwillig seit 474 Tagen im Verteidigungskrieg gegen Russland befindet. Es ging um ein Zeichen der Freundschaft, immerhin war es das 1000. Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft, zu dem sich der Deutschen Fußballbund (DFB) die Ukraine als Gegner gewünscht hatte.

Es ging um den guten Zweck: Die Partie war als Benefizspiel deklariert, dessen Einnahmen an Initiativen und Projekte zugutekommen werden, die vom Krieg in der Ukraine betroffenen Menschen helfen. Und es ging am Ende natürlich auch um das Sportliche, schließlich muss Bundestrainer Hansi Flick jedes Spiel vor der Fußball-Europameisterschaft 2024 im eigenen Land nutzen, um die bestmögliche Formation zu finden - beim 3:3 (1:2) gegen die Ukraine ist ihm das sicherlich noch nicht gelungen.

Jarmolenko: "Spielen für unser Volk" 

Vor allem aber stand die Situation des Gastlandes im Mittelpunkt. "Das Spiel hat eine ganz besondere Bedeutung, wir spielen in diesem Spiel mit der Ukraine, anstatt gegen die Ukraine", hatte DFB-Präsident Bernd Neuendorf im Vorfeld angekündigt. Auch für die Gäste war die Partie mehr als ein willkommener Test, bevor in den kommenden Tagen wichtige Pflichtspiele in der EM-Qualifikation anstehen. "Es ist hart für die Spieler, aber wir müssen stark sein, weil wir Ukrainer sind", sagte der ukrainische Kapitän Ex-Spieler von Borussia Dortmund, Andrij Jarmolenko, vor dem Spiel. "Wir müssen Fußball spielen für unsere Fans, für unser Volk, um ihnen etwas Positives zu geben."

Serhij Rebrow sah es ähnlich: "Für mich ist es sehr wichtig, hier zu sein und zu zeigen, dass die Ukraine am Leben ist, und dass wir Fußball spielen", sagte der neue ukrainische Nationaltrainer. "In unserem Land, unserem Volk fehlen die Emotionen, die der Fußball bietet. Wir müssen den Menschen in der Ukraine Emotionen geben, um sie zu unterstützen." Rebrow stammt aus der Stadt Horliwka im Osten der Ukraine, Region Donezk. Dort lernte er bei Schachtar Donezk das Fußballspielen, bevor er als 18-Jähriger zu Dynamo Kiew wechselte und dort gemeinsam mit Andrij Schewtschenko ein gefährliches Sturmduo bildete und später in England und der Türkei spielte.

Begrüßung und Umarmung zwischen Bundestrainer Hansi Flick und Ukraines Trainer Serhij Rebrow
Freundschaftsgesten vor dem Freundschaftsspiel: Bundestrtainer Flick (l..) und Ukraines Trainer Rebrow (r.)Bild: IMAGO/Jan Huebner/IMAGO/Franziska Gora

Rebrow machte als Spieler 75 Länderspiele für sein Heimatland. Er stand auch 1997 beim ersten Spiel zwischen Deutschland und der Ukraine auf dem Platz - damals in der WM-Qualifikation. Auch dieses Spiel fand in Bremen statt. Mit dabei auf Seiten der Ukraine war 1997 auch Viktor Skripnik, ukrainischer Nationalspieler in Diensten Werder Bremens und später bei den Bremern der erste und bislang einzige ukrainische Bundesligatrainer. Es mag Zufall sein, aber es lassen sich einige Verbindungen zwischen Bremen und dem ukrainischen Team finden.

Nach elf Jahren wieder ein Länderspiel in Bremen

Die Verbindung zwischen der norddeutschen Hansestadt und dem DFB waren dagegen zuletzt nicht sehr eng und freundschaftlich. Seit 2012 hatte der Verband zuvor kein Länderspiel mehr an Bremen vergeben. Das lag in den vergangenen Jahren daran, dass die Stadt Bremen sich weigerte Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen aus eigener Tasche zu zahlen, sondern sie der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Rechnung stellte. Mit der Ansetzung habe man die "fußballbegeisterte Region Bremen" wieder am DFB-Fußball beteiligen wollen, hieß es beim DFB. Die frühe Anstoßzeit war zudem ein Versuch, wieder mehr Familien und jüngeren Fans die Möglichkeit zu geben, im Stadion live dabei zu sein.

Ukrainischer Fan mit Trikot und Schal singt vor dem Benefizspiel Deutschland - Ukraine mit geschlossenen Augen die ukrainische Nationalhymne
Leidenschaft auf den Rängen: Zahlreiche ukrainische Fans waren beim Spiel in Bremen dabeiBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Diese Hoffnungen erfüllten sich aber nur teilweise: Das Stadion war mit über 35.000 Zuschauern ausverkauft, viele von ihnen waren Kinder und Jugendliche. Die Stimmung war gut, was in erster Linie allerdings an den ukrainischen Fans lag. Sie waren in großer Zahl erschienen und feuerten ihre Mannschaft immer wieder an. Schon der Einmarsch der Mannschaften war ein Gänsehaut-Moment gewesen: Die Spieler der Ukraine trugen jeweils eine blau-gelbe ukrainische Fahne um ihre Schultern. Anschließend sangen sie voller Inbrunst gemeinsam mit ihren Fans die ukrainische Hymne: "Schtsche ne wmerla Ukrajina", zu Deutsch: "Noch ist die Ukraine nicht gestorben". 

DFB-Team: hinten unorganisiert, vorne nicht zwingend

Neben aller Symbolik und sämtlichen politischen Botschaften brachte das Duell mit den Ukrainern in Bremen für Bundestrainer Hansi Flick aber auch einige sportliche Erkenntnisse - allerdings in der Mehrzahl altbekannte und schmerzliche: So bewies die Defensive einmal mehr, dass sie die größte Problemzone der deutschen Mannschaft ist. Nachdem es bereits bei der WM in Katar und auch beim letzten Länderspiel gegen Belgien Gegentore nach schnellen Gegenstößen des Gegners mit langen Bällen gegeben hatte, wiederholte sich dieses Muster auch gegen die Ukraine.

In der ersten Halbzeit stand Nico Schlotterbeck bei zwei solchen langen Bällen nicht gut und verpasste es, den Angriff früh zu unterbinden. In der zweiten Halbzeit, nutzten die Ukrainer einen unnötigen und schwach gespielten Rückpass, den Matthias Ginter nicht unter Kontrolle bringen konnte, zum dritten Tor. Insgesamt war die deutsche Abwehr nicht sattelfest und wirkte in vielen Situationen schlecht organisiert. Das Experiment Dreierkette, die Flick gegen die Ukraine erstmals testete, brach der Bundestrainer nach einer Stunde ab und stellte wieder auf Viererkette um.

Ukrainische Spieler bejubeln ein Tor, während die deutschen Spieler enttäuscht sind
Dé­jà-vu für das DFB-Team: Die Probleme der vergangenen Monate wiederholen sichBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Neben den altbekannten Problemen hinten gab es auch vorne im Grunde Dasselbe zu beklagen wie in den meisten Spielen der jüngeren Vergangenheit: Insgesamt stellte sich die deutsche Mannschaft viel zu umständlich dabei an, gegen die defensiv gut stehenden Ukrainer Möglichkeiten herauszuspielen. Und wenn es mal eine der seltenen Chancen gab, haperte es - wie schon so oft - daran, diese auch richtig zu nutzen.

Auch wenn es dank zweier später Tore am Ende noch zu einem Unentschieden reichte - unter dem Strich bleibt jede Menge Arbeit für Bundestrainer Flick und sein Team. Gut, dass es an diesem Abend in Bremen nicht in erster Linie um Fußball ging.

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Deutschland - Ukraine 3:3 (1:2)

Tore: 1:0 Füllkrug (6.), 1:1 Zygankow (18.), 1:2 Rüdiger (23./Eigentor), 1:3 Zygankow (56.), 2:3 Havertz (83.), 3:3 Kimmich (90.+1/Foulelfmeter)

Zuschauer: 35.795 (ausverkauft)